Warum ein Obstbauer die Bundesregierung verklagt

Auch Wochen früher: Apfelblüte, hier in Berlin. Bild: Gertrud K., CC BY-NC-SA 2.0

Apfelwickler, Kirschfruchtfliege, neue Pilzkrankheiten: Der Klimawandel ist auch in der deutschen Provinz zu spüren. Doch wer ist dafür verantwortlich?

Guderhandviertel heißt ein Dorf im Landkreis Stade in Niedersachsen, es liegt nur einen Steinwurf entfernt von Hamburg, mitten im sogenannten Alten Land. Seit dem 12. Jahrhundert ist die Gegend besiedelt, und seit dem Mittelalter ein wichtiges Obstanbaugebiet.

Heute ist es mit mehr als 10.000 Hektar eines der größten in Europa und das nördlichste des Kontinents. Seit 1975 hat sich hier die Baumblüte bereits um rund zwei Wochen nach vorn verschoben. "Wir ernten heute 14 Tage früher als in meiner Kindheit", bestätigt Claus Blohm.

Der Obsthof Blohm ist ein Familienbetrieb, seit 1848 bearbeitet er 23 Hektar am linken Elbufer. Die Blohms haben sich auf Öko-Anbau spezialisiert, sie ernten Äpfel, Zwetschgen und früher auch Kirschen. Immer wieder mussten die Blohms schwere Rückschläge verkraften, 1977 zum Beispiel, als der ganze Hof abbrannte. Immer wieder rappelten sie sich auf. Jetzt aber sind sie machtlos.

"Die Klimaveränderungen betreffen uns maßgeblich", sagt Franziska Blohm, die Tochter des Hofes. Im Jahr 2016 zum Beispiel mussten die Blohms alle Kirschbäume fällen, auf einer Fläche von vier Hektar hatte sich die Kirschfruchtfliege breitgemacht, ein Insekt, das seine Eier in die Früchte ablegt, in denen sich dann Maden entwickeln. Die Kirschen werden unverkäuflich.


Ursprünglich war die Kirschfruchtfliege nur viel weiter südlich heimisch, im Zuge des Klimawandels breitete sich ihr Lebensraum nach Norden aus. Außer Netzen gibt es im ökologischen Obstbau kein Mittel gegen diesen Schädling - aber für Netze waren die Bäume der Blohms schon viel zu groß. Also blieb nur, die Kirschbäume zu fällen.

Im Frühjahr 2017 war der Hof extremen Niederschlägen, Hagel und Sturm ausgesetzt und erlitt massive Schäden durch Staunässe. Die Wurzeln ganzer Baumreihen waren schlicht ertrunken. "Der Sommer 2018 wiederum war sehr, sehr heiß. Für viele Leute war das wunderschön, alle haben die Sonne genossen", sagt Franziska Blohm, die den Hof einmal übernehmen soll. Aber ihre Äpfel hätten Sonnenbrand bekommen: Die Schale sengt an, das Obst fault.

Ein Pilz aus Südeuropa schadet der deutschen Apfelernte

Die Probleme der Blohms sind alles andere als eine Ausnahme: Die Agrarforschung beobachtet seit Langem, dass durch den Temperaturanstieg neue Schadinsekten und Krankheitserreger auftreten und altbekannte sich stärker ausbreiten. In warmen Jahren bildet zum Beispiel der Apfelwickler - ein Falter, dessen Maden die Äpfel zerfressen - nicht wie früher üblich nur eine Generation aus, sondern im Spätsommer noch eine Zweite.

Bei fortschreitendem Klimawandel, warnt eine Studie der Obstbauversuchsanstalt Jork in Niedersachsen, drohe "eine Vervielfachung". Seit einigen Jahren ist im Alten Land die sogenannte Schwarze Sommerfäule ein Problem - ein dort bisher unbekannter Pilz aus Südeuropa, der die Äpfel verfaulen lässt. Am Bodensee kämpfen die Bauern gegen den Obstbaumkrebs, eine Infektion mit Pustelpilzen: Der Pilz, dessen Wachstum durch milde Winter begünstigt wird, dringt durch Wunden in den Baum ein und blockiert den Transport von Wasser und Nahrung in die letzten Spitzen.

Die Obstregion Bodensee ist mit rund 7500 Hektar Anbaufläche und einem Produktionsvolumen von 250 000 Tonnen ebenso bedeutend wie das Alte Land.

"Auch wir möchten in Zukunft noch Äpfel ernten", sagt Franziska Blohm. Deshalb zog die Familie 2018 gemeinsam mit anderen Betroffenen gegen die Bundesregierung vor Gericht. Sie wollten erreichen, dass die Politik mehr gegen den Klimawandel tut, Deutschland den Ausstoß an Treibhausgasen stärker senkt. Die Schäden infolge der Erderhitzung seien ein Eingriff in das Grundrecht der Bauern, argumentierte ihre Anwältin Roda Verheyen: "Denn nicht nur die Zerstörung, auch die Beeinträchtigung von Eigentum ist verboten."

Etwa 11.000 Betriebe bauen hierzulande Obst an, fast zwei Drittel davon sind auf Baumobst spezialisiert, ein Viertel auf Erdbeeren. Bereits vor Jahren hat das Umweltbundesamt die Folgen der Klimaänderungen für die Branche untersucht. Im sogenannten Vulnerabilitätsbericht aus dem Jahr 2015 ist der Stand der Forschung zusammengefasst: "Auch die Pflanzengesundheit hängt vom Klima ab. Warme Witterungen können Schädlinge begünstigen, vor allem wenn die Winter mild sind.

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