Was aus dem Kohlenstoff-Bankrott reicher Länder folgt

Seite 2: Es geht um völlig andere Finanz-Dimensionen

Im Folgenden sei für die Beispielrechnungen in einem ersten Ansatz zunächst ein moderater Preis von 60 Dollar für eine Tonne CO2-Emissionen angesetzt. Ein derartiger internationaler CO2-Ausgleichspreis sollte bei einem zukünftigen internationalen Klima-Gipfel gemeinsam beschlossen werden, mit der Option, diesen nach einer Probephase an neue Aspekte bzw. Gegebenheiten anzupassen.

Wenn die bisher quasi kostenlos angeeigneten Budgetüberziehungen mit einem solchen internationalen CO2-Ausgleichspreis berechnet würden, dann kämen weltweit verpflichtend Finanzsummen zusammen, die endlich der Klimakrise und den daraus resultierenden Aufgaben in armen Ländern zumindest ansatzweise angemessen wären. Damit könnten notwendige Finanzen bereitgestellt werden, um z.B. die gewaltigen Infrastrukturmaßnahmen im globalen Süden hin zu erneuerbaren Energien und weg von Kohle, Erdöl und Erdgas zu ermöglichen.

So hätten die USA eine akkumulierte Klimaschuld von bisher insgesamt circa sieben Billionen Dollar und eine jährliche Ausgleichsrate von ungefähr 270 Milliarden Dollar zu begleichen. Die entsprechenden Werte für Deutschland lauten: bisher seit 2005 akkumuliert: circa 790 Milliarden Dollar und derzeit jährlich rund 38 Milliarden Dollar.

In der Tabelle unten sind die elf größten Klima-Schuldner-Staaten (akkumuliert ab 1990) und einige Beispiel-Länder mit noch hohen CO2-Guthaben aufgeführt. Für alle mehr als 60 Klima-Schuldnerländer zusammen betragen die bisher akkumulierten Klima-Schulden circa 16 Billionen Dollar und der jährliche Schuldenbetrag für das Jahr 2021 beläuft sich auf ungefähr 930 Mrd. Dollar.

Eine derartige konkrete Berechnungsmethode für Finanztransfers von Staaten, die ihr zustehendes CO2-Rest-Budget schon seit Jahren überzogen haben, war bisher auf den Klimakonferenzen nicht zu finden. Solche Diskussionen wurden durch die reichen kapitalistischen Länder bisher bewusst abgeblockt und konsequent verhindert.

Leider haben sich auch ärmere Staaten des globalen Südens oft zu ruhig und unorganisiert verhalten, um eine andere Verbindlichkeit der Konferenzen durchzusetzen und um eine solche faktenbasierte Berechnungsmethode für einen zumindest ansatzweise gerechten Finanzausgleich zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden auf die Tagesordnung zu setzen. Bisher konnte lediglich durchgesetzt werden, dass die reichen Länder eine höhere historische Verantwortung in allgemeiner Form einräumten.

Meistens wurden auch wortreiche blumige Erklärungen abgegeben, indem z.B. die Überziehungsländer großmütig zugaben, in der Vergangenheit gesündigt zu haben, nun aber Verantwortung durch freiwillige, milde finanzielle Gaben bei eventuellen Klimakatastrophen und Hilfsaktionen übernehmen sowie ihre Finanzmärkte mit den internationalen Finanzinstituten und Versicherungen ermuntern wollen, in diese nun "grünen" Geschäfte einzusteigen.

Es fällt sofort auf, dass dies völlig andere Finanz-Dimensionen sind als bei bisherigen Klimakonferenzen und z.B. auch zuletzt 2021 auf der COP 26 lang und breit diskutiert wurden. Glasgow war eigentlich schon im letzten Jahr die Konferenz, bei der die im Jahr 2009 in Kopenhagen (COP15) "großzügig" von den reichen Industrieländern versprochenen 100 Milliarden Dollar jährlich auf dem Tisch liegen sollten.

Aber selbst dieser, angesichts der oben genannten notwendigen Summen relativ geringe Finanzbetrag der reichen Industrieländer wurde kläglicher Weise nicht eingehalten – es kamen nur rund 80 Milliarden Dollar zusammen und das auch noch inklusive trickreicher Umwidmungen von alten Entwicklungshilfegeldern, von privaten Krediten und schalen Versprechungen von internationalen Finanzinstituten. Immerhin entschuldigten sich die reichen Staaten höflich und versprachen ihr Bestes bis 2023 zu tun, während die armen Staaten bescheiden ihren Unmut kundtaten.

Auch wenn hier eine grundlegend andere Art und Methode der internationalen Klimakonferenzen eingefordert wird, soll das nicht heißen, dass UN-Klima-Konferenzen in Bausch und Bogen verurteilt werden und man auf sie besser verzichten sollte. Denn die jährlichen Klimakonferenzen sind bei aller Kritik eine wichtige Gelegenheit, sich in einem großen internationalen Uno-Rahmen zur Klimakrise auszutauschen, Lösungen zu besprechen und auch gegen "falsche Lösungen" wie Kernkraft, CO2-Entnahme aus der Luft (CCS, CDR) oder Greenwashing eine Gegenöffentlichkeit zu bilden.

Die Konferenzen sind ein unverzichtbarer Kristallisationspunkt, wo sich viele Widersprüche in der heutigen kapitalistisch dominierten Welt wie in einem Brennglas bündeln und das Thema "Klima" und das "Mensch-Natur-Verhältnis" große internationale Aufmerksamkeit bekommt. Es geht am Ende darum, diese Konferenzen und die internationale Klimapolitik durch eine immer konsequentere, noch viel stärkere und besser organisierte globale Klimabewegung radikal zu verändern und so zu verbessern, dass weltweit daraus kräftige neue internationalistische und solidarische Strukturen entstehen, um die Klimakatastrophe noch abzuwenden.

Dabei ist jedoch zu betonen, dass der Einsatz für eine bessere internationale Klimapolitik nur sinnvoll ist, wenn auch eine konsequente regionale und nationale Klimapolitik betrieben wird, insbesondere auch in den reichen Staaten (und auch in China) selbst.