Warum Putin wirklich russische Atomwaffen in Belarus stationiert hat

Putin und Lukaschenko in Minsk, 2014. Bild: kremlin.ru, CC BY 3.0

Die jüngste Drohung von Präsident Lukaschenko, sie im Falle eines Angriffs einzusetzen, ist zwar beunruhigend, sollte uns aber auch an ihren politischen Nutzen erinnern.

Als ob irgendjemand die geplante Stationierung taktischer Atomwaffen Russlands in Belarus aus dem Auge verloren hätte, erinnerte Präsident Alexander Lukaschenko die Welt diese Woche an die diesem Schritt innewohnende Gefahr.

Lukaschenko fügte an, er werde nicht zögern, diese Waffen einzusetzen, wenn sein Land angegriffen würde. Seine Äußerungen waren sicherlich beunruhigend. Allerdings wird die Stationierung taktischer Atomwaffen Russlands in Belarus das derzeitige militärische Gleichgewicht in Europa nicht wesentlich ändern.

Die Streitkräfte der USA und der Nato haben sich zuvor schon in Reichweite einiger taktischer Nuklearwaffen Russlands befunden, einschließlich derer, die in Kaliningrad stationiert sind.

Russlands Ziele scheinen hier eher politischer als militärischer Natur zu sein. Und ob es nun beruhigend ist oder nicht: Die Waffen werden auch unter russischem Kommando und Kontrolle bleiben.

Der russische Präsident Wladimir Putin hofft mit der Verlegung eines Teils seiner Nuklearstreitkräfte nach Weißrussland in erster Linie also einen politischen Effekt zu erzielen.

Erstens will er im Kontext des Krieges in der Ukraine erneut seine Unberechenbarkeit demonstrieren, insbesondere seine Bereitschaft, den Konflikt zu eskalieren, wenn bestimmte rote Linien überschritten werden.

Greg Lane

Wie bei Putin üblich, ist auch hier eine nicht geringe Portion Theater im Spiel. Wie Sheriff Bart in dem Film Blazing Saddles, der sich selbst als Geisel nimmt, um den wütenden Bürgern von Rock Ridge zu entkommen, erscheinen Putins wiederholte Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen – vermutlich sogar mit denen, die bald an der polnischen Grenze stationiert werden sollen – zu gleichen Teilen als Drohung und als autoaggressiver Akt.

Die Botschaft, die Putin aussendet, lautet: Ich bluffe nicht. Oder doch?

Das Hervorheben der Möglichkeit eines nuklearen Schlagabtauschs infolge des Krieges in der Ukraine dient zudem einem zweiten politischen Ziel Moskaus: der ständigen Suche nach Themen, mit denen sich die öffentliche Meinung in Europa beeinflussen lässt.

Angesichts der Nähe zum Konflikt in der Ukraine und der unvermeidlichen menschlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Kosten, die selbst ein begrenzter Einsatz taktischer Nuklearwaffen in diesem Land mit sich bringen würde, überrascht es nicht, dass die Eskalation des Konflikts für die Bewohner von Berlin, Budapest und Bratislava eine realere und unmittelbarere Sorge darstellt als für die Bewohner von Dallas, Denver und Detroit.

Obwohl das russische Militär sowohl seine Brutalität als auch seine Inkompetenz auf dem Schlachtfeld unter Beweis gestellt hat, gibt es immer noch Dinge, die die russische Regierung recht gut kann.

Information: Eine Stärke der russischen Regierung

Nachdem sie das russische Volk jahrzehntelang in großem Stil belogen und in die Irre geführt hat, bleibt die die taktische Verwendung von Information eine Stärke der russischen Regierung.

Moskau wird Gelegenheiten schaffen oder ausnutzen, um die öffentliche Meinung in Europa und den USA zu manipulieren. Wie hoch die Risiken einer Eskalation auch sein mögen - und das liegt ganz in Putins Hand: Russland profitiert davon.

Am wichtigsten für den Kreml ist vielleicht aber, dass die erneute Stationierung von Atomwaffen in Weißrussland einen echten und messbaren Fortschritt in Putins Bemühungen um die Wiederherstellung eines "Großrusslands" darstellt.

Wie die Ukraine und Kasachstan hatte auch Weißrussland in den 1990er-Jahren alle alten Atomwaffen aufgegeben, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion auf seinem Territorium verblieben waren.

Die Verlegung russischer taktischer Atomwaffen nach Weißrussland scheint zwar nicht gegen das Lissabonner Protokoll des Start-Vertrags von 1992 zu verstoßen, doch hat es den Anschein, als würden die Seiten eines Kapitels der Geschichte zurückgeblättert, das Putin als "Tragödie" für Russland und den "Zusammenbruch des historischen Russlands" bezeichnet hat.

Obwohl die Verlegung russischer taktischer Nuklearwaffen auf belarussisches Territorium nicht in diesem Kontext dargestellt wird, ist sie als Teil des schrittweisen "Anschlusses" von Belarus an Russland. Der Erfolg dieses Projekts wäre für den russischen Präsidenten innenpolitisch von besonderer Bedeutung.

Nach dem Debakel seiner "militärischen Sonderoperation" und angesichts der Tatsache, dass es inzwischen äußerst unwahrscheinlich ist, dass die Ukrainer jemals freiwillig einer solchen Union beitreten würden, muss der russische Präsident, einen Erfolg bei der angestrebten Wiederherstellung eines neuen Großrusslands vorzuweisen.

Da Weißrussland nun das einzige Objekt der Zuneigung Moskaus ist und sich in einer Art "Bärenumarmung" befindet, sind die Aussichten auf eine sinnvolle kurz- oder mittelfristige Entwicklung zur Demokratie gering. Für Präsident Lukaschenko selbst könnte sich herausstellen, dass die Art von kriegerischen - aber völlig leeren - Erklärungen, wie die, die er diese Woche vor der Presse in Minsk abgab, die praktischen Grenzen seiner eigenen politischen Unabhängigkeit von Moskau sind.

Gregory Lane ist ein ehemaliger leitender Angestellter im Directorate of Operations der CIA mit umfassender Erfahrung in Europa. Er war in mehreren Auslandseinsätzen als Stationschef tätig und bekleidete außerdem eine Reihe von Führungspositionen im Hauptquartier der CIA.

Dieser Artikel erschien im Original bei unserem Partnerportal Responsible Statecraft.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.