Warum die deutsche Klimapolitik eine Mogelpackung ist

Erklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag. Neben ihm Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne). Bild: Bundesregierung
Energie und Klima – kompakt: Der deutsche Emissionsrückgang 2022 war überwiegend krisenbedingt, sagt der Expertenrat für Klimafragen. Nun drohe die geplante Gesetzesänderung Klimaschutz weiter aufzuweichen. Über CO2-Budgets und Klagen.
Dass Deutschland sein Emissionsreduktionsziel für 2022 knapp erreicht hat, liegt nicht etwa an einer erfolgreichen Klimapolitik, sondern ist dem Expertenrat für Klimafragen zufolge vielmehr Ergebnis der aktuellen wirtschaftlichen Krise im Kontext des Ukrainekrieges. Am Montag hat der Expertenrat für Klimafragen seinen Prüfbericht zu den Emissionsdaten des Umweltbundesamts (UBA) für das Jahr 2022 vorgelegt.
In der Stellungnahme dazu heißt es, dass die Emissionen ohne die Wirtschaftskrise um rund neun Millionen Tonnen CO2-Äquivalente höher ausgefallen wäre.
Das Emissionsgeschehen im Jahr 2022 war stark von der Energiepreiskrise geprägt. Insbesondere ist die deutliche Zielunterschreitung im Industriesektor im Wesentlichen auf energiepreisbedingte Produktionsrückgänge in der energieintensiven Industrie zurückzuführen und könnte daher von temporärer Natur sein,
… erklärte Ratsmitglied Barbara Schlomann.
Das birgt die Gefahr, dass, wenn die Wirtschaftsleistung wieder steigt, das gesamte Klimaziel in diesem und den folgenden Jahren wieder gerissen wird. Nicht eingehalten wurden ohnehin die Sektorziele für Verkehr und Gebäude.
"Wie schon im Jahr zuvor lagen die berichteten Emissionswerte für den Verkehrs- und den Gebäudesektor auch im Jahr 2022 oberhalb der jahresscharf im Klimaschutzgesetz vorgegebenen Zielwerte. Im Gebäudesektor wurde das Ziel bereits im dritten Jahr in Folge verfehlt. Laut § 8 Abs. 1 KSG müssen die zuständigen Ministerien nun innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm vorlegen", heißt es dazu.
Nur: Bereits im vergangenen Jahr wurden Sofortprogramme von den betreffenden Ministerien gefordert, das Sofortprogramm des Verkehrsministeriums hatte der Expertenrat für unzureichend erklärt.
Auch im Energiesektor wurde das Reduktionsziel im Jahr 2022 nur sehr knapp erreicht, was nach Angaben des Expertenrats auf eine Verschiebung bei der Stromproduktion von Kernenergie und Gas hin zu Kohle sowie an einer erhöhten Stromnachfrage aus dem Ausland lag. Insgesamt lagen die Emissionen aus dem Energiesektor um 10,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente und damit um 4,4 Prozent höher als im Vorjahr.
Ausgeglichen wurde dies wiederum durch einen deutlichen Rückgang der Emissionen im Industriesektor, wo 10,4 Prozent weniger Treibhausgase emittiert wurden als noch 2021 – zurückzuführen wahrscheinlich auf einen Kriseneffekt.
Die falsche Antwort auf fehlenden Klimaschutz
Die Antwort der Ampelregierung auf das Problem der unzureichenden Sofortprogramme war nun kürzlich, die Sektorziele mit ihren jährlichen Minderungsschritten abschaffen zu wollen, sodass ein Sektor künftig für den verfehlten Klimaschutz eines anderen eintreten kann.
"Eine mögliche Aufweichung der ausdrücklichen Ressortverantwortung sowie die verschiedenen Überlegungen zur Änderung des Steuerungsmechanismus im Klimaschutzgesetz erhöhen das Risiko für zukünftige Zielverfehlungen", kritisiert die stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats Brigitte Knopf.
Dies ist insbesondere kritisch vor dem Hintergrund unserer schon im Zweijahresgutachten festgestellten enormen Herausforderungen für die Erreichung der Ziele für die kommenden Jahre bis 2030.
Auch im Prüfbericht selbst geht der Expertenrat näher auf die geplanten Änderungen am Klimaschutzgesetz ein. Dazu heißt es:
Der Expertenrat für Klimafragen hält die im Bundesklimaschutzgesetz aktueller Fassung angelegte Kombination von Jahreszielen für die Jahre 2030, 2040 und 2045 mit einem (impliziten) Budgetziel für den jeweiligen Zeitraum bis zum nächsten Zieljahr (also derzeit 2021–2030) für zielführend und erwartet, dass die Novellierung des Bundes-Klimaschutzgesetzes nicht hinter diese Anforderung zurücktritt.
Würden Zwischenziele gestrichen, sowie Über- und Unterschreitungen gegeneinander aufgerechnet, würde dies nicht mehr dem vom im Beschluss des Bundesverfassungsgericht 2021 geforderten Restbudget für Treibhausgasemissionen in Deutschland entsprechen. Denn letztendlich kommt es weniger auf die Zielerreichung im Jahr 2030, 2040 oder 2045 an, sondern um den bis dahin kumulierten Treibhausgasausstoß.
Mit klaren jährlichen Minderungsschritten ließe sich diese Menge besser kontrollieren. Das Beschlusspapier der Regierungskoalition sei in Hinblick auf die Budgetbetrachtung aber nicht eindeutig.
Sollten nicht nur die Sektorziele, sondern auch die konkreten Minderungsschritte gestrichen werden, könnte der Bundesregierung wohl eine neue Klimaklage drohen. Die Umweltrechtsorganisationen Client Earth und Green Legal Impact hatten in einer juristischen Kurzstudie bereits verfassungsrechtliche Bedenken an den damals nur angedachten Änderungen dargestellt.
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