Wann kommen die großen Fracht-Drohnen?
Deutsche Luftfahrtinstitute und Fluglotsen forschen seit Jahren zum unbemannten Frachtbetrieb. Eine aufwändige Simulation hat gezeigt, wie sich unbemannte und bemannte Flieger den gleichen Luftraum teilen können
Der Chef der Deutschen Flugsicherung (DFS) Klaus-Dieter Scheurle spricht sich in einem Interview mit der dpa für den Ausbau der unbemannten zivilen Luftfahrt aus. Die flächendeckende Einführung entsprechender Systeme scheitere nicht an der Technologie für unbemannte Flugzeuge, sondern an der Akzeptanz ihrer Passagiere. Der frühere Staatssekretär und CSU-Politiker rechnet jedoch mit steigendem Vertrauen in die "automatisierte Mobilität" beim Auto, von dem schließlich auch die unbemannte Luftfahrt profitiere. Zu erwarten sei dann das Auftreten großer privater Anbieter von Drohnenverkehr und neuartiger Dienstleister.
Die DFS ist eine 1993 gegründete, bundeseigene GmbH. Seit 2013 übernimmt Scheurle die Geschäftsführung. Bereits während seiner Zeit als Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hatte Scheurle den Aufsichtsratsvorsitz der privatrechtlichen DFS inne. Ihre Lotsen sind an den 16 internationalen Flughäfen Deutschlands sowie in vier Kontrollzentren stationiert. Der dpa zufolge haben sie in 2017 mehr als 3,2 Millionen Flugbewegungen im deutschen Luftraum abgewickelt.
Drohnen-Flüge im konventionellen Luftraum
Neben der Überwachung des Flugverkehrs ist die DFS an Forschungen zu Konzepten unbemannter Frachtflüge beteiligt. Dabei geht es unter anderem um die Steuerung der Flugzeuge und ihre Integration in das sogenannte Air Traffic Management. Anders als militärische Drohnen sollen die zivilen Fracht-Drohnen nicht in Korridoren, sondern im von Fluglotsen kontrollierten Luftraum unterwegs sein.
Zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat die DFS untersucht, wie große Fracht-Drohnen vom Boden aus geführt werden könnten. Ein aus fünf DLR-Instituten gemeinsam durchgeführtes Projekt "Unmanned Freight Operations" (UFO) hat hierzu drei Szenarien untersucht und die Ergebnisse auf einem Symposium präsentiert.
Simuliert wurden kurze Flüge zum Transport von Werksgütern mit einer kleinen Cessna, Langstreckenflüge mit einer Frachtversion einer Boeing 777 sowie der Transport von Hilfsgütern nach Afrika mit einer Flotte ferngesteuerter Frachtflugzeuge. Nur im dritten Szenario würden die Flüge ähnlich wie bei bemannten Hilfsmissionen in separierten Lufträumen erfolgen.
Lotsen und Piloten könnten in einem Raum sitzen
Die Fluglotsen würden die Fracht-Drohnen nicht wie im bemannten Flug üblich nur ein kurzes Stück begleiten und im nächsten Sektor wieder "abgeben". Möglich wäre stattdessen eine "sektorlose Führung", bei der ein Lotse unbemannte Flugzeuge über einen längeren Streckenabschnitt überwacht. Die speziell geschulten Lotsen würden mit dem Piloten am Boden in Kontakt stehen, der dann die entsprechenden Anweisungen der Lotsen ausführt.
Im Flughafennahbereich, also vor dem Start und nach der Landung könnten die Drohnen-Frachter in die reguläre An- und Abflugsequenz eingegliedert werden. Auch dies wurde im Projekt UFO simuliert. Das unbemannte Frachtflugzeug wurde durch die Bodenkontrollstation von der Landebahn geschleppt, ent- und beladen, zur Startbahn zurückgeschleppt und dort an den Piloten übergeben. Möglich wäre sogar die Nutzung unbemannter Schleppfahrzeuge oder ein "autonomes Rollen".
In einem gemeinsamen Workshop der DFS und des DLR kam laut der UFO-Projektleiterin Dr. Annette Temme heraus, dass die Überwachungsaufgaben eines Drohnen-Piloten Ähnlichkeit zum heutigen Aufgabenspektrum eines Fluglotsen hätten. Denkbar wäre deshalb, dass die Lotsen und Piloten im gleichen Raum sitzen oder das Flugzeug als Relaisstation zur Kommunikation nutzen.
Autonomer Flug spart Piloten und Platz
Die ferngesteuerte Flugführung könnte auch zu einer Effizienzsteigerung gegenüber der bemannten Luftfahrt führen. Auf einer Frachtmaschine sitzen bis zu vier Piloten, die sich regelmäßig abwechseln müssen. Wird unterwegs noch Fracht geladen, können bis zu 12 Piloten erforderlich sein. Ferngesteuerte Frachtflugzeuge würden diesen Aufwand reduzieren und den Piloten einen achtstündigen Arbeitstag garantieren.
Die Idee hierzu stammt von dem ebenfalls an dem DLR-Projekt beteiligten Michael Schultz. Dem DLR-Forscher zufolge könnten die Drohnen auch Treibstoff sparen, wenn diese ohne Rücksicht auf verstreichende Arbeitszeit ihrer vielen Piloten langsamer fliegen könnten. Sind keine Piloten an Bord, kann außerdem auf das Cockpit und die Druckkabine verzichtet werden. Die frei gewordene Fläche würde für die Fracht zur Verfügung stehen.
Bis zur Einführung unbemannter Frachtflugzeuge dürften jedoch noch einige Jahre vergehen. Es fehlen rechtliche und technische Standards für Zulassungsprozesse und für den Betrieb im Luftraum sowie an Flughäfen. Unter anderem muss geklärt werden, wie die geforderten Datenraten und die verzögerungsfreie Kommunikation sichergestellt sind. Probleme ergeben sich auch bei der Genauigkeit der Navigationsverfahren und der Überwachung der Flüge.