Was ist der beste Ausweg aus dem Krieg in der Ukraine?

Seite 2: Aktuelle Handlungsfelder

Bezogen auf die aktuelle Situation ergeben sich daraus aus meiner Sicht folgende Handlungsfelder:

Sicherlich muss die militärische, politische und wirtschaftliche Unterstützung der Ukraine fortgesetzt werden. Es muss aber sichergestellt werden, dass weder die EU-Staaten noch die Nato zu einer Kriegspartei werden.

Das setzt den Waffenlieferungen Grenzen.

Wichtig ist auch, dass parallel immer wieder diplomatische Initiativen ergriffen werden müssen, um verheerende Eskalationen des Krieges zu vermeiden, humanitäre Hilfe zu ermöglichen und einen Waffenstillstand als Ausgangspunkt für Friedensverhandlungen zu erreichen. Die Verhandlungen über Getreideexporte und die Bemühungen um die Sicherheit des Atomkraftwerks in Saporischschja zeigen, dass Diplomatie erfolgreich sein kann.

Und dann: Auf der letzten UN-Generalversammlung im Dezember sprachen sich wichtige Länder der Weltgemeinschaft wie China und Indien für diplomatische Initiativen zur Beendigung des Krieges aus.

Die Entscheidung, die Verteidigungskapazitäten der europäischen Staaten deutlich zu verbessern, ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

Allerdings darf dies nicht der Beginn einer permanenten Aufrüstungsspirale sein. Abstrakte Festlegungen, dass der Verteidigungshaushalt der Nato-Staaten dauerhaft zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen soll, sind unsinnig, zumal die europäischen Nato-Staaten bereits heute dreimal so viel Geld für Rüstung ausgeben wie Russland.

Auch Bestrebungen, dass sich die europäischen Staaten auch im indopazifischen Raum militärisch engagieren sollen, sind abzulehnen.

Zudem müssen die Bemühungen um internationale Vereinbarungen zur Abrüstung und Rüstungskontrolle in Europa und weltweit verstärkt werden. Alle Schritte in diesem Zusammenhang sollten in enger Abstimmung innerhalb der EU erfolgen.

Es versteht sich von selbst, dass Deutschland als größtem und wirtschaftlich stärkstem EU-Mitglied eine besondere Bedeutung zukommt. Das bedeutet aber vor allem, dass Deutschland die Initiative ergreifen muss.

Das ist jedoch nicht zu verwechseln mit einer deutschen Führungsrolle, wie sie von manchen gefordert wird. In der EU kann und wird es auf absehbare Zeit keine führenden Länder einerseits und ihnen folgenden Ländern andererseits geben.

Die EU darf ihr Engagement nicht auf den europäischen Kontinent beschränken. Als große Zivil- und Wirtschaftsmacht ist die EU dazu bestimmt, eine herausragende Rolle bei der Schaffung einer multilateralen Rechtsordnung zu spielen, die sich auf die Bekämpfung des Klimawandels und die Bekämpfung von Armut und Hunger weltweit konzentrieren sollte.

Angesichts der gravierenden Destabilisierung durch den russischen Angriffskrieg kann eine solche moderne Entspannungspolitik aber kurzfristig nicht zu einer neuen, stabilen Friedensordnung führen, weder in Europa noch weltweit.

Entspannung erfordert ein systematisches Schritt-für-Schritt-Vorgehen, während mögliche Rückschläge durch Bemühungen um Deeskalation und Konfliktlösung aufgefangen werden müssen, auch wenn es keine Blaupausen für zu ergreifende Maßnahmen gibt.

Bei diesen Schritten sollten jedoch die aus der Entspannung gezogenen Lehren angewandt werden, anstatt eine Politik der Konfrontation zu verfolgen, die vielleicht einfacher aussieht, aber letztlich verheerend wäre.

Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit Globetrotter und dem American Committee for U.S.-Russia Accord (ACURA). Übersetzung: David Goeßmann.