Warten auf den Tod
Seit mehr als 3 Wochen befindet sich Aminatu Haidar, die "Ghandi der Westsahara", auf dem Flughafen von Lanzarote im Hungerstreik
Es ist ein kleines Kabäuschen, das die 42-jährige Aktivistin für die Menschenrechte in der Sahara, gegen ihren Platz in der Abflughalle eingetauscht hat. Die Fenster verklebt, auf einer Matratze am Boden, in unmittelbarer Nähe zum Busbahnhof des Flughafens von Arrecife. Aminatu Haidar befindet sich seit dem 15. November im Hungerstreik, nachdem man sie nach Marokko nicht hatte einreisen lassen, zudem ihr den Pass abnahm und zurück nach Lanzarote deportierte.
Laut dem marokkanischen Außenminister Fassi Fihri habe die Aktivistin ihre Staatsbürgerschaft freiwillig widerrufen. „Familienmitglieder von Aminatou Haidar waren anwesend, als sie ihre Aussagen im Beisein eines Staatsanwaltes unterzeichnete und ihre marokkanische Staatsbürgerschaft aufgab.“ Einen Blödsinn nennt das Haidar. „Wie immer habe ich das Feld für Nationalität frei gelassen und bei Adresse, anstatt Marokko, Westsahara geschrieben.“
Mit ihrem Hungerstreik will sie eine Rückkehr in ihre Heimatstadt El Aioun erzwingen, was bisher an der unnachgiebigen Haltung der marokkanischen Behörden scheiterte. Ihr wurde zwar ein neuer Pass angeboten, jedoch „unter der Voraussetzung, sie erkennt die marokkanische Nationalität an“, sagt Omar Azziman, der marokkanische Botschafter in Spanien. Dies ist aber das Letzte, was Aminatu Haidar tun würde. Für sie steht jetzt fest, keine Kompromisse mit der Okkupationsmacht, die ihr Land, die Westsahara, seit 34 Jahren besetzt hält (Kampf um die Westsahara). 1975, nach Ende der spanischen Kolonialzeit, hatte Marokko das 266.000 Quadratkilometer große Gebiet annektiert. Damals waren 300.000 unbewaffnete Marokkaner beim „Grünen Marsch“ einmarschiert.
Der spanische Außenminister Miguel Angel Moratinos hatte der „Ghandi der Sahara“ zuerst einen Flüchtlingsstatus, dann die spanische Nationalität, inklusive Unterkunft und Aufenthaltsrecht für die beiden Kinder der 42-jährigen Mutter angeboten, Vorschläge, die ebenfalls alle abgelehnt wurden. Für Moratinos, der mehrfach als Mediator im Nahost-Konflikt tätig war, ist dieses Verhalten unverständlich. Damit sind alle Möglichkeiten ausgeschöpft. „Mehr kann der spanische Staat nicht tun“, sagte Außenminister Moratinos.
Nun stellt man sich offensichtlich auf die Konsequenzen des andauernden Hungerstreiks ein. Am Sonntag untersuchte ein Gerichtsmediziner Haidar, ob sie zur Zwangsernährung ins Krankenhaus eingeliefert werden müsse. Der zuständige Richter, Jeronimo Alonso, lehnte das jedoch ab. Aminatu Haidar wird gegen einen möglichen Gerichtsbeschluss, der ihre Ernährung verordnet, ankämpfen. Sie hat ihrem Anwalt bereits die Vollmacht dazu erteilt, falls sie das Bewusstsein verliert und zudem beim Notar eine entsprechende Erklärung hinterlegt. „Ich bin bereit zu sterben“, hatte Haidar in den letzten drei Wochen mehrfach versichert, „für meine Würde und die des saharianischen Volkes, selbst wenn meine beiden Kinder ohne Mutter aufwachsen.“
Der Aktivistin geht es nicht nur um die Menschenrechte in der Westsahara und um ihre Rückkehr nach El Aioun zu ihrer Familie, sondern um ein politisches Statement für einen unabhängigen westsaharischen Staat. Sollte sie ohne Auflagen nach El Aioun zurückfliegen, käme das einem symbolischen Sieg über Marokko gleich. Das wird das nordafrikanische Königreich, das 14 Jahre lang einen Krieg gegen die saharische Befreiungsorganisation Polisario führte, unter keinen Umständen zulassen.
In Frankreich erwartet man trotz der verfahrenen Situation eine „rasche Lösung“, da sich auch der UN-Generalsekretär Bank Ki-moon persönlich um die Sache kümmere. Die Vorsitzende der Menschenrechtskommission der UN, Navi Pillay, drängt die marokkanische Regierung bereits seit Tagen auf die Heimkehr von Aminatu Haidar.