Warum Familienministerin Anne Spiegel zurücktreten musste
Seite 2: Bild der berechnenden Berufspolitikerin schien durch
- Warum Familienministerin Anne Spiegel zurücktreten musste
- Bild der berechnenden Berufspolitikerin schien durch
- Trotz Überforderung in die Bundespolitik?
- Auf einer Seite lesen
Haben Kritiker von Spiegel ihre Menschlichkeit also nicht erkannt? War die Kritik an ihr womöglich sogar unmenschlich? Nein, zweimal nein. Denn wenn man die Situation privater Überforderung von dem politischen Versagen trennt, wird einiges deutlicher. Die Mutter und Ehepartnerin Anne Spiegel hat Mitgefühl verdient, ebenso wie tausende andere Frauen (deren soziale Situation nach persönlichen Schicksalsschlägen und zwei Jahren Pandemie in den meisten Fällen keinen vierwöchigen Frankreich-Urlaub erlauben dürfte.)
Ganz anders zu bewerten aber war stets das Kabinettsmitglied Anne Spiegel. Die Kritik ihr in dieser Rolle stützte sich nicht nur auf eine Fehlentscheidung, sondern war eingebettet in das Bild einer berechnenden Berufspolitikerin, die zuletzt womöglich Privates in Waagschale warf, um sich politisch aus der Affäre zu ziehen.
Dazu zwei Details: Während im Ahrtal zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz noch nicht alle Leichen aus den Schlamm- und Schuttlawinen geborgen worden waren, versandte Spiegel am 15. Juli vergangenen Jahres eine Reihe von Kurznachrichten über ihr Handy, die später der Presse zugespielt wurden. Aus einigen dieser Nachrichten geht hervor, dass Anne Spiegel vor allem um eines besorgt war, um sich selbst:
Das Blame Game könnte sofort losgehen, wir brauchen ein Wording, dass wir rechtzeitig gewarnt haben, wir alle Daten immer transparent gemacht haben, ich im Kabinett gewarnt habe, was ohne unsere Präventionsmaßnahmen und Vorsorgemaßnahmen alles noch schlimmer geworden wäre etc.
Diese später von FAZ und Fokus in Teilen veröffentlichte Kommunikation brachte die damalige Landespolitikerin schon einmal in Bedrängnis und wirkt rückblickend fast noch schwerwiegender. Denn weder im Vorfeld hatte das Krisenmanagement funktioniert – noch in der unmittelbaren Katastrophenphase, noch im Nachgang: Bis heute warten viele Opfer auf die Entschädigung und wohnen in Notunterkünften.