Warum wurde die Bundeswehr nach Afghanistan geschickt?
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Drei unübliche Antworten auf drei übliche Fragen zur Bundeswehr in Afghanistan (Teil 1)
Der "Große Zapfenstreich" für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan wird in den Oktober verschoben. Die Stimmung ist den Deutschen gerade nicht nach Feiern. Bis es wieder so weit ist, gehen wir den drei wichtigsten Fragen nach dem Sinn der Mission am Hindukusch nach.
Warum wurde die Bundeswehr nach Afghanistan geschickt?
Die übliche Antwort:
Aus "uneingeschränkter Solidarität" mit den USA (so Bundeskanzler Gerhard Schröder, SPD, nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001), weil Deutschland seine Sicherheit nun auch am Hindukusch meinte verteidigen zu müssen (so SPD-Bundesverteidigungsminister Peter Struck) und weil es damit seiner gewachsenen Verantwortung in der Welt gerecht wurde (vgl. Bundeskanzlerin Angela Merkel)
Die unübliche Antwort:
"Solidarität" mit einem waffenstarrenden Staat, dessen weltweit agierende Soldaten in offiziellen und inoffiziellen Kriegen für abertausende Tote verantwortlich sind, darunter viele Zivilisten?
"Freiheit" sichern in einem tausende Kilometer entfernten Land, in dem die meisten Menschen bis zum Einmarsch der Bundeswehr sicher weder Deutschland kannten, noch etwas gegen diese Nation im Sinn hatten?
"Verantwortung" gerecht werden, weil "Durchsetzung der ökonomischen und politischen Interessen Deutschlands" viel zu hässlich klingt?
Gehen wir mal im Detail der "Solidarität", der "Freiheit" und der "Verantwortung" Deutschlands im Fall Afghanistan nach.
Die süße "Pflicht" zur Bündnistreue: Immer gern – wenn es passt
Es gibt keinen unausweichlichen Zwang für einen Staat, einen anderen bei seinem Krieg gegen einen Dritten zu unterstützen, "Solidarität" zu üben.
Sondern es überlegt sich jeder sehr genau, welchen Vorteil er davon hat – oder welchen Nachteil, wenn er dem nicht nachkommt. Dementsprechend gibt es Bündnisse, die im Konfliktfall Bestand erhalten oder eben nicht.
Die Geschichte ist voll von diesen Kalkulationen und Wechseln der Fronten, wenn es opportun erscheint. Dennoch hält sich hartnäckig das politologische Gerücht von den Bündnispflichten, die im schlechten Fall die Staaten in einen Krieg "hineinschliddern" ließen.
Das Beispiel Erster Weltkrieg wird dazu oft und gern herangezogen. Dabei kann man seiner Entstehung gut entnehmen, wie sehr von den europäischen Nationen abgewogen wurde, welches Bündnis ihnen in ihrer imperialistischen Konkurrenz gegeneinander am meisten nützen würde.
Und wann die "Verpflichtung" zum Beistand eines verbündeten Staates angebracht sein würde; eben, weil man sich dadurch einen Vorteil gegen die gegnerischen Mächte versprach.
Nach den Anschlägen in New York und Washington riefen die USA erstmals in der Historie der Nato den "Bündnisfall" aus. Demnach wird "ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere Verbündete in Europa oder Nordamerika als Angriff gegen sie alle angesehen".
Dieser Artikel im Nato-Vertrag war ursprünglich gegen den Ostblock und die Sowjetunion gemünzt. Durch dessen Selbstauflösung Anfang der 1990er-Jahre entfiel aber der Bündniszweck.
Vor allem die USA hegten Zweifel am Nutzen der Nato. Als nun unumstrittene Weltmacht stellte sie sich die Frage, wozu ihr die Allianz noch taugte.
Auf der anderen Seite sorgten sich die weniger mächtigen Europäer, sie könnten bald nicht mehr mit der stärksten Militärmacht im Rücken ihre Interessen gegen anderen Nationen in der Welt durchsetzen zu können. Die regelmäßig aufkommenden Plädoyers europäischer Politiker für endlich eine eigene wirksame Streitmacht rühren daher.
Im sogenannten Kosovo-Krieg fand die Nato 1999 dann doch wieder ihren Sinn: Unter Führung der USA griff das Bündnis zugunsten der Albaner im Kosovo ein und erzwang mit dauerhaften Luftschlägen auf die dort stationierten Serben sowie auf Serbien selbst die Entscheidung.
Ein "Bündnisfall" war das allerdings nicht. Sondern es ging darum, gegen den Widerstand Serbiens die maßgeblich von den europäischen Führungsnationen Deutschland, Frankreich und Großbritannien betriebene Zerschlagung Jugoslawiens zu vollenden.
Ein schaler Beigeschmack für die Europäer blieb – denn nur durch das Eingreifen der übermächtigen Amerikaner konnte dies gelingen.
Eine "Pflicht" zur "uneingeschränkten Solidarität" Deutschlands mit den von Terroristen angegriffenen Vereinigten Staaten gab es insofern, als die USA sie vehement einforderten – und das Nichtbefolgen dieser Forderung das von Berlin so geschätzte Nato-Bündnis infrage gestellt hätte.
Wo man doch gerade in Jugoslawien so schön gemeinsam erfolgreich gewesen war. Länger debattiert wurde daher nicht. Bereits einen Tag nach den Anschlägen erklärte der Deutsche Bundestag, fest an der US-amerikanischen Seite zu stehen.
Das wurde dann kurze Zeit später konkreter: Das Parlament beschloss mit großer Mehrheit die mögliche "Bereitstellung militärischer Fähigkeiten", um die USA bei ihrem "War on Terror" (US-Präsident George W. Bush) zu unterstützen (vgl. Deutscher Bundestag, 187. Sitzung, 19. September 2001)
Mit "fliegenden Fahnen" zogen die Deutschen jedoch nicht mit den US-Amerikanern gen Afghanistan, beteiligten sich nicht an der von den USA geführten kriegerischen Intervention. Erst nach Kriegsende entsandte man Soldaten für die "Internationale Schutztruppe" (Isaf) – zunächst zur Absicherung der Hauptstadt Kabul.
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