Was aus dem Kohlenstoff-Bankrott reicher Länder folgt

Es braucht einen Ausgleich für die angehäufte Klimaschuld der reichen Länder. Bild: Alisdare Hickson / CC BY-NC 2.0

Die Industriestaaten haben kein CO2-Budget mehr. Sie sind kohlenstoffinsolvent. Bei den Klimaverhandlungen sollten daraus endlich Schlüsse gezogen werden. Ein Vorschlag.

Da der Klimawandel schon in großem Umfang begonnen hat, braucht es schnelle Klimaschutz-Maßnahmen – gerade auch auf internationaler Ebene, die eine globale Wirkung in relevanter Größenordnung entfalten können. Ein Vorschlag, der sehr schnell umgesetzt werden könnte und die vorhandenen Strukturen der internationalen Klimapolitik im Rahmen der Klimarahmenkonvention UNFCCC nutzt, soll im Folgenden dargestellt und beschrieben werden.

Das ist ein Auszug aus einem Artikel, der im isw-report 129 unter dem Titel "Klimaschutz als weltumspannendes Handeln" erschienen ist.

Ein erster Schritt zu einer neuen internationalen Klimapolitik wäre eine grundsätzliche Veränderung der Art und Weise und der Methode der internationalen klimapolitischen Konferenzen und Verhandlungen.

Die CO2-Schulden der reichen Länder seit 1990

Es wird vorgeschlagen, das globale CO2-Rest-Budget ab 1990 gerecht auf die Länder aufzuteilen und einem solchen länderbezogenen CO2-Rest-Budget den jeweils gemessenen CO2-Ausstoß, der sehr zuverlässig und routinemäßig für alle Staaten festgestellt und öffentlich publiziert wird, gegenüberzustellen. Dann erhält man für jedes Land eine spezifische CO2-Bilanz wie bei einem Konto, entweder mit einem Guthaben oder mit Überziehungsschulden.

Unter dem Aspekt der Klimagerechtigkeit ist jedenfalls nicht einzusehen, dass bisherige Emissionen einfach unter den Tisch fallen sollen. Die Ergebnisse derartiger CO2-Bilanzen sind überraschend und für die meisten reichen, im Wesentlichen kapitalistischen Industrieländer, deren Reichtum weitgehend auf der Ausbeutung fossiler Energien – mit den damit verbundenen Treibhausgas-Emissionen – beruht, niederschmetternd. (Siehe dazu das Buch von Ulrich Brand und Markus Wissen: Imperiale Lebensweise.Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus)

Danach war das gesamte CO2-Rest-Budget, das z.B. den folgenden Staaten jeweils seit 1990 zustand,

  • für die USA bereits im Jahr 1999 komplett aufgebraucht!
  • für Deutschland bereits im Jahr 2005 komplett aufgebraucht!

Danach wird, unter der Annahme, dass die jährlichen Emissionen ab 2021 gleich hoch sind wie 2019,

  • für China das CO2-Rest-Budget seit 1990 im Jahr 2023 aufgebraucht sein
  • für Indien das CO2-Rest-Budget seit 1990 erst im Jahr 2084 aufgebraucht sein.

Wie man aus einer derartigen CO2-Bilanzbetrachtung unter dem Aspekt einer halbhistorischen Klimagerechtigkeit sieht, ergibt sich die Tatsache, dass viele reiche kapitalistische Industrieländer (aber auch z.B. Russland und Saudi-Arabien) das ihnen ab 1990 zustehende CO2-Rest-Budget bereits seit etlichen Jahren komplett aufgebraucht haben (siehe Tabelle weiter unten).

Daraus ergibt sich sofort die logische Frage:

Wie soll eine (z.T. auch langjährige) Überziehung des eigenen CO2-Budgets in der internationalen Klimapolitik bewertet und behandelt werden?

Der methodische Vorschlag dazu lautet: Eine Überziehung des eigenen CO2-Budgets sollte zu einer völkerrechtlich verbindlichen Reparations-Pflicht für die entsprechenden Staaten führen, deren Volumen proportional zur bisherigen und aktuell noch weiterlaufenden CO2-Überziehung berechnet wird. D.h. eine negative CO2-Bilanz (also mehr CO2-Emissionen als das jeweilige CO2-Rest-Budget eines Staates ab 1990) sollte durch finanzielle Ausgleichszahlungen an einen UN-Klimafonds zumindest teilweise ausgeglichen werden.

Um konkrete Finanzsummen berechnen zu können, muss eine Art internationaler CO2-Ausgleichs-Preis für eine Tonne CO2-Überziehung in internationalen Klimaverhandlungen vereinbart und festgelegt werden. Die Höhe des CO2-Preises ist schwierig zu bestimmen. Das Umweltbundesamt (UBA) z.B. empfiehlt, Schadenskosten von 195 Euro pro Tonne CO2 (in Preisen von 2020) anzusetzen.

Im Report der High-level-Commission on Carbon Pricing unter der Leitung von Nikolas Stern und Josef Stiglitz wird ein CO2-Preis von 50 bis 100 Dollar pro Tonne erwähnt, um das Klimaziel von 2 Grad Celsius zu erreichen. Der Klimaökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung Otmar Edenhofer schätzt, dass der CO2-Preis ungefähr drei bis vier Mal so hoch sein müsste – d.h. 130 bis 350 Euro pro Tonne –, um das ambitioniertere Klimaziel von 1,5 Grad zu erreichen.