Warum auf die Pandemie kein Investitionsboom folgt

Seite 3: Aktuelle Maßnahmen der Investitionsförderung und ihre Schwachstellen

Die westlichen Industriestaaten wollen nun mittels massiver Beschaffungsprogramme den wirtschaftlichen Einbruch kompensieren, den die Bekämpfung der Corona-Pandemie verursacht hat. Davon erhoffen sich die Regierungen gleichermaßen eine Zunahme der privaten Interventionstätigkeit.

An vorderster Front steht die US-amerikanische Regierung, die bereits im letzten Mai ankündigte, 2,3 Billionen US-Dollar für Infrastrukturmaßnahmen bereitzustellen. Während der folgenden Debatte wurden, auch um die Zustimmung republikanischer Senatoren zu erlangen, erhebliche Abstriche vorgenommen. Übrig blieb schließlich eine Billion US-Dollar.

Ebenso gab es in der EU starke Widerstände, wodurch sich die Verabschiedung des geplanten Aufbaufonds verzögerte. Nach dem im Juli dieses Jahres erzielten Kompromiss reduziert sich der Umfang der direkten Zuschüsse auf 390 Milliarden Euro. Der verbleibende Rest des Gesamtbetrags von 750 Milliarden Euro wird als Kredit gewährt.

Wirtschaftsexperten halten die Summen einerseits für unzureichend und machen andererseits auf Probleme bei der Mittelvergabe aufmerksam. Letzteres hat die "sparsamen Fünf" (Niederlande, Österreich, Dänemark, Schweden, Finnland) dazu bewogen, auf eine eingehende Prüfung der beantragten Projekte durch EU-Experten zu bestehen.

Dadurch soll ein sachgemäßer Einsatz der Gelder gewährleistet werden. Da die Entscheidungen hinter verschlossenen Türen gefällt werden, beklagt der DGB ein Demokratiedefizit. Angesichts der starken Präsenz von Lobbyverbänden in Brüssel ist die Sorge nicht unbegründet. Auf jeden Fall entstehen erhebliche Verzögerungen, was sich nachteilig auf die Investitionsbereitschaft privater Wirtschaftsakteure auswirken dürfte.

In den USA ist die Lage noch prekärer. Deregulierung und Privatisierungen gemäß der neoliberalen Doktrin führten zu einem Verlust von Expertenwissen auf staatlicher und kommunaler Ebene. Zu befürchten ist, dass die Infrastrukturprogramme nicht durch Fachkräfte erstellt und umgesetzt werden, die sich gesellschaftlichen Interessen verpflichtet fühlen. Eine massive Einflussnahme der Wirtschaftslobby hatten schon früher verheerende Folgen.

Erinnert sei an den ungeklärten Verbleib von mehr als zwei Billionen US-Dollar Militärausgaben, wobei die Untersuchungen wegen der angeblichen Zerstörung von Dokumenten durch den 9/11-Pentagon-Crash eingestellt wurden.

Trotz der genannten Schwächen erscheint eine investitionsfördernde Wirtschaftspolitik als einziger Weg zu einem angemessenen und zugleich nachhaltigen Wachstum. Soweit Unternehmen in staatlichem oder kommunalem Besitz sind, fließen die vorgeschossenen Gelder großenteils in die Schatullen der Finanzämter zurück. Allerdings haben die Privatisierungen der vergangenen Jahrzehnte das öffentliche Eigentum an Produktionsstätten erheblich gestutzt.

Zwar entfalten staatliche Konjunkturprogramme ihre stimulierende Wirkung ebenso im privaten Sektor. Jedoch gelangen bei jeder Transaktion Teile der eingesetzten Finanzmittel auf die Konten reicher Privathaushalte und verlieren damit ihre Nachfragewirksamkeit. Damit sich Unternehmen zu Investitionen animieren lassen, muss aber Gewissheit bestehen, dass die staatlichen Fördermaßnahmen dauerhaft greifen.

Begrenzte staatliche Finanzmittel durch Steuerflucht

Eine fortgesetzte Finanzierung ist folglich unausweichlich. Soll sie nicht durch eine unbegrenzte Staatsverschuldung erfolgen, verbleibt als Alternative die Anhebung von Steuern. Eine finanzielle Mehrbelastung von Privathaushalten mit mittleren und niedrigen Einkommen senkt jedoch die Konsumgüternachfrage. Es müsste also die reiche Oberschicht zur Kasse gebeten werden.

Wegen der Aufgabe von Kapitalverkehrskontrollen im Zuge der neoliberalen Wende ist deren höhere Besteuerung aber kaum durchsetzbar. Steueroasen und ein zunehmender Steuerwettbewerb der Staaten bieten reichlich Möglichkeiten, den Fiskus zu umgehen.

Ein erster Schritt zur Erweiterung des finanziellen Handlungsspielraums der Regierungen ist die im letzten Oktober erzielte Übereinkunft von 136 Staaten über eine Mindeststeuer.

Von der Regelung betroffen sind grenzüberschreitend tätige Großkonzerne. Da deren Gewinne in den meisten Industrieländern aktuell höher besteuert werden als durch die vereinbarten 15 Prozent, bleibt die Wirkung marginal. Auch soll die Regelung erst ab 2023 gelten. Zumindest wird das Problem des Steuerwettbewerbs thematisiert und weiteren Steuersenkungen ein Riegel vorgeschoben.

Die größten Einbußen erleidet der Fiskus durch die Verschiebung privater Vermögen in Offshore-Plätze, wo für Kapitalerträge nur minimale oder gar keine Steuern zu entrichten sind. Ferner gibt es sowohl für Privatpersonen als auch für Firmen eine Vielzahl legaler Steuersparmodelle, mit denen besonders kleinere Staaten um Kunden wetteifern.

Der jährliche Steuerverlust in der EU wird auf eine Billion Euro geschätzt und liegt damit über dem Betrag des aktuell verabschiedeten Aufbaufonds. Allein mit dieser Summe ließe sich eine Investitionsförderung großen Stils realisieren, sodass auf Steueranhebungen weitgehend verzichtet werden könnte.

Trotz wiederholter Klagen führender Politiker wurden bislang keine effektiven Maßnahmen gegen die Steuerflucht ergriffen. Dass es offenbar am Willen fehlt, ist daran sichtbar, dass mit Jean-Claude Juncker einer der Hauptarchitekten des Finanzplatzes Luxemburg zum vorherigen EU-Kommissionschef ernannt wurde.

Zweifellos sind die Bürger der mittleren und unteren Einkommensklassen Hauptleidtragende der Steuerhinterziehung vermögender Haushalte. Doch kurioserweise sind diese auch selbst betroffen. Als Aktionäre wollen sie verständlicherweise ihren Besitzstand vergrößern. Indem sie jedoch der Staatsgewalt Steuermittel vorenthalten, erschweren sie eine Finanzierung von wirtschaftlichen Stimulierungsprogrammen, ohne die das Produktionsvermögen kaum wachsen dürfte.