Waffentransporte vom Balkan über Saudi-Arabien nach Syrien

Seite 2: Bulgarische Rüstungsindustrie boomt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Bulgarien war bereits im Rahmen des kommunistischen Rats für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) ein bedeutender Rüstungslieferant, spezialisiert vor allem auf leichtere Waffen und Munition. Heute wie damals vertreibt die staatliche Handelsfirma Kintex in Sofia die von überwiegend staatlichen Herstellern produzierten Pistolen, Gewehre und Geschütze vor allem in den Nahen Osten und nach Afrika, aber auch nach Indien.

Arsenal in Kasanlak, eine der renommiertesten bulgarischen Waffenschmieden, fertigt die legendäre Kalaschnikov AK47 in Lizenz. Bulgariens größtes Rüstungsunternehmen mit der diversifiziertesten Produktpalette ist VMZ Sopot. Es stand noch vor einigen Jahren kurz vor dem Bankrott, VMZ-Arbeiter protestierten monatelang wegen ausbleibender Lohnzahlungen. Inzwischen hat sich die wirtschaftliche Situation von VMZ Sopot grundlegend gewandelt. Wie die meisten der in der Vereinigung der Bulgarischen Verteidigungsindustrie organisierten Unternehmen (BDIA) macht es kräftige Gewinne und sucht händeringend Arbeitskräfte.

Gemäß dem aktuellen Bericht der staatlichen Kommission für Exportkontrolle und Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen haben Bulgariens Rüstungsfirmen im vergangenen Jahr Waffen und Munition im Wert von über einer Milliarde Euro ausgeführt. Sie konnten damit ihren Exporterlös gegenüber dem Vorjahr um 370 Mio € steigern. Bereits im Jahr 2015 lag er um rund 60% höher als 2014. Hauptabnehmer für bulgarische Rüstungsgüter sind Irak, Saudi-Arabien und die USA. Obwohl Exporte in Kriegsgebiete unzulässig sind, lassen sich die exorbitanten Zuwachsraten der vergangenen beiden Jahren kaum anders erklären, als dass die bulgarischen Waffenfabrikanten von den andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien, dem Irak und in Afghanistan profitieren.

Das US-amerikanische Special Operations Command ist Drehscheibe des Waffenhandels

Gemäß dem jüngst vom Balkan Investigative Reporting Network (BIRN) gemeinsam mit dem Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) vorgelegten Recherchebericht soll das US-amerikanische Special Operations Command (SOCOM) zwischen September 2015 und Mai 2017 Waffen im Wert von rund 780 Mio USD beschafft haben, darunter Kalaschnikovs AK-47, Granatwerfer zur Panzerabwehr und Minenstreugeräte. Mit 243,3 Mio USD sei der Löwenanteil davon an Bulgarien geflossen. Laut BIRN / OCCRP wollen die USA bis zum Jahr 2022 2,2 Milliarden USD für die Unterstützung von Verbündeten in den Nahost-Kriegsgebieten aufgewendet haben. Außer den USA träten auch Saudi-Arabien Jordanien, die Türkei, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate in Osteuropa als Waffenkäufer auf. Rüstungsgüter würden zunächst in ihre offiziellen Bestimmungsländer transportiert, danach mit Flugzeugen und Lastwagen in die Kampfgebiete in Syrien, Irak, Libyen und Afghanistan gebracht.

Bulgariens mit Unterbrechungen seit 2009 regierender rechtskonservativer Ministerpräsident Boiko Borissov schreibt sich das Verdienst für den Boom der bulgarischen Rüstungswirtschaft zu. Es seien seine Regierungen gewesen, die "die Firmen des Militärisch-Industriellen Komplexes von Protesten, Streiks und Mangel an Aufträgen weggeführt und zu einem Arbeitstempo hingeführt haben, wie es das selbst zu sozialistischer Zeit nicht gegeben hat", erklärte er im Frühstücksfernsehen von bTV.

Weder Borissov noch die zuständigen Minister seiner Regierung haben Dilyana Gaytandzhievas Recherchen kommentiert. Diese fanden auch in Bulgariens Medien so gut wie kein Echo. Bisher sind es eher russisch-staatliche oder dem Aliyev-Regime in Aserbaidschan feindlich gesonnene Medien, die sie rezipieren. "Whistleblowing or black PR?", hinterfragte Mike Runey im Onlineportal Eurasia.Net Gaytandzhievas Darstellung kritisch.

"Ich bin gerade gefeuert worden, weil ich die Wahrheit gesagt habe über die Waffenlieferungen an Terroristen in Syrien mithilfe diplomatischer Flüge", twitterte Dilyana Gaytandzhieva am 24. August 2017. Nach einer Vernehmung durch die Staatliche Agentur für Nationale Sicherheit (DANS) habe Trud-Eigner und Chefredakteur Petjo Blaskov sie ohne Angaben von Gründen entlassen, vermutlich auf äußeren Druck. Blaskov bestreitet dies und behauptet, Gaytandzhieva habe bereits zwei Monate zuvor selber ihren Job gekündigt. "Das ist nicht wahr und dazu gibt es kein Dokument", dementiert sie.

Im Zuge der jüngsten Affäre mit der sogenannten aserbaidschanischen Geldwaschmaschine wurde bekannt, dass Kalin Mitrev, Bulgariens Vertreter im Vorstand der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), von aserbaidschanischen Firmen Honorarzahlungen in Höhe von rund 425.000 USD erhalten hat. Welcher Art seine dafür geleisteten Beratungsleistungen waren, ist selbst für seine Ehegattin nicht nachzuvollziehen. Sie sei über die professionellen Tätigkeiten ihres Mannes nicht informiert, erklärte UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokova.

So werden künftige journalistische Recherchen zu klären haben, ob und wenn ja welcher Zusammenhang zwischen der sogenannten aserbaidschanischen Kaviar-Diplomatie und dem reibungslosen Funktionieren der aserbaidschanischen Luftbrücke für Waffen und Munition besteht. Dilyana Gaitandzhieva will weiter zum Thema osteuropäische Waffen für Nahost arbeiten. "Sicherlich aber nicht mehr für bulgarische Medien", sagt sie.