Warum Frankreich in Westafrika die Kontrolle entgleitet
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In Burkina Faso wird ein französischer Militärtransport blockiert, im Niger wenden sich Gewerkschaften gegen französische Truppen. Frankreich verliert im Sahel Einfluss – und reagiert mit Schüssen auf Zivilisten
Lange haben große Teile Westafrikas als chasse gardé gegolten, die geschützten Jagdgründe, auch nach dem offiziellen Ende des Kolonialismus mit der Unabhängigkeit der dortigen Länder in den 1960er-Jahren. Frankreich kontrolliert bis heute die Währungspolitik des an den Euro gekoppelten westafrikanischen Francs, hat Vorkaufsrechte für viele der natürlichen Ressourcen, ist oft der alleinige Ausstatter der nationalen Armeen und französische Unternehmen dominieren viele wichtige Wirtschaftszweige wie Transport, Häfen oder Telekommunikation.
Ganz zu schweigen von den über 6.000 französischen Soldaten, die sich über die Anti-Terrormission Barkhane im Sahel oder als fest stationierte Einheiten in den Küstenstaaten Senegal und Elfenbeinküste aufhalten.
Doch es mehren sich Anzeichen, dass das Blatt sich wenden könnte. Einerseits gewinnen andere Großmächte an Einfluss in der Region. Andererseits wächst der Widerstand in der Bevölkerung.
In Burkina Faso wurde ein französischer Militärkonvoi, der das Land von der Elfenbeinküste in Richtung Niger durchquerte, in mehreren Städten von Protestierenden blockiert. Nachdem er in der Großstadt Bobo Dioulasso und der Hauptstadt Ouagadoudou je mehrere Stunden von Demonstrationen aufgehalten wurde, standen die von rund 100 Soldaten bewachten LKWs und gepanzerte Wägen von Donnerstag, dem 18., bis Samstag, 20. November 2021 nahe der Stadt Kaya still, weil Straßenblockaden sie nicht passieren ließen.
Nach Verhandlungen der lokalen Autoritäten mit den Demonstranten durfte die Kolonne zurück nach Ouagadougou, wo sie sich in einem Militär-Camp retten konnte, während die Regierung mit den Demonstranten über die Weiterfahrt verhandelte. Am Donnerstag, 25. November 2021 überquerte der Konvoi mit etwa einer Woche Verspätung die Grenze zum Niger.
Schüsse auf Protestierende
In einem Moment der Blockade in Kaya eskalierte die Situation und es gab Verletzte durch Schusswaffen. Die rund 200 Protestierenden verbrannten Paletten und Reifen und versuchten zu einem Zeitpunkt wohl auch, einen Zaun einzureißen, der das Gelände umgibt, auf dem sich französischen Fahrzeuge Soldaten zurückgezogen hatte.
Die französischen Streitkräfte reagierten mit Warnschüssen in die Luft, könnten aber "nur bestätigen, dass es keine Verletzten gab und dass die Warnschüsse keine Verletzungen bei den Demonstranten verursacht haben", so Pascal Ianni, Sprecher des Verteidigungsministers der französischen Streitkräfte, gegenüber der Nachrichtenagentur Associated Press.
"Es könne sein, dass Menschen aufgrund der Bewegung innerhalb des Protests oder aufgrund der Sicherheitskräfte Burkina Fasos, die als Puffer zwischen den französischen Soldaten und der Bevölkerung fungierten, verwundet wurden", schob dieser die Verantwortung ab.
Tatsächlich erlitten drei Personen Schusswunden an den Beinen. Ein anonymer Soldat des burkinischen Militärs bestreitet jedoch gegenüber dem Sender ABC, dass von seiner Einheit Schüsse kamen. Gegenüber Associated Press beteuerten dagegen drei Augenzeugen, dass die französischen Streitkräfte auch vor den Demonstranten auf den Boden gefeuert hätten.
Seit dem Massaker an einer Hochzeitsgesellschaft im zentralmalischen Dorf Bounti zu Beginn des Jahres, stehen die französischen Streitkräfte vermehrt in der Kritik, zivile Opfer nicht ausreichend zu vermeiden und zu dokumentieren.
Ein investigatives Projekt zu den humanitären Kosten des Anti-Terrorkriegs im Sahel, initiiert von The Humanitarian und dem Spiegel, konnte mindestens 25 zivile Opfer unabhängig bestätigen, die nicht von Frankreich gezählt wurden. Frankreich führt lediglich sieben Zivilisten in seiner Opferliste