Warum das Compact-Magazin vielleicht doch nicht Geschichte ist

Nancy Faeser und Verbotsschild mit "Compact"-Logo

Bild Nancy Faeser: Foto-berlin.net / Shutterstock.com

Verbot von Compact-Magazin GmbH und Conspect Film GmbH durch Innenministerium. Schritt birgt Risiken. Wird Verbot Bestand haben? Eine Analyse.

Am Dienstag vergangener Woche wurde das von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ausgesprochene Verbot des rechtsextremistischen Compact-Magazins im Bundesanzeiger veröffentlicht. Dass das Magazin seit mehreren Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wurde, ist keine Überraschung. Dass das Verbot als Vereinigungsverbot nach dem Vereinsgesetz ausgesprochen wurde, schon.

Sprachrohr für rechte Hetze

Gegen die herrschende freiheitliche Demokratie, gegen Minderheiten und für mehr Nationalismus: Seit mehreren Jahren wurde das am Dienstag verbotene Compact-Magazin vom Verfassungsschutz beobachtet. Im Jahr 2021 wurde es schließlich als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft.

Nun folgte das Verbot des Magazins, genauer das Verbot der dahinterstehenden Unternehmen "Compact-Magazin GmbH" und "Conspect Film GmbH". Beide Unternehmenslogos wurden bereits auf die Liste der in Deutschland verbotenen Kennzeichen gesetzt, noch am Dienstag fand eine Razzia in den Wohnungen und Geschäftsräumen von Compact-Führungspersonal statt.

Das Blatt verbreitete gezielt Hetze gegen Menschen mit Migrationsgeschichte, jüdische Menschen und andere Minderheiten und diskreditiere die demokratische Regierung als "Diktatur". Es trägt "ein völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept" nach außen, das, so Nancy Faeser, "ethnisch Fremde aus dem Staatsvolk ausschließen" wolle.

So fiel im Kontext der Migrationspolitik etwa der Begriff "Asylbombe". Gezielt wurden außerdem Politikerinnen und Politiker in dem Medium als "Verbrecher" beschimpft – allerdings nur solche, die nicht der AfD angehören.

Das Innenministerium bezeichnet die Compact-Inhalte als "antisemitisch, rassistisch, minderheitenfeindlich, geschichtsrevisionistisch und verschwörungstheoretisch". Sie richteten sich, so der Verfassungsschutz, nicht nur gegen die aktuelle Bundesregierung, sondern das ganze politische System. ARD-Sicherheitsexperte Michael Götschenberg betitelte das Medium im Deutschlandfunk-Podcast Der Tag als "rechtsextremistische Agitationsplattform" und "Propagandamedium".

Rechtsextremer Netzwerker Elsässer Kopf des Magazins

Was die Ausrichtung seines monatlich erscheinenden Magazins betrifft, nimmt auch Compact-Verleger Jürgen Elsässer kein Blatt vor den Mund: Er äußerte bereits öffentlich, er beabsichtige nichts anderes als den "Sturz des Regimes". Elsässer, der als rechtsextremer Unterstützer von Pegida und der rechtsextremistischen "Identitären Bewegung" (IB) zweifelhafte Bekanntheit erlangte, ist gut vernetzt.

Seine Kontakte reichen vom rechtsextremen Vordenker Götz Kubitschek zu AfD-Politiker Björn Höcke. Mit der AfD unterhält Elsässer eine für beide Seiten fruchtbare Geschäftsbeziehung – durch Einladungen in seine Sendung und Wahlkampfunterstützung hofierte er die Partei, die ihrerseits für eine große Reichweite der insbesondere im Compact-TV veröffentlichten Inhalte sorgte.

Mit dem Verbot erhofft sich Faeser, dass die gesamte Neue Rechte in der Verbreitung ihrer Botschaften eingeschränkt wird.

Das Verbot betrifft das Compact-Magazin, den dazugehörigen Online-Videokanal Compact-TV sowie einen Online-Shop. Auf dem Videokanal erschien eine täglich produzierte Fernsehsendung zu aktuellen Themen, in die regelmäßig Studiogäste eingeladen wurden.

Mit einer Auflage von etwa 40.000 Heften monatlich und einem noch deutlich größeren Online-Publikum hat Compact eine nicht zu unterschätzende Reichweite.

Laut dem Soziologen Felix Schilk liegt der gefährliche Einfluss des Compact-Magazins aber nicht in hohen Klickzahlen auf der Website begründet, sondern darin, dass es Vernetzungsmittelpunkt und Multiplikator für verschiedenste rechtsextreme Akteure und ihre Meinungen sei.

