Warum wir das bedingungslose Grundeinkommen brauchen
Seite 3: Selbstversorgung und Fremdversorgung
Die Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens, so ihre Gegner, leugne nicht allein den Umstand, dass der Mensch von Natur aus faul und egoistisch sei. Sie sei zudem eine einfältige Utopie. Geld fürs Nichtstun! Wo gibt’s denn so was? Beziehungsweise: Wo hat es so etwas je gegeben? Antwort: Über weite Strecken der Geschichte, und zwar vom Beginn unserer Sesshaftigkeit vor 10'000 Jahren bis ungefähr ins 18. Jahrhundert.
Richtig am "Utopie-Argument" ist lediglich eins: Es gab früher kein Geld fürs Nichtstun. Das liegt aber einzig daran, dass Geld in der Geschichte der Menschheit erst seit etwa 300 Jahren eine derart zentrale Rolle spielt. Sicher: Tausch und Handel gab es immer. Und Geld in Form von Münzgeld existiert seit etwa 2700 Jahren. Aber "Märkte" im Sinne allgegenwärtiger Scharniere zwischen Arbeit, Produktion und Konsum gibt es erst seit Beginn des 18. Jahrhunderts ...
In Agrargesellschaften, in denen die allermeisten Menschen Selbstversorger sind, steht ihnen ein Grundeinkommen in Form von Grund und Boden zur Verfügung. Nicht unbedingt in Form von privatem Eigentum an Grund und Boden. Aber in Form von Besitz; das heißt: dem Recht, über Ackerland, Wald oder Weiden zu verfügen. Keine Frage, die Menschen mussten hart arbeiten, um diesem Boden ein Naturaleinkommen abzugewinnen. Aber sie mussten nicht auch noch arbeiten, um überhaupt über Grund und Boden verfügen zu dürfen.
Der Siegeszug der Industriegesellschaft hat, neben vielem, vor allem dies verändert: Selbstversorgung ist keine Option mehr. Bestenfalls kann sie noch ein unglaublich aufwendiges Hobby sein. Heute leben wir in einer Gesellschaft vollständiger Fremdversorgung. Das heißt: So gut wie nichts von dem, was wir zum Leben (und darüber hinaus) brauchen, können wir selbst herstellen. Zwar sagen wir immer noch, dass jemand "von seiner eigenen Hände Arbeit" lebt. Aber das ist nur noch eine Metapher.
Fremdversorgung bedeutet: Wir leben überhaupt nicht von unserer Arbeit. Weil wir das Prinzip der Arbeitsteilung immer weiter perfektionierten, leben wir schon beim Genuss banalster Konsumgüter von der Arbeit Tausender Mitmenschen ...
Es ist wirklich so: Ohne Moos nix los. Früher war der "Kampf ums Dasein", an den ja bis heute erstaunlich viele Leute glauben, ohne Acker so gut wie verloren. Heute ist er es ohne Geld. Daher ist ein Grundeinkommen ein Menschenrecht.
Das Recht auf Leben und das Recht auf Teilhabe an der Gesellschaft sind unserem aufgeklärten humanistischen Menschenbild nach - und in unserer Verfassung - unbedingte Rechte. Kein einziges unserer Grund- und Menschenrechte ist an den Nachweis von Vermögen oder Arbeitsplatz gebunden. Darum darf ein Grundeinkommen für jeden Bürger an keinerlei Bedingungen geknüpft sein. Deshalb muss es freilich auch nur ein Grundeinkommen sein. Für die Annehmlichkeiten des Lebens, von denen die Menschen zu Recht äußerst verschiedene Vorstellungen haben, muss danach tatsächlich jeder selbst sorgen.
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