Warme Meere verändern das Klima
Die Energie- und Klimawochenschau: Zweitwärmster Winter in Deutschland, Verlagerung von Meeresströmungen und ein Urteil für den Klimaschutz in Großbritannien
Am 29. Februar ist der meteorologische Winter zu Ende gegangen, daher kann eine erste Bilanz gezogen werden. Deutschland hat nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes den zweitwärmsten Winter seit Beginn flächendeckender Aufzeichnungen im Jahr 1881 erlebt. In den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin war es sogar der wärmste Winter. Hier lag die Durchschnittstemperatur bei 4,1 Grad Celsius und damit 3,9 Grad oberhalb des Werts der Referenzperiode 1961 bis 1990. Und auf Sylt gab es in diesem Winter keinen einzigen Frosttag.
Insgesamt fielen auch mehr Niederschläge als im Durchschnitt, wodurch sich die Bodenfeuchte zumindest teilweise wieder regenerieren konnte. Allerdings waren die Niederschläge recht ungleich verteilt und variierten zwischen 810 Liter pro Quadratmeter im Schwarzwald und unter 90 Liter pro Quadratmeter an einigen Orten Brandenburgs, Thüringens und Sachsen-Anhalts.
Der milde Winter nicht nur in Deutschland, sondern in weiten Teilen Europas ist vor allem auf eine anhaltende Südwestwindwetterlage zurückzuführen, die relativ warme Luft zuführte. Positiv ausgewirkt hat sich die Wetterlage auf die Windstromerzeugung. Wie der Fachinformationsdienst IWR mitteilt, wurden sowohl in Deutschland als auch in ganz Europa neue Rekordwerte erreicht. In Deutschland wurden im Februar 20,7 Milliarden kWh Windstrom eingespeist und damit der Rekord aus dem März 2019 von 16,2 Milliarden kWh gebrochen. Europaweit wurden im Februar 2020 54 Milliarden kWh Windstrom eingespeist.
Auch weltweit betrachtet waren die zurückliegenden Monate sehr warm. Der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) zufolge werden sich die überdurchschnittlichen Temperaturen auch in den kommenden Monaten auf weiten Teilen der Erde fortsetzen, und zwar zunächst ohne das Wetterphänomen El-Niño. Das liegt an insgesamt steigenden Temperaturen an der Meeresoberfläche. "Selbst ENSO-neutrale Monate sind wärmer als früher, da sich Luft- und Meeresoberflächentemperaturen aufgrund des Klimawandels erhöht haben. Da 90% der von Treibhausgasen eingefangenen Energie in den Ozean geht, ist der Wärmegehalt des Ozeans auf einem Rekordhoch", sagt WMO-Generalsekretär Petteri Taalas.
Ein neues El-Niño könnte aber bereits im Herbst 2020 eintreten, was die globalen Temperaturen weiter in die Höhe treiben würden. Ein deutsch-israelisches Forscherteam rechnet mit 80prozentiger Wahrscheinlichkeit mit dem Wetterphänomen.
Meeresströme wandern um 800 Meter pro Jahr
Langfristig Einfluss auf das Wettergeschehen könnte auch eine Verschiebung der Meeresströme nehmen. Bedingt durch die Erderwärmung haben sich die großen Meeresströme in den letzten 40 Jahren in Richtung der Pole verlagert, aktuell um rund 800 Meter pro Jahr. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts anhand der Auswertung von Satellitendaten sowie von Simulationen.
Die acht großen Meereswirbel beeinflussen das Wettergeschehen an ihren Rändern, wie etwa der Golfstrom, der Wärme und Feuchtigkeit nach Norden transportiert. Die Verschiebung der Strömungssysteme zeigt schon jetzt Auswirkungen: "Mit den westlichen Randströmen verschieben sich zum Beispiel die Pfade der Winterstürme und des Jetstream. In den Randbereichen der östlichen Randströme beobachten wir, dass die reichhaltigen Ökosysteme schrumpfen, weil sich durch die Strömungsverlagerung die Lebensbedingungen für die Meeresbewohner zu schnell ändern", so der Erstautor der in Geophysical Research Letters veröffentlichten Studie, Hu Yang. Die Verlagerung führt auch zu einem lokalen Anstieg des Meeresspiegels, etwa an der Nordostküste Nordamerikas.
"Praktisch und ohne Mehrkosten"
Ein Dauerbrenner in Deutschland ist das Thema eines generellen Tempolimits auf Autobahnen. Das Recht auf die individuelle Raserei scheint in einigen politischen Lagern nach wie vor die letzte Bastion der Freiheit. Im Oktober 2019 stimmte der Bundestag gegen einen Antrag der Grünen für ein Tempolimit und am 14. Februar lehnte der Bundesrat einen Vorstoß des Umweltausschusses für ein generelles Tempolimit von 130 km/h ab.
