BMI legt Verbot von Compact-Magazin auf den Tisch: Überschrittene Grenzen?
Das steht in der Begründung: Rassismus, Antisemitismus, verfassungsfeindliche Umtriebe. Bedenken hinsichtlich Pressefreiheit gibt es offenbar nicht.
Sollten sich Gerüchte um das Verbot des als rechtsextrem eingestuften Magazins Compact gerankt haben, dürften diese nun vom Tisch sein. Denn auf selbigem liegt nun die ursprünglich als vertraulich eingestufte Begründung des Bundesinnenministeriums (BMI).
Mehrere Medien haben inzwischen darüber berichtet, im Wortlaut veröffentlicht wurde die Begründung vom Blogger Alexander Wallasch.
Wie bereits zuvor bekannt war, begründet das BMI seine Entscheidung in dem genannten Dokument mit den verfassungsfeindlichen Inhalten des Magazins und einer aggressiven Haltung seiner Betreiber, die nicht allein gegen die Regierung, sondern gegen das demokratische System als solches agitierten.
Eine Trennlinie, die mitunter nicht scharf gezogen wird.
Remigration, Rassismus und "antisemitische Chiffren"
Wie es im Dokument außerdem heißt, propagierten die Publikationen des Magazins ein "völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept", das "ethnisch Fremde" aus dem Staatsvolk auszuschließen trachte. Als Beispiel führt das BMI die von Compact getroffene Unterscheidung zwischen "Biodeutschen" und "Passdeutschen" an.
Weiter wird eine Stelle aus der April-Ausgabe des Magazins zitiert, in der "die Verachtung gegenüber der autochthonen, weißen Bevölkerung" sich in einem Tchibo-Prospekt zeige, das Angehörige ethnischer Minderheiten abbildet.
Des Weiteren schreibe Compact insbesondere Angehörige arabischstämmiger Bevölkerungsgruppen pauschal negative Eigenschaften wie Gewaltneigung und Kriminalität zu. Das zeige sich auch in jenem "Dossier zu den vergessenen Opfern der Masseineinwanderung", aus dem folgendes Zitat stammt: "Die Migrantengewalt gegen die autochthone Bevölkerung nimmt zunehmend Zuge eines gezielten Massakers an."
Klarer Verstoß gegen Menschenwürde
Als weiteren Beleg führt das BMI die von Compact aufgestellte Behauptung an, dass nicht-weiße Deutsche das Wahlrecht missbrauchten, um die politische Landschaft zu verändern. Die Bezugnahme auf das Konzept der "Remigration" im Zusammenhang mit der von Compact behaupteten "kulturellen Verdrängung", wertet das BMI analog der Konferenz von Potsdam als "rassistische Diskriminierung".
In derlei Aussagen, die bei dem in Rede stehenden Magazin zuweilen mit der Theorie eines "großen Austauschs" paaren, sieht das BMI einen klaren Verstoß gegen die Menschenwürde.
Nähe zu klassischen antisemitischen Narrativen
Ebenso bezeugen nach Ansicht des BMI Berichte über die angeblichen "Strippenzieher" des Ukraine-Krieges aus der jüdischen Sekte Chabad-Lubawitsch und Formulierungen wie "die Irren von Zion", die das BMI als Anspielung auf die "Protokolle der Weisen von Zion" interpretiert, eine Nähe zu klassischen antisemitischen Narrativen.
In diesen Zusammenhang stellt das BMI auch eine Kritik an der von Compact kritisierten "globalen Finanzelite", bei der es sich um eine "antisemitische Chiffre" handele. Weitere Belege für einen "sekundären" Antisemitismus leitet die Behörde aus der Verurteilung einer "deutschen Kollektivschuld" in Bezug auf den Holocaust ab, die in den Publikationen von Compact an mehreren Stellen beklagt wird.
Zuletzt verweist das BMI auf eine Reihe von Verbindungen zwischen Compact und als rechtsextremistisch eingestuften Einzelpersonen und Organisationen, insbesondere zur Identitären Bewegung und dem Österreicher Martin Sellner. Leserbriefe belegen, dass Compact seine Leser erfolgreich von rassisch-völkischen und verschwörungstheoretischen Ideologien überzeugt.
