Waffenlobby und etablierte Parteien: Offene Vereinsmeierei statt Verschwörung
Alles ganz normal: Nicht nur die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann befindet sich im regen Austausch mit der Rüstungsindustrie
Vor wenigen Tagen hat Papst Franziskus persönlich für Unmut bei deutschen Politikern gesorgt, indem er beiden Seiten im Ukraine-Krieg vorwarf, "neue Waffen auszuprobieren" und der Nato eine Mitverantwortung für die Eskalation gab. Möglicherweise habe das "Bellen der Nato" vor den Toren Russlands dazu beigetragen, dass der russische Präsident sich zum Angriff auf das Land entschlossen habe.
Franziskus problematisierte aber auch, dass überhaupt privatwirtschaftlich an Kriegen verdient wird. "Die Produktion und der Verkauf von Rüstungsgütern sind eine Schande, aber nur wenige sind mutig genug, sich dagegen zu wehren", sagte er dem Corriere della Sera und lobte die Weigerung italienischer Hafenarbeiter, im Frühjahr 2019 Waffen für Saudi-Arabien zum Einsatz im Jemen-Krieg zu verladen.
Den Arbeitern war zur Kenntnis gelangt, dass im Jemen Bomben aus der Fabrik einer Tochterfirma des deutschen Rheinmetall-Konzerns auf Sardinien gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wurden.
Der Verein LobbyControl e. V. kritisiert aktuell die Verflechtungen solcher Konzerne mit der deutschen Politik am Beispiel der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag ist unter anderem Mitglied im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik sowie beim Förderkreis Deutsches Heer. Diesem Förderkreis gehören sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen – darunter auch die Rüstungssparte von Rheinmetall – als Mitglieder an.
Die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik sieht sich als "neutrale Dialog- und Informationsplattform im Spannungsfeld von Bundeswehr, Forschung, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft", deren Ziel es ist "einen Beitrag zur bestmöglichen Ausrüstung der Bundeswehr zu leisten".
Während LobbyControl Strack Zimmermanns Engagement in diesen Vereinen für "schlecht vereinbar mit ihrer Tätigkeit als Ausschussvorsitzende" hält, betont der CDU-Politiker Henning Otte – selbst Vizepräsident des Förderkreises Deutsches Heer – dass dort alle Bundestagsparteien mit Ausnahme der Linken und der AfD vertreten seien. Und natürlich hält er dies für unproblematisch.
"Enge und privilegierte Zugänge ins Parlament"
Laut einem Bericht der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) vom Wochenende kritisierte Lobbycontrol-Sprecher Timo Lange, die Rüstungsindustrie verfüge so über "sehr enge und privilegierte Zugänge ins Parlament". Beide Vereine seien "von der Rüstungsindustrie stark beeinflusste Organisationen, wo wir es kritisch sehen, wenn Abgeordnete des Bundestages dort leitende Funktionen übernehmen - auch wenn es ehrenamtlich geschieht".
Otte sagte hingegen dem Blatt: "Aus meiner Sicht gehört der Kreis, in dem sich Politik, Soldaten und Rüstungsindustrie austauschen, zum notwendigen Rahmenprogramm eines Verteidigungspolitikers." Waffengeschäfte würden dort nicht vorbereitet. "Das ist eine abstruse Vorstellung", behauptete er.
Mit Blick auf Strack-Zimmermann sagte Otte allerdings auch: "Wie sie augenblicklich ihren Ausschussvorsitz zur persönlichen Profilierung nutzt, ist ein anderes Thema." Die FDP-Politikerin hatte vergangene Woche dem CDU-Chef Friedrich Merz vorgeworfen, mit seiner persönlichen Reise in die Ukraine Parteipolitik machen zu wollen. Als Oppositionspolitiker könne Merz schließlich gar keine verbindlichen Zusagen machen.
Strack-Zimmermann selbst war treibende Kraft, als es um die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine ging. Mitte April stellte sogar die kühne Behauptung auf, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei genau dafür gewählt worden und müsse das jetzt umsetzen. Dabei war Scholz im vergangenen Jahr als "Kanzler für bezahlbare Wohnungen", "sichere Arbeit und Klimaschutz", "stabile Renten" und "Respekt für Dich" in den Wahlkampf gezogen.
Seine Ankündigung einer "Zeitenwende" in der Regierungserklärung zum Ukraine-Krieg vom 27. Februar konnte aber durchaus so verstanden werden, dass all das jetzt erst mal keine Priorität mehr hat.