Gegner des Tempolimits behaupten immer wieder, die möglichen CO2-Einsparungen seien sehr gering, was eine solche Einschränkung nicht rechtfertigen würde. Dabei mag man sich fragen, warum eigentlich? Diese Einsparung von CO2-Emissionen wäre quasi kostenlos zu haben. Das Umweltbundesamt unterfüttert die Forderung nach einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen nun erneut mit Daten. Dirk Messner, Präsident des UBA erklärt:
Ein Tempolimit auf Autobahnen hilft uns, die Treibhausgasemissionen des Verkehrs in Deutschland zu senken. Bei Tempo 120 km/h liegen die Einsparungen bei 2,6 Millionen Tonnen jährlich. Selbst ein Tempolimit von 130 km/h reduziert die Emissionen bereits um 1,9 Millionen Tonnen - und zwar sofort und praktisch ohne Mehrkosten.
Dirk Messner
Eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h würde die Emissionen sogar um 5,4 Millionen Tonnen sinken lassen. Das Einsparpotenzial wurde aus aktuellen Verbrauchsdaten von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen und Daten zur Geschwindigkeiten auf Autobahnen ermittelt. Verglichen mit den Gesamtemissionen des Verkehrssektors von 163 Millionen Tonnen im Jahr 2018 ist die Ersparnis zwar nicht riesig, aber nicht weniger sinnvoll, findet Messner:
Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen ist ein sinnvoller Klimaschutzbeitrag. Denn gerade der Verkehrssektor hat seit 1990 wenig zum Klimaschutz beigetragen. Hier muss jede Möglichkeit genutzt werden, erst recht, wenn diese nahezu kostenlos und sofort umsetzbar ist. Ein Tempolimit auf Autobahnen hilft aber nicht nur dem Klima, sondern senkt auch die Lärm- und Schadstoffemissionen und erhöht die Verkehrssicherheit.
Dirk Messner
Keine neue Startbahn für Heathrow
Einen Schritt weiter, was den Klimaschutz im Verkehrssektor angeht, scheint gerade Großbritannien zu sein. Dort untersagte das Berufungsgericht die Erweiterung des Flughafens Heathrow um eine dritte Start- und Landebahn. Geklagt hatten Umweltorganisationen wie Friends of the Earth.
Das Berufungsgericht entschied, dass die Genehmigung der Erweiterung des Flughafens durch den Verkehrsminister illegal war. Die Regierung hätte ihre Verpflichtungen aus dem Klimaabkommen von Paris berücksichtigen müssen, und die Nichtbeachtung bei der Genehmigung der Start- und Landebahn sei ein fataler Fehler gewesen. Damit sprachen sich die Richter aber nicht grundlegend gegen eine Flughafenerweiterung aus, sie müsse nur mit der britischen Klimapolitik konform gehen.
Für Friends of the Earth stellt das Urteil einen Durchbruch dar. "Dieses Urteil hat aufregende weitere Implikationen, den Klimawandel bei allen Planungsentscheidungen mitzubedenken. Es ist an der Zeit, dass Planer und Behörden für die Klimafolgen ihrer schädlichen Entwicklungsprojekte verantwortlich gemacht werden", erklärt der Leiter der Rechtsabteilung der Organisation, Will Rundle.
Ebenfalls in Großbritannien blockierten Aktivisten von Greenpeace am Montag fast 100 Filialen der Bank Barclays mit der Forderung, nicht länger zur Finanzierung fossiler Energien beizutragen. Barclays finanzierte zwischen 2016 und 2018 fossile Projekte mit einer Gesamtsumme von 85 Milliarden Dollar. Gelder flossen unter anderem in die Gewinnung von Kohle, Teersand und in Fracking.
Laut dem Bericht "Banking on Climate Change 2019" ist Barclays die Bank mit dem größten Finanzierungsvolumen für fossile Energien in Europa. Übertroffen wird sie noch von den US-amerikanischen Banken JP Morgan Chase, Wells Fargo, CITI und Bank of America sowie der kanadischen RBC. "Barclays muss aufhören, den Klimanotstand zu finanzieren, deswegen sind wir heute in Aktion getreten. Überschwemmungen, Buschbrände und Rekordtemperaturen in der Antarktis sind die Auswirkungen dieser Krise, die uns direkt vor Augen geführt werden. Trotzdem pumpt Barclays weiter Milliarden in fossile Energieunternehmen, in einer Zeit, in der wir aufhören müssen, die fossilen Geschäftsmodelle zu stützen", erklärte Morten Thaysen von Greenpeace UK. Die Aktivisten verklebten unter anderem Türschlösser und installierten temporäre Ausstellungen zur Klimakrise.