Warum ein Öl-Embargo eine gefährliche Nullnummer ist

Seite 3: Embargo bringt keinen Frieden, vielmehr droht sozialer Unfrieden

Doch es gibt neben den Einwänden Ungarns und anderer EU-Staaten hinsichtlich der Kosten und der Energieversorgung weitere Kritikpunkte an den Öl-Embargo-Plänen der EU-Kommission.

So argumentiert die Denkfabrik Bruegel, dass ein Embargo im Vergleich mit Strafzöllen auf alle Energieimporte aus Russland weniger effektiv sei.

Es könnte sein, dass, wenn die Öleinkäufe aus Russland auf null heruntergefahren werden, die russischen Einnahmen trotzdem hoch bleiben, während die EU vielfach negativ davon betroffen wird, kurz- wie langfristig. Paradoxerweise könnte ein Embargo sogar ein Vorteil für Russland bedeuten, jedenfalls kurzfristig, und ein Nachteil für die EU und die Weltwirtschaft.

Daher wird zeitgleich auch über eine Preis-Obergrenze für Öl diskutiert, um den kompensatorischen Effekt auszuschalten.

Aber einer solchen Obergrenze müssten viele Staaten der Welt zustimmen, was nur schwer vorstellbar ist. Zudem könnten westliche Länder aufgrund der Vorlaufzeit bis zum Embargo versuchen, Öl, Benzin und Kerosin auf Vorrat zu kaufen und damit die Embargo-Wirkung schwächen. Natürlich wird Russland auch weiter an China, Indien und andere Abnehmer Öl verkaufen.

Die russische Ökonomie kann daher, so die Financial Times, ein EU-Öl-Embargo durchaus verkraften. Die Frage sei, ob die logistischen Herausforderungen eines Lieferumschwungs Richtung Asien gemeistert werden. Zum Beispiel sind die Transportwege komplizierter und kostenintensiver. Nach Indien geht es nur per Schiff durch den Suezkanal. Das Land möchte auch nur 70 Dollar pro Barrel Öl zahlen.

Die Frage ist zudem, ob die Strafmaßnahme gegen Russland überhaupt sinnvoll ist, um Frieden zu schaffen. Sicherlich sollte der Angriffskrieg so schnell wie möglich beendet werden. Aber ist dafür das Embargo wirklich das richtige und angemessene Mittel?

Der Importstopp wird den Krieg aller Wahrscheinlichkeit nach nicht verkürzen können, aber die russische Führung enger an China anbinden und die Fronten verhärten. Internationale Kooperation, in vielen Fragen wie der Klimakrise, Migration oder auch beim Abbau der Atomwaffenarsenale notwendig, wird kaum mehr möglich sein.

Außerdem stellt sich die Frage, ob ein Embargo, wenn es derart umgesetzt werden kann, dass es Russland ökonomisch tatsächlich unter Druck setzt, nicht vor allem die russische Bevölkerung am Ende treffen wird.

So sind die Einnahmen aus dem Ölverkauf für Russland bis zu viermal wichtiger als die aus dem Gasexport, wie Gunter Deuber, Leiter der Forschungsabteilung bei der Raiffeisen Bank International in Wien, im Deutschlandfunk sagte. Allein bei Gazprom arbeiten eine halbe Millionen Menschen. Die Erwerbslosigkeit stiege kolossal an, prognostiziert der Energieexperte Michail Krutichin.