Was braut sich im Südchinesischen Meer zusammen?
Handelsstreitigkeiten, Sanktionen und die Pandemie sorgen für angespannte Beziehungen zwischen China und USA. Bahnt sich ein Konflikt im Südchinesischen Meer an?
China und andere an das Südchinesische Meer angrenzende Staaten erheben Ansprüche auf das rohstoffreiche Seegebiet, das zudem weltweit eine der wichtigsten Handelsstraßen zur See ist. Seit Jahren sorgt der Ausbau der chinesischen Militärstützpunkte für Unruhe. Dass die chinesische Marine wie aktuell eine Übung in der Nähe der Paracel-Inseln im Südchinesischen Meer durchführt, ist allerdings nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich ist es jedoch, dass die US-Marine gleich zwei Flugzeugträger in die Region schickt, um zeitgleich auch eine Übung abhalten zu lassen.
Das US-Pentagon erklärte letzte Woche, es sei besorgt über chinesische Militärübungen im Südchinesischen Meer in der Nähe der Paracel-Inseln. Die USS Ronald Reagan und die USS Nimitz werden ab Samstag einige der größten Übungen der US-Marine in den letzten Jahren im Südchinesischen Meer abhalten, um einen freien und offenen Indopazifik zu unterstützen, sagte die US-Marine am Samstag. Laut Wall Street Journal werden die Übungen der beiden Flugzeugträger und vier weiterer Kriegsschiffe "rund um die Uhr" Flüge umfassen, bei denen die Treffsicherheit trägergestützter Flugzeuge getestet wird. Auch die USS Theodore Roosevelt setzte im Juni Kurs auf das Philippinischen Meer, nachdem sie mehr als zwei Monate in Guam verbracht hatte, um einen COVID-19-Ausbruch zu bekämpfen.
Die USA schickten dieses Jahr wiederholt Kriegsschiffe in das Südchinesische Meer, nachdem es zwischen chinesischen Schiffen der Küstenwache und Schiffen der Anrainerstaaten zu Konflikten gekommen war. Im April waren bereits amerikanische Kriegsschiffe in die umstrittenen Gewässer gesegelt, nachdem Hanoi behauptet hatte, ein vietnamesisches Fischerboot sei in der Nähe der Paracel-Inseln von einem Schiff der chinesischen Küstenwache versenkt worden. Als Zeichen der Unterstützung schickten die USA zwei Kriegsschiffe. "Durch unsere fortgesetzte operative Präsenz im Südchinesischen Meer arbeiten wir mit unseren Verbündeten und Partnern zusammen, um die Freiheit der Navigation und des Überflugs sowie die internationalen Grundsätze zu fördern, die Sicherheit und Wohlstand im Indopazifikraum untermauern", sagte Lt. Commander Nicole Schwegman, eine Sprecherin des Indopazifikkommandos der Vereinigten Staaten der New York Times. "Die Vereinigten Staaten unterstützen die Bemühungen unserer Verbündeten und Partner, ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen zu bestimmen".
Auch Malaysia beschwerte sich im April und erhielt Unterstützung seitens der USA. Ein chinesisches Explorationsschiff war bei der Durchführung einer Untersuchung in der Nähe eines von Malaysias staatlicher Ölgesellschaft Petronas betriebenen Explorationsschiffes gesichtet worden. Diese Aktionen zeuge erneut von einer offensichtlichen Machtdemonstration, hieß es und die US-Marine schickte diesmal drei Schiffe, um das malaysische Öl- und Gasförderschiff zu beschützen.
"Die Xisha-Inseln (Paracel-Inseln) sind unbestreitbar Chinas inhärentes Territorium. Chinas Militärübungen in den Meeren vor den Xisha-Inseln liegen innerhalb unserer Souveränität und sind über jeden Vorwurf erhaben", sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Freitag und fügte hinzu: "Die Hauptursache für die Instabilität im Südchinesischen Meer sind die groß angelegten militärischen Aktivitäten und das Muskelspiel eines nicht regionalen Landes, das Zehntausende von Meilen entfernt liegt." Das dürfte kaum für Entspannung sorgen.
Kaum deeskalierende Töne kommen auch von der NATO. Im Juni sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, das Verteidigungsbündnis müsse "sich stärker gegen Bedrohungen durch China zu wappnen." Zwar sei kein NATO-Mitgliedsland "unmittelbar" von China bedroht, aber die NATO stelle fest, dass es "sehr ernsthafte Entwicklungen im Südchinesischen Meer gibt." China versuche dort zunehmend, die Bewegungsfreiheit für Schiffe in internationalen Gewässern zu behindern. Manche Kommentatoren aus Europa halten einen "Krieg aus Versehen" nicht für ausgeschlossen.
"Freedom of navigation"
Die chinesische Regierung hat wiederholte Ansprüche auf große Gebiete im Südchinesischen Meer erhoben, die im Widerspruch zu den Ansprüchen stehen, die von den Regierungen Vietnams, Indonesiens, Malaysias, Taiwans und der Philippinen vorgenommen wurden. Der Ständige Schiedshof in Den Haag hat die Gebietsansprüche Chinas zurückgewiesen, aber Peking erkennt das Urteil nicht an und hat in den letzten Jahren Marinestützpunkte auf verschiedenen Riffen errichtet.
China unterstrich seinen Anspruch auf einen Großteil der Gewässer und teilte der UNO im Dezember mit, dass Peking souveräne Rechte auf alle Inseln im Südchinesischen Meer habe, einschließlich der Paracel- und Spratly-Inseln. Das löste große Einwände aus den Nachbarländern aus. Am 30. März erklärte die vietnamesische Delegation bei den Vereinten Nationen: "Vietnam erhebt Einspruch gegen die Behauptungen Chinas. Diese Behauptungen verletzen Vietnams Souveränitäts- und Gerichtsbarkeitsrechte über das Ostmeer ernsthaft".
Während die Vereinigten Staaten keine Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer haben, ist Washington der Ansicht, dass die US-Marine seit Jahrzehnten den Frieden in diesen Gewässern bewahrt. Die Aktionen Pekings würden "die Situation im Südchinesischen Meer weiter destabilisieren", sagt das Pentagon laut WSJ. Leutnant Joe Keiley, Sprecher der Siebten Flotte, sagte, die Operation unterstütze "die dauerhafte Verpflichtung der USA, sich für das Recht aller Nationen einzusetzen, zu fliegen, zu segeln und zu operieren, wo immer es das Völkerrecht erlaubt". Man verteidige das Recht aller Nationen auf einen freien Schiffs- und Flugverkehr gemäß internationalem Recht.
Das Südchinesische Meer ist ein der strategisch wichtigsten Wasserstraßen der Welt, durch das nicht nur ein Drittel des weltweiten Schiffsverkehrs geht, sondern auch ein Fünftel des weltweiten Handels: fast vierzig Prozent des chinesischen Außenhandelsvolumens, ein Drittel des indischen, ein Viertel des brasilianischen und jeweils etwa ein Zehntel der deutschen, britischen und französischen Handelsgüter. Auch etwa 80 seiner Erdölimporte Chinas geht über diesen Seeweg.