Wahlen in Syrien: Auf dem Weg in bessere Verhältnisse?
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Es geht um die Besetzung von Kommunal- und Provinzräten und die Frage, wie sich der Machtanspruch der Zentralregierung durchsetzen kann. Islamistisch beherrschte Gebiete und die Zonen unter türkischer wie auch unter kurdischer Verwaltung waren nicht dabei
Am gestrigen Sonntag wurde in Syrien gewählt. Es geht um die Besetzung von Kommunal- und Provinzräten. Der Tagesschau-Bericht dazu zeigt mit ungewöhnlichen 72 Kommentaren, bevor das Forum geschlossen wurde, an, dass derzeit auch Kommunalwahlen in Syrien Debatten anregen.
Früher hätte das kaum jemanden interessiert. Seit jedoch die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland sowie die "Freunde Syriens" unter den arabischen Golfstaaten und das Nato-Mitglied Türkei mit großem politischen, wirtschaftlichen, finanziellen und militärischen Nachdruck versuchen, die syrische Führung wenn nicht zu beseitigen - woran sie gescheitert sind - , so doch wenigstens auszumanövrieren, sind auch die Kommunalwahlen ein Feld des Propaganda-Kampfes.
Seit Dezember 2011 gab es keine Wahlen auf kommunaler Ebene mehr. So ist es naheliegend, dass die Stimmabgabe in 6.551 Wahllokalen, verteilt auf 88 Wahlbezirke, für insgesamt 40.000 Kandidaten, die sich um 18.478 Mandate streiten, als Schritt zur Rückkehr in bessere Verhältnisse gewertet wird, wie es etwa der syrische Premierminister Imad Khamis gegenüber der syrischen Nachrichtenagentur Sana zelebriert.
"Der ganzen Welt die Wahrheit beweisen"
Der Premier erklärte feierlich in Daraja, einem Vorort von Damaskus, das zu den ersten Widerstandsorten gezählt wird und der erst in diesem Sommer wieder unter Kontrolle der Regierung gelangte, dass "die Rückkehr des Lebens in diese Stadt und die Wahlen der ganzen Welt die Wahrheit beweisen, was der syrische Staat in den vom Terrorismus befreiten Gebieten macht und welch' große Schritte man unternimmt, um die staatlichen und behördlichen Aufgaben wieder aufzunehmen und den Wiederaufbau anzugehen".
Die Ergebnisse werden auf sich warten lassen. Ob sie dann noch das Aufsehen erregen werden, das allein der Tatsache zukam, dass Wahlen abgehalten wurden, ist fraglich. Aufgrund des politischen Systems in Syrien seit Übernahme der Macht durch Baschar al-Assads Vater Hafez im Jahr 1970 ist naheliegend, dass die Baath-Partei bzw. ihr nahestehende Vertreter des nationalen Konsens' die Wahlergebnisse dominieren werden.
Wie gut sind die Verbindungen der Zentralregierung in die Peripherie?
Interessant ist natürlich, wie sich der mittlerweile über sieben Jahre dauernde Krieg in Syrien auf die Machtverhältnisse in der Peripherie ausgewirkt hat, wie gut die Verbindungen der Zentralregierung in Damaskus in die Zonen außerhalb noch ausgeprägt sind, wie belastbar das Netzwerk noch ist, wie groß die Loyalität (die "Asabyia"). Für genaue Kenner der Verhältnisse könnten die Ergebnisse der Kommunalratswahlen hier einige Indizien liefern.
Ansonsten kann man an den Lücken in der Wahlbeteiligung einiges ablesen. In den englisch-sprachigen Berichten der Nachrichtenagentur Sana wird nicht aufgeführt, welche Gouvernements bei der Wahl nicht dabei waren. So waren Gebiete, die von der Opposition kontrolliert werden, ausgeschlossen: In Idlib und Umgebung wurde nicht gewählt.
Auch in Afrin, das die Türkei mit Hilfe der islamistischen syrischen Milizen besetzt hält und verwaltet, wurde nicht gewählt. Wie auch nicht in dem Gebiet unter maßgeblicher kurdischer Verwaltung weiter östlich, in al-Hasaka und im mittleren Euphrat-Tal, wo die SDF in Zusammenarbeit mit den USA ihr Territorium haben.
Verhandlungen zwischen Damaskus und Kurdenvertretern
Die Kurden vom Syrischen Demokratischen Rat (Syrian Democratic Council) hätten es nicht erlaubt, so die Nachrichtenagentur, dass auf ihrem Gebiet Wahlen abgehalten werden. Die Weigerung gehört zu den Verhandlungen, die zwischen der Regierung in Damaskus und Kurdenvertretern laufen. Darin geht es um die Fragen, wie das politische System des "neuen Syriens" nach dem Krieg gegen die dschihadistischen, salafistischen und islamistischen Milizen gestaltet werden soll.
Vertreter der Kurden drängen auf eine Regionalverwaltung, die ihnen möglichst weitgehende autonome Befugnisse einräumt. Der Name "Demokratische Föderation Nordsyrien" trägt allerdings schon im Titel, dass ihren Vertretern nicht um eine Ablösung geht, sondern um eine föderale Ordnung Syriens, in der - zumindest ihrer Zone - mehr Eigenständigkeit gegenüber der Zentralregierung zukommt.
Es gibt Stimmen, wie zum Beispiel Nir Rosen, die in einer neuen Ausbalancierung der Macht zwischen Damaskus und der Peripherie eine Möglichkeit sehen, ein verändertes, neues Syrien aufzubauen, das auch Investoren für den wirtschaftlichen Wiederaufbau anziehen könnte. Dieses Modell setzt auf eine Art "Mehr Demokratie wagen mit den Kurden". Inwieweit es eine Chance hat, wird man erst sehen.