Entschiedenes Handeln im Innenministerium

Das nun vom Innenministerium unter Nancy Faeser ausgesprochene Verbot bezieht sich nicht unmittelbar auf das Compact-Magazin und den Videokanal, sondern auf die dahinterstehenden Unternehmen "Compact-Magazin GmbH" und "Conspect Film GmbH". Denn es handelt sich nicht um ein Medien-, sondern ein Vereinigungsverbot nach Artikel 9 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Vereinsgesetzes (VereinsG).

Damit bedient sich das Innenministerium eines besonderen rechtlichen Umwegs, denn ein Medienverbot ist im Grundgesetz bewusst nicht vorgesehen. Presseerzeugnisse sind von der grundrechtlich geschützten Pressefreiheit gedeckt, selbst dann, wenn sie sich am (rechten) Rand des demokratischen Diskurses bewegen.

Verbote von Vereinigungen sind hingegen zulässig, wenn eine Verbotsbehörde feststellt, dass "deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten".

Dabei profitiert das Innenministerium auch von der Weite des Vereinsbegriffs, denn nicht nur eingetragene Vereine, sondern auch informelle Zusammenschlüsse und Organisationen sind davon gedeckt. Auch die "Compact-Magazin GmbH" und "Conspect Film GmbH" als Medienunternehmen können also unter den Oberbegriff der Vereinigungen fallen.

Die Folgen eines Verbots sind weitreichend: sie führen nicht nur zu einem Tätigkeitsverbot, sondern auch zur Beschlagnahme des Vereinsvermögens. Bei den Durchsuchungen am Dienstag wurden deshalb auch wertvolle Gegenstände wie Fahrzeuge, Firmenkonten, Bargeld und sogar Gold beschlagnahmt. Der Jahresumsatz der beiden verbotenen Unternehmen belief sich schätzungsweise auf einen mittleren einstelligen Millionenbetrag.

Mit dem Verbot muss jede Tätigkeit der Unternehmen eingestellt werden. Das Magazin darf damit keine neuen Ausgaben, der Videokanal keine neuen Folgen produzieren – nicht unter diesem und auch nicht unter anderem Namen. Sollten die Compact-Mitglieder um Elsässer auf die Idee kommen, eine Nachfolgeorganisation zu gründen, müssen sie laut § 20 VereinsG mit Freiheits- oder Geldstrafe rechnen.

Verbot ist keine neue Idee

Das Verbot eines journalistischen Mediums durch staatliche Akteure ist keine deutsche Premiere. 2016 wurde bereits die rechtsextremistische Internetplattform Altermedia Deutschland, ein rechtsextremes Nachrichtenportal, verboten.

Im folgenden Jahr löste das Verbot der Online-Plattform linksunten.indymedia nach den Ausschreitungen am G20-Gipfel heftige Kritik aus. 2019 dann verbot Bundesinnenminister Horst Seehofer die Mezopotamien Verlag und Vertrieb GmbH und die MIR Multimedia GmbH als Teilorganisationen der kurdischen Arbeiterpartei PKK. In den beiden letztgenannten Fällen wurde für das Verbot ebenfalls das Vereinsrecht herangezogen. Mit dieser Rechtsgrundlage, so etwa das Komitee für Grundrechte und Demokratie aus Köln zum Compact-Verbot, "unterläuft das Innenministerium die Pressefreiheit" und schaffe eine Gefahr für die Demokratie.

Würde das Verbot für rechtswidrig befunden, wäre das tatsächlich nicht das erste Mal. Bereits 2010 waren mehrere türkische Tageszeitungen verboten worden. Dieses Verbot war allerdings wenig erfolgreich, da der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin eine Verletzung der Meinungs- und Pressefreiheit in Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention sah.

Nancy Faeser auf dünnem Eis

Gegen das Verbot können nun zunächst vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Rechtsmittel eingelegt werden. Die daraufhin ergehende Entscheidung kann dann wiederum vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angefochten werden.

Das Compact-Magazin könnte von den Instanzgerichten als unzulässiger Eingriff in die Pressefreiheit bewertete werden. Die Pressefreiheit hat einen besonders hohen Rang in demokratischen Systemen und kann nur unter sehr engen Voraussetzungen eingeschränkt werden. Zurecht, denn sie gilt als Säule der parlamentarischen Demokratie. Artikel 5 GG, in dem die Meinungs- und Pressefreiheit verankert ist, sieht daher besondere Hürden für eine Einschränkung vor.

§ 3 VereinsG ermächtigt zwar zu Eingriffen in die Vereinigungsfreiheit in Art. 9 Abs. 1 GG, nicht aber in die Pressefreiheit. Die Norm allein reicht schlicht nicht aus, um den hohen Anforderungen an eine Einschränkung der Pressefreiheit gerecht zu werden.