Forderung zum "Sturz des Systems"
Als Beleg für die verfassungsfeindlichen Umtriebe wird in der Verbotsbegründung zudem angeführt, dass die Verantwortlichen des Magazins in mehreren Aussagen offen den Sturz der Regierung forderten.
So verfügt das BMI offensichtlich über den Mitschnitt eines Telefonats, in welchem Chefredakteurs-Gattin Stephanie Elsässer offen bekennt: "Ja, wir wollen das System stürzen (...) es geht um alles oder nichts."
Ihr Ehemann, Jürgen Elsässer, soll sich in einem Zoom-Meeting mit Mitgliedern des Compact-Clubs ähnlicher Weise geäußert haben: "Und dann muss erstmal die Regierung gestürzt werden!", heißt es demnach. "Wenn die Regierung gestürzt wird, ist das wichtigste (...)." Diese Aussagen zeigen laut BMI klar die verfassungsfeindliche Haltung der Verantwortlichen.
Des Weiteren nutze das Magazin äußerst provokative Cover, um Feindbilder zu schaffen und demokratisch legitimierte Repräsentanten zu diffamieren. Beispiele hierfür sind Titel wie "Wollt ihr den totalen Lockdown", mit dem Abbild von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Hintergrund, der "Kriegsverbrecher" Pistorius oder als Aufruf interpretierbare Titel "Habeck in den Knast".
Keine Bedenken hinsichtlich Pressefreiheit
Am Ende des Dokuments findet sich eine Stellungnahme, mit der sich das BMI rechtlich gegen den Vorwurf eines Eingriffs in die Pressefreiheit abzusichern sucht. Demnach stünden dem Vereinsverbot "die Kommunikationsgrundrechte der Meinungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit nach Artikel 5 Absatz 1 GG nicht entgegen".
Das Verbot stütze sich auf § 3 des Vereinsgesetzes, der gegen die Existenz verfassungsfeindlicher Organisationen gerichtet ist. Meinungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit, argumentiert das Ministerium, müssten dort zurücktreten, wo sie ausschließlich der Verwirklichung verbotswidriger Vereinszwecke dienten.
Auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) schütze Organisationen nicht, die die Demokratie abschaffen wollen, heißt es:
Die COMPACT-Magazin GmbH kann sich nach Artikel 17 EMRK nicht auf den durch die EMRK gewahrten Schutz berufen, da die von ihr verfolgte Ideologie mit den Grundwerten der Konvention unvereinbar ist. Grundsätzlich gilt, dass sich eine Vereinigung dann nicht auf den Schutz der Konvention berufen kann, wenn sie ein politisches Konzept vertritt, das die Demokratie nicht achtet oder deren Abschaffung sowie die Missachtung der in ihr anerkannten Rechte und Freiheiten zum Ziel hat.
In jedem Falle sind die Eingriffe gemäß Artikel 10 und 11 EMRK gerechtfertigt. Nach Artikel 11 Absatz 2 EMRK kann eine Vereinigung, die staatliche Einrichtungen oder Rechte und Freiheiten anderer bekampft, zu deren Schutz verboten werden.
Aus dem BMI-Dokument zur Begründung des Verbots von Compact
Offene Fragen
Ob diese Argumentation juristisch stichhaltig ist, wird bereits bezweifelt. So argumentierte David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) gegenüber Legal Tribune Online (LTO), dass das Vereinsgesetz nicht auf Presseerzeugnisse angewendet werden sollte, da die Gesetzgebungskompetenz für das Presserecht bei den Ländern liege.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschied jedoch 2020 im Fall von "linksunten. indymedia", dass das Vereinsgesetz auch für Organisationen gilt, deren Zweck allein die Pressetätigkeit ist. Werdermann bezweifelt, dass diese Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hätte, da dieses die Frage noch nicht abschließend geklärt habe.
Rechtsprofessor Christoph Gusy von der Universität Bielefeld äußert ebenfalls Bedenken. Er betont, dass das Vereinsgesetz eine Schrankenregelung zur Vereinigungsfreiheit darstellt, nicht aber zur Pressefreiheit. Gusy erklärt, dass Eingriffe in die Pressefreiheit nicht auf das Vereinsgesetz gestützt werden dürfen.
Ein Verbot könne nur dann gerechtfertigt sein, wenn der notwendige Zweck eines Vereins die Pressetätigkeit ist, was jedoch bislang nicht abschließend geklärt sei.