Was darf die Kirche?

Seite 2: Hassrhetorik nur für Politiker strafbar?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Serafims mit den entsprechenden Hinweisen auf die Bibel gespickte Argumentationskette trug maßgeblich dazu bei, dass die Staatsanwaltschaft in Aigio ebenso wie in der ersten Instanz Freispruch beantragte. Die Kammer kam den gleichlautenden Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung nicht nach.

Die vorsitzenden Richter im Berufungsgericht von Aigio hatten den Antirassismusparagraphen, anders als ihr Kollege von der ersten Instanz gut studiert. Die erste Instanz hatte am 15. März 2018 in dem unter der Regierung Samaras erlassenen Gesetz 4285/2014 eine Strafbarkeit rassistischer Gewaltrhetorik nur für Politiker gesehen.

Den Richter störte weder, dass Amvrosios auf seinen Ansichten bestand und diese sogar noch toppte. Amvrosios hatte auf der Anklagebank erklärt, dass er Homosexuelle gern erschießen würde, wenn das Gesetz ihm dies erlauben würde. Er hatte vom 15. bis 21. Oktober 2017 mit dem Läuten der Glocken in seinem Bistum zur Revolution aufgerufen, weil im Parlament die eingetragene Lebensgemeinschaft für homosexuelle Paare verabschiedet wurde.

Die Richter im Berufungsgericht attestierten dem Angeklagten einen vorher untadeligen Lebenslauf und setzten die Verbüßung der Haftstrafe daher auf Bewährung aus.

Das Urteil wurde von den anwesenden Unterstützern, darunter zahlreiche Priester und angesehene Bürger der Region, mit Protest aufgenommen. Sie warfen den Richtern vor, dass sie sich hätten korrumpieren lassen. Amvrosios selbst gab sich kämpferisch.

Er wählt die Rolle des Märtyrers und kommentierte das Urteil mit, "heute ist der historischste Tag meines Lebens! Für die Liebe Christi werde ich verfolgt! Ich habe den glücklichsten, feierlichsten Tag meines Lebens verbracht! Ich preise den Namen unseres Herrn!"

Nun muss sich der Areopag mit dem Fall beschäftigen und befinden, welches Recht mehr wiegt. Das Recht der Kirche auf die Verbreitung ihres Glaubens oder das weltliche Recht des Antirassismusparagraphen. Der interessante Rechtsstreit geht in die nächste Runde. Der Ausgang bleibt ungewiss.

Homophobe Ansichten sind in breiten Teilen der Bevölkerung und allen gesellschaftlichen Schichten tief verwurzelt. Entscheidungsträger, die in der Öffentlichkeit stehen, zögern aus Angst vor gesellschaftlicher Ächtung, gegen die mit Homophobie verbundene Hassrhetorik einzustehen. Dies zeigte sich auch in der letzten Januarwoche, als im Parlament über die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten Nikos Katsikis entschieden wurde.

Katsikis, Politiker der Unabhängigen Griechen, hatte im Oktober 2017 in der Parlamentsdebatte über die eingetragene Lebensgemeinschaft für homosexuelle Paare mit einer an Amvrosios Ansichten adaptierten Argumentationskette für eine Ablehnung plädiert. Er hatte bei dieser Debatte die Homosexualität mit Päderastie gleichgesetzt und sich damit eine Anzeige eingefangen.

Außer den Parlamentariern der kommunistischen Partei stimmte keiner der übrigen Abgeordneten der Vouli, dem griechischen Parlament, für die Aufhebung von Katsikis Immunität. Anders als Amvrosios bleibt Katsikis somit von einer gerichtlichen Verfolgung verschont.