In der Begründung des Bundesinnenministeriums allerdings geht man kaum auf diese Schwäche ein. Anstelle einer selbstständigen Prüfung der Pressefreiheit verweist das Ministerium darauf, dass die Vereinigungsfreiheit der einzig relevante Beurteilungsmaßstab sei. Mit dieser mangelhaften Abwägung des Verbots mit der Pressefreiheit könnte sich das Ministerium angreifbar machen.

Zweifelhaft ist auch, ob das Vereinsgesetz überhaupt anwendbar ist. Denn während die Gesetzgebungskompetenz für das Vereinsrecht beim Bund liegt, sind für die Presseregulierung die Länder zuständig.

Da Faeser das Compact-Verbot ausschließlich mit den redaktionellen Inhalten des Mediums begründete, handele es sich, so David Werdermann, Jurist bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), um eine presserechtliche Regelung. Die Bundesregierung hätte demnach hier gar nicht tätig werden dürfen oder aber das Verbot anders begründen müssen.

In seiner Entscheidung zu linksunten.indymedia entschied das Bundesverwaltungsgericht zwar, das Vereinsgesetz sei auf Verbote von Organisationen anwendbar, deren alleiniger Zweck die Pressetätigkeit sei. Es stellte allerdings umso höhere Anforderungen an die Begründung eines Verbots.

Begründet werden könne ein Verbot nur mit Inhalten, die jedenfalls nicht mehr von der Meinungs- und Pressefreiheit geschützt seien. Für welche und wie viele Inhalte im Compact-Magazin dies gilt, ist unklar.

Hier schließt sich eine weitere Problematik an. Faeser hat das Verbot damit gerechtfertigt, Compact richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Die verfassungswidrige Haltung einer Vereinigung reicht allein noch nicht aus, sondern sie muss "aggressiv kämpferisch" nach außen vertreten werden.

Das Bundesinnenministerium stützt sich auf die oben genannten Aufrufe zum "Regimesturz", um dieses Kriterium zu erfüllen. Es bestehe die Gefahr, Leser:innen der Beiträge ließen sich zu ähnlichen Taten "aufwiegeln". Auch hier wird sich zeigen, ob dies ausreichend ist.

Fazit

Das Compact-Verbot lässt sich auf mehreren Ebenen beurteilen. Wer bedenkt, dass im Rahmen der Pressefreiheit auch Beiträge am rechten Rand des Diskussionsspektrums schützenswert sind, wird es vielleicht grundsätzlich ablehnen. Denn es gibt gute Gründe dafür, dass sich Vereine und Organisationen verbieten lassen, während das für Presseerzeugnisse erst einmal nicht ohne Weiteres möglich ist.

Hält man das Verbot für den richtigen Schritt, ist damit noch nichts über die Wirkung dieser Entscheidung gesagt. Es ist unwahrscheinlich, dass die Leserschaft des Compact-Magazins sich nun gemäßigteren Medien zuwendet und sich damit letztlich vom Innenministerium bekehren lässt.

Vielmehr kann das Verbot Trotz und Widerstand auslösen und dazu führen, dass sich die wohl überwiegend rechtsextreme Leserschaft in ihrer vermeintlichen Opferrolle gegenüber "dem Staat" bestätigt fühlt.

Rechten Leser:innen und auch AfD-Anhänger:innen könnte das Verbot sogar in die Karten spielen, wenn es sich im Nachhinein als rechtlich angreifbar herausstellt. Denn wenn die Kritik, die nun (nicht nur) seitens der AfD an dem Verbot laut wurde, sich als berechtigt herausstellt, endet diese Episode in einem Eigentor für Nancy Faeser und ihr Ministerium.

Es bleibt dennoch mutig und im Ansatz richtig, ein Medium in die Schranken zu weisen, dass Hass und Hetze verbreitet und offen zum "Sturz des Regimes" aufruft.

Ein Verbot ist dabei das eingriffsintensivste Mittel und kann einen Boomerang-Effekt haben, wenn es jetzt den rechtlichen Überprüfungen nicht standhält. Insofern wären Verbote einzelner Beiträge oder die Strafverfolgung des Herausgebers wegen bestimmter Äußerungen weniger angreifbar und gegebenenfalls zielführender gewesen.

Dass sich das Innenministerium dennoch für das Verbot entschieden hat, lässt hoffen, dass es auf einem stabilen Fundament steht und kein Schnellschuss ist. Erst nach der rechtlichen Überprüfung dieser Entscheidung wird sich zeigen, ob sie ein wichtiger symbolischer Erfolg war oder das Ministerium einen Schritt vor dem anderen gemacht hat.