Wälder und Gelder

Seite 2: Zerstörung der Wälder bei den Römern

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Die kanadischen First Nations praktizierten - wie viele andere indigene Gemeinschaften rund um den Globus auch - eine basisdemokratische Selbstorganisation, die mit dem zerstörerischen Streben nach Kapitalakkumulation nichts am Hut hat. Diesem Streben fällt oft genug die Natur zum Opfer, die zugleich die einzige (und endliche) Ressource ist, mit der realwirtschaftliche Güter erzeugt werden können. Häufig entsteht dabei der Eindruck, dass nur die heutigen Industrienationen die Umwelt zerstören. Sicher, der Umfang der Zerstörung hat heutzutage enorme und erschreckende Dimensionen erreicht. Gleichsam begann die Zerstörung in genau jener Zeit, in der die Römer ihren Militär-Komplex mit dem Profitstreben koppelten.

Auf Inschriften in den Ruinen von Pompeji fand man Sprüche wie "salve lucrum" (Es lebe der Gewinn) und "lucrum gaudium" (Gewinn macht Freude). Um die Gewinne zu steigern, wurden schon in der Antike hektarweise Wälder gerodet: Vor zehntausend Jahren erstreckten sich von Marokko bis Mesopotamien gigantische Wälder mit Buchen, Eichen und Zedern. Das Land war fruchtbar und regenreich. Heutzutage findet man dort weitgehend Wüsten, was daran liegt, dass die Uruk, Mykener und Römer ganze Landstriche entwaldeten, um aus dem Holz Prachtbauten, Palisadenwälle und Kriegsschiffe zu bauen.

Das Römische Reich benötigte das Holz aber nicht nur zum Bauen, es musste auch über 60 Millionen Menschen mit Heizmaterial versorgen und über 600.000 Soldaten mit Waffen und Rüstungen ausstatten. Dafür brauchten die Römer Stahl, hergestellt aus Eisen und Kohlenstoff. Überall entstanden riesige Schmelzöfen, um Eisenerz zu verarbeiten. Die Öfen wurden mit Holzkohle befeuert, so dass es schon damals zu einer enormen Umweltzerstörung kam: Konservativen Schätzungen zufolge rodeten die Römer über 27 Millionen Hektar Wald, eine Fläche fast so groß wie das heutige Polen.

Und wozu das ganze? Um Krieg zu führen und Profite einzufahren. Immerhin flossen im Römischen Reich schätzungsweise drei Viertel der Staatsausgaben ins Militär. Wenn entwaldete Mittelmeergebiete wie die Insel Sardinien heutzutage unter Wassermangel leiden, dann ist das auch eine Konsequenz des römischen Waldgemetzels vor rund 2000 Jahren.

Zerstörung der Wälder in der Neuzeit

Im Frühmittelalter wurden die Wälder gemeinschaftlich als Allmende genutzt und waren sehr wichtig, ja vielleicht so wichtig wie heute das Erdöl. Die Wälder lieferten Brennholz, vitaminreiche Beeren und Kräuter, Eicheln zur Schweinemast und hier und da etwas Wild von der Jagd. Doch durch den gewaltsamen Allmende-Raub (Ich habe was, was du nicht hast) wurde die Natur zum Privateigentum, um Profit zu erwirtschaften, wobei die Herrschenden klar gegen die "Charter of the Forest" (1217) verstießen.

Während die "Magna Charta" (1215) noch bis heute als historisches Dokument der ersten Verfassungsrechte gefeiert wird, ist die nur wenig später von König Henry III. unterzeichnete "Charter of the Forest" völlig in Vergessenheit geraten. Und das, obwohl erstere lediglich Rechte für die Barone enthielt, während letztere der einfachen Bevölkerung entscheidende Rechte zugestand, darunter die freie Nutzung der Wälder und Heiden:

Jeder freie Mensch darf deshalb, ohne verfolgt zu werden, im Wald oder auf dem Land eine Mühle, eine Domäne, einen Teich, eine Mergelgrube, einen Wassergraben oder kultivierbares Land im Dickicht errichten, unter der Bedingung, dass dies nicht irgendeinen Nachbarn schädigt.

