Warum "für Europa"?

Seite 2: "Europäische Idee": Gemeinsam aufbauen, gemeinsam mitmischen

Zu einer für die Sowjetunion ernstzunehmenden Bedrohung gehörte neben einer gewichtigen Rüstung inklusiver US-amerikanischer Atomstreitmacht "vor Ort" auch eine wieder aufblühende Wirtschaft. Das leuchtete den Europäern nicht nur wegen entsprechender Hinweise aus Washington ein.

Ihre durch den Weltkrieg weitestgehend zerstörten Ökonomien waren zu schwach und allein zu klein, um sich vielleicht irgendwann einmal auf dem von den USA mit ihrem dollarbasierten Weltmarkt zu behaupten.

Die Geburtsstunde der "Europäischen Idee": Gemeinsam nach innen wieder aufbauen – mit US-amerikanischer Hilfe – und nach außen sich schützen, als Staatenblock für die Geschäfte des eigenen Kapitals beste Voraussetzungen schaffen und so ein gewichtiges Wort in der Welt mitreden.

Die "Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl" entstand, die Vereinigung für die zivile Nutzung der Atomkraft "Euratom" sowie schließlich 1957 die "Europäische Wirtschaftsgemeinschaft" (EWG) mit den sechs Mitgliedern Belgien, Niederlande, Luxemburg, Italien, Frankreich und Deutschland.

Gegen die Beteiligung von Großbritannien sprach sich zunächst Frankreich aus, in bester Erzfeindschafts-Tradition. Das United Kingdom hatte seinerseits mit der Efta (European Free Trade Association) eine Konkurrenzveranstaltung zur EWG zusammen mit unter anderem den skandinavischen Staaten gegründet.

Sie erwies sich aber als wirtschaftlich nicht erfolgreich genug, konnte sich gegen die EWG nicht durchsetzen. Sodass die Briten 1973 dann doch hinzustießen, gemeinsam mit Dänemark und Irland.

Es folgten Griechenland, Spanien, Portugal. Nach der Auflösung der Sowjetunion einschließlich des Ostblocks kamen in die zwischenzeitlich erweiterte "Europäische Union" Österreich, Schweden und Finnland hinzu sowie zahlreiche Staaten aus dem ehemaligen russischen Einflussbereich wie die baltischen Nationen, Polen, Tschechoslowakei, Rumänien, Bulgarien und Ungarn.

Mit der Selbstauflösung der Sowjetunion entfiel eigentlich der Grund für den "Nato-Vorbehalt". Und die Begeisterung über das Ende der DDR und ihre Angliederung an die Bundesrepublik hielt sich besonders bei den britischen und französischen Konkurrenten in sehr engen Grenzen.

In London und Paris ahnten die Herrschaften schon, dass dieser Zuwachs an Staatsgebiet und -volk die Deutschen noch tonangebender in der EU machen würde. Dennoch fügten sie sich in die maßgeblich von den USA und der scheidenden Sowjetunion erlaubten "Wiedervereinigung".

Im Laufe der kommenden Jahre ereigneten sich auch keine militärischen Konflikte innerhalb der EU. Die Europäer suchten in der neuen weltpolitischen Konstellation ohne den großen Gegner im Osten ihre Position. Sie beäugten argwöhnisch die Entwicklung des russischen Nachfolgestaats.

Denn die Atomwaffen und sonstige gewaltige Rüstung waren ja nicht mit abgeschafft worden. Also gab es für Deutschland, Frankreich, Großbritannien & Co gute Gründe, mit der Nato und damit den USA eine weiter überragende Streitmacht dem entgegenzusetzen.

Am "Rockzipfel" der US-Amerikaner fühlten sich die Europäer da noch unter den neuen Umständen wohl, betonten ständig die Bedeutung der westlichen Allianz – für sich, um ihre Interessen weiter machtvoll in der Welt durchsetzen zu können.

In dieser Welt – wir sind in den 1990er-Jahren – ging es ungebrochen ziemlich kriegerisch zu. Das "Friedensprojekt" Europa machte da keine Ausnahme. Nur ereigneten sich die Scharmützel nicht im Unionsgebiet, sondern sozusagen vor der Haustür, in Jugoslawien.

Dem "blockfreien" Staat war durch den Wegfall des einen Blocks seine Geschäftsgrundlage abhandengekommen. Seine sozialistische Ausrichtung wurde nicht mehr von sowjetischer Seite gestützt, die war nicht mehr da. Und als zur Sowjetunion kritischem Staat brauchte der Westen Jugoslawien nun auch nicht mehr.

Vor allem in den Teilrepubliken Kroatien und Slowenien schwangen sich daher Politiker auf, um sich von Jugoslawien abzuspalten. Ihr Argument: "Unser" Volk kommt besser ohne die anderen Völker im Staat zurecht. "Wir" zahlen zu viel für "die anderen" beziehungsweise bekommen zu wenig zurück.

Angesichts der umfassenden Wirtschaftskrise Jugoslawiens verfingen diese "Argumente" bestens. Und die von den jugoslawischen Sozialisten nie kritisierten und damit weiter bestehenden nationalistischen Hetzereien zwischen Kroaten, Slowenen, Serben, Bosniern, Kosovo-Albanern usw. fielen auf fruchtbaren und furchtbaren Boden.