Waffenstillstand in Syrien: Russland und Türkei verhandeln
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Die USA und die EU im Abseits. Laut dem türkischen Außenminister Çavuşoğlu könnte eine landesweite Waffenruhe jederzeit in Kraft treten
Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu bestätigte die große Nachricht des heutigen Mittwochs, wonach sich Russland und Türkei auf eine Waffenruhe in Syrien geeinigt hätten.
Die Nachrichtenagentur Anadolu hatte zuerst von den Verhandlungen berichtet, mit Bezug auf eine vertrauenswürdige, aber anonyme Quelle. Demnach sollte eine Vereinbarung zwischen Russland und der Türkei alle Gebiete in Syrien betreffen, in denen die syrischen Regierungstruppen und deren Verbündete gegen oppositionelle Milizen kämpfen.
Schon um Mitternacht?
Schon um Mitternacht in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag könnte die Feuerpause in Kraft treten, so die Meldung, die sich rasch verbreitete. Die syrische Nachrichtenagentur Sana schweigt am Mittwochnachmittag dazu.
Die russische Nachrichtenagentur Tass zitierte den Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, der lediglich von Kontakten mit türkischen Kollegen sprach, einem Dialog zur Vorbereitung einer Syrien-Konferenz in der kasachischen Hauptstadt Astana. Fragen zu den Medienberichten über eine Feuerpause wollte er nicht beantworten. Dazu habe er nicht genug Informationen.
Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu wollte zwar nicht bestätigen, dass die Waffenruhe bereits Mitternacht in Kraft trete, aber er hielt sich den Medien gegenüber weniger zurück als Peskow. Man arbeite noch an der Übereinkunft zur Ausdehnung der Waffenruhe, aber sie könnte jederzeit in Kraft gesetzt werden, wird Çavuşoğlu von Hurriyet Daily News wiedergegeben.
Streitpunkte: YPG und Baschar al-Assad
Zwei wesentliche Streitpunkte liegen auf der Hand: Es heißt, dass terroristische Gruppen von der Waffenruhe ausgeschlossen sein sollen und es ist ganz typisch, dass schon in der ersten Zeile des Hurriyet-Berichts die Rede von der kurdischen PYD ist. Für die Türkei sind die YPG-Milizen, die mit der PYD verbunden sind und die stärkster Streitkraft in der SDF ausmachen, "Terroristen". Russland hatte dagegen in der Vergangenheit die YPG immer wieder unterstützt. Als Terroristen gelten sie in Russland nicht. Die PYD unterhält in Moskau ein Büro.
Auch bei der Frage, auf welchen Nenner die beiden Verhandlungspartner des Trios, zu dem noch Iran gehört, die Zukunft von Assad betreffend kommen könnten, steht eine Antwort noch aus. Çavuşoğlu gab gegenüber Hurriyet zu erkennen, dass es noch keinen Konsens zur YPG gebe, und er betonte nochmals, dass der Übergang zu einem Frieden in Syrien unmöglich sei, wenn Baschar al-Assad darin involviert sei. Die Opposition würde ihn nicht akzeptieren.
Die Türkei hat unter den drei Ländern, die sich demnächst in Astana treffen wollen, um eine Vereinbarung über eine Lösung des Syrienkonflikts zu finden, eine schwierige Rolle: Sie soll gegenüber der Opposition vermitteln und dafür garantieren, dass deren Zusagen eingehalten werden.
Trennung der Opposition
So fällt ihr eine Aufgabe zu, die die USA nicht geschafft haben oder nicht schaffen wollten, nämlich die Trennung der bewaffneten Opposition in terroristische Gruppen, die weiter angegriffen werden, und in Gruppen, die davon verschont bleiben sollen, sozusagen die "moderate Opposition". Dass es Probleme geben wird, ist unübersehbar. Der Text enthalte einen Begriff mit "konstruktiver Zwiespältigkeit", was gewisse Terrorgruppen angehe, zum Beispiel Ahrar al-Sham betreffend, berichtet Hurriyet.
Angesichts dessen, dass die Türkei mehrere Jahre lang ihre Grenzen offenhielt, weswegen sich die dschihadistischen Gruppen, angefangen vom IS über die al-Nusra-Front bis hin etwa zu Nour al-Din al-Zinki, reichlich mit Waffen, neuen Anhängern und anderem Nachschub versorgen konnten, dürften jetzt viele gespannt sein, wie konstruktiv die Türkei mit dieser Zwiespältigkeit zurechtkommt.
Reuters zitiert Çavuşoğlu damit, dass es zwei Texte über eine Lösung in Syrien gebe. Einen über eine politische Lösung und einen über eine Waffenruhe. Was letztere anbelangt, so die Informationen von Reuters gebe es noch keine Einigung mit den oppositionellen Milizen. Laut Aussage eines ungenannten Vertreters der Milizen sei man noch von keinen Details in Kenntnis gesetzt worden. Darüber hinaus sei auch der Wunsch Russlands, die Umgebung von Damaskus ebenfalls von der Waffenruhe auszunehmen, ein strittiger Punkt.
Streit unter den Milizen
Die Milizen würden sich weigern, dies zu akzeptieren. In dem Reuters-Bericht steht eine andere, nicht zu überprüfende Aussage, die das auf mehreren Ebenen verknäulte Interessensgeflecht des syrischen Krieges offenlegt: Eine von Saudi-Arabien unterstützte Oppositionsgruppe habe demnach mitgeteilt, dass man zwar nichts von den Verhandlungen wisse, aber eine Waffenruhe unterstütze.
Wer die Gruppe ist, ob es das Hohe Verhandlungskomitee ist, das in Riad zusammengestellt wurde, oder eine Miliz, etwa Ahrar al-Sham, bleibt völlig offen. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass es Streit zwischen den Milizen gibt. Das zeigte sich schon seit der Rückeroberung Aleppos.
Von Ahrar al-Sham heißt es zum Beispiel, dass sich eine Aufsplitterung anbahne. Die andere, größere Ebene, die von Elijah J. Magnier dargelegt wird, bringt Rücksichten Russlands ins Spiel, die Saudi-Arabien miteinbeziehen. Dazu kommen israelische Interessen, die Russland ebenfalls berücksichtigen will. Netanjahu war vor einigen Wochen in Moskau.