Charter of the Forest, 1217, 12. Artikel

Mit dem Allmende-Raub und der Reformation - die den Raub mit göttlichen Argumenten zu rechtfertigen versuchte - war damit endgültig Schluss. Nebenbei bemerkt setzten sich die Herrschenden und die Reformatoren auch über das biblische Verbot hinweg, Ländereien in Privatbesitz zu nehmen: "Besitz an Grund und Boden darf nicht endgültig verkauft werden, weil das Land nicht euer, sondern mein [Gottes] Eigentum ist. Ihr lebt bei mir wie Fremde oder Gäste, denen das Land nur zur Nutzung überlassen ist." (Lev 25,23). Den Proto-Kapitalisten Luther und Calvin war das gleichgültig.

Die Zerstörung der Wälder nahm anschließend in dem Maße zu, wie der militärisch-kapitalistische Komplex wuchs. Im Jahr 1556 veröffentlichte der Arzt Georgius Agricola mit "De Re Metallica" ein wichtiges Buch zum Thema Bergbau und Hüttenwesen. Der Text aus dem Jahr 1556 könnte genauso gut über die katastrophale Lage 2016 im tropischen Regenwald berichten:

Wälder und Haine werden umgehauen, denn man bedarf zahlloser Hölzer für die Gebäude und das Gezeug sowie, um die Erze zu schmelzen. Durch das Niederlegen der Wälder und Haine aber werden die Vögel und anderen Tiere ausgerottet, von denen sehr viele den Menschen als feine und angenehme Speise dienen. Die Erze werden gewaschen; durch das Waschen aber werden, weil es die Bäche und Flüsse vergiftet, die Fische entweder aus ihnen vertrieben oder gar getötet: Da also die Einwohner der betreffenden Landschaften infolge der Verwüstung der Felder, Wälder, Haine, Bäche und Flüsse in große Verlegenheit kommen, wie sie die Dinge, die sie zum Leben brauchen, sich verschaffen sollen, und da sie wegen des Mangels an Holz größere Kosten zum Bau ihrer Häuser aufwenden müssen, so ist es vor aller Augen klar, dass bei dem Schürfen mehr Schaden entsteht, als in den Erzen, die durch den Bergbau gewonnen werden, Nutzen liegt.

Georgius Agricola, 1556 in "De Re Mettalica"

All das war ganz und gar nicht "nachhaltig", um es mit einem Wort zu sagen, das gegenwärtig wieder in Mode gekommen ist. Wieder? In einem öffentlichen Schreiben der Stadt Reichenhall heißt es bereits 1661: "Gott hat die Wäldt für den Salzquell erschaffen, auf daß sie ewig wie er continuieren mögen / also solle der Mensch es halten: Ehe der alte ausgehet, der junge bereits wieder zum verhackhen hergewaxen ist."

Und 1713 warnte Hans Carl von Carlowitz, damals Oberberghauptmann des Erzgebirges, eindringlich vor einem Kahlschlag der Wälder. Sein Buch "Sylvicultura oeconomica, oder haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur Wilden Baum-Zucht" (1713) gilt als eines der ersten und wichtigsten Werke zur Idee der Nachhaltigkeit. Was war damals passiert? Im 18. Jahrhundert stand in vielen Regionen Sachsens kaum noch ein Baum. Aufgrund eines riesigen Energiehungers wurde Sachsen geradezu entwaldet. Denn der Bergbau und das Hüttenwesen benötigten enorme Mengen Feuerholz, um das Eisenerz zu schmelzen.

Wie schon bei den Römern haben die europäischen Nationalstaaten damals rund 80 Prozent ihres Staatshaushalts allein für Militärausgaben genutzt. Daran sieht man erstens, zu welchem Zweck Staaten ursprünglich geschaffen wurden, und zweitens, dass das Streben nach Kapitalakkumulation und die Zerstörung der Wälder Hand in Hand gehen. Carlowitz schreibt 1713:

Man soll keine alte Kleider wegwerffen / bis man neue hat / also soll man den Vorrath an ausgewachsenen Holtz nicht eher abtreiben / bis man siehet / daß dagegen gnugsamer Wiederwachs vorhanden." Eine erste Formulierung der Nachhaltigkeit also. Carlowitz fährt fort: "Wenn uns nicht die höchste Noth hierzu zwinget / so wird man sonsten schwerlich daran gehen / ehe und bevor […] uns das Wasser an Halß und ins Maul reichet.

Hans Carl von Carlowitz, 1713 in "Sylvicultura oeconomica"