"Wandering Earth II": Spektakuläres Zukunftskino aus China

Seite 2: Was den Film über das übliche Spektakelkino heraushebt

Einer der drei zentralen Erzählstränge spielt am UN-Hauptquartier in New York rund um einen chinesischen Spitzendiplomaten, der das "Projekt Wandernde Erde" stark vorantreibt. Dabei arbeitet er selbstverständlich mit den US-Amerikanern zusammen.

Diese sind hier nicht etwa "böse" und geopolitischer Rivale, sondern allenfalls ein bisschen naiv und grobschlächtig, vor allem aber nur noch eine von vielen Mächten in einer UNO, in der China die erste Geige spielt und auch sonst die asiatischen Mächte Japan, Korea, Russland eine wichtigere Rolle spielen, als der alte Kontinent Europa, aus dem nur Frankreich nach wie von Bedeutung zu sein scheint.

Nur jener asiatische Rivale, den China in Wirklichkeit für die Zukunft am meisten fürchtet, nämlich der indische Subkontinent, kommt in dieser Welt bezeichenderweise überhaupt nicht erst vor.

Es sind solche beiläufigen Beobachtungen und sorgfältig platzierte Details, die "Wandering Earth II" über das übliche Spektakelkino, woher auch immer es jeweils kommt, hinausheben und in allem Lärm aus Raketen, Explosionen und Sonnenstürmen für stille Augenblicke sorgen.

Natürlich ist dieser Film auch das: Spektakelkino. Genauer gesagt ein chinesischer Blockbuster für die heimischen Kinos, der den Riesenerfolg von Gwos Vorläufer "Wandering Earth" anknüpfen soll, der allein in der Volksrepublik über 700 Millionen Dollar einspielte, und zu Unrecht in Deutschland mehr als in den USA etwas respektlos übersehen und als teuer gemachter B-Movie verachtet wurde.

Zukunftsgewissheit und Wissenschaftsoptimismus kurieren den innerlich schwächelnden Westen

Dies ist überbordende Wissenschafts-Fantasy wie klassische Science-Fiction, der en passent die Gefahren von Technikfeindschaft thematisiert, und Sozialstrukturen der Gegenwart in die Zukunft fortschreibt, wenn Arbeiter hier Angst haben, dass ihnen Quantencomputer die Arbeit wegnehmen könnten.

Das Schöne an diesem Film ist nicht zuletzt, dass er sich nicht, wie der innerlich schwächelnde Westen mit seinem brüchig gewordenen Selbstbewusstsein in Selbstmitleid, Zukunftsskepsis und Dystopien ergeht, sondern an die Zukunftsgewissheit, den Wissenschaftsoptimismus und die Technikbegeisterung der klassischen Science-Fiction und seiner Goldenen Ära in den 1950er-Jahren anknüpft, an Autoren wie Arthur C. Clark, Isaac Asimov, Ray Bradbury.

So kann man "Wandering Earth II" durchaus einiges abgewinnen: Nicht zuletzt eine wohltuende Unschuld, ein optimistischer Humanismus, den nur Zyniker als "naiv" abtun werden, und der vielleicht das ethische Fundament für eine Zukunft legt, in der die Menschheit die Handlungshemmungen der Gegenwart überwindet, um die lange vertagten Herausforderungen unserer Gegenwart im letzten Moment dann doch noch zum Guten zu bewältigen.

Handlungsmut und das politische Setting einer wohlmeinenden Autokratie

Dieser Humanismus ist hier allerdings – dies soll auch nicht verschwiegen werden – verbunden mit dem politischen Setting einer wohlmeinenden Autokratie – wobei die Themen politische Repräsentation und Herrschaftstechniken hier weitgehend ausgeblendet bleiben.

Aber auch das ist nicht grundsätzlich anders als in Hollywood, das in zahlreichen Beispielen vorführt, dass Not kein Gebot kennt, und der Tatmensch/Actionheld sich durch auszeichnet, dass er im richtigen Moment alle Regeln und Verfahren der "Eierköpfe" ignoriert.

In Roland Emmerichs "Independence Day" sind es nicht die Gleichen, Vielen, sondern der zum charismatischen Führer und Dezisionisten gewordene US-Präsident, der als Kampfpilot die außerirdischen Invasoren besiegt.

Der individualistische Heroismus ruht immerhin auf mehreren Schultern. Und auf der Willensfreiheit. Gegen alle Schicksalsergebenheit antwortet auch der Computer auf eine entsprechende Frage, die Geschichte der Zivilisation habe "gezeigt, dass das Schicksal in den Entscheidungen der Menschen liegt".

Darauf antwortet einer der Helden: "Ich wähle die Hoffnung."