Was kommt nach Big Brother?
In Holland denkt ein Fernsehsender an vier aneinander Gekettete, die Christdemokraten fordern zur Bekämpfung der Exzesse eine Zensur
Nachdem Big Brother in Holland auslief, begann ein Wettlauf, um aus dem Erfolg einen Profit zu schlagen. Die erste der Big Brother Reality-Shows der "zweiten Generation" war De Bus des Fernsehsenders SBS6. Anstatt die Teilnehmer in ein Haus zu setzen, wurden sie einfach in einen Bus gebracht. Das muss sich ein Genie ausgedacht haben.
Die dahinter steckende Idee war, durch verschiedene Städte zu reisen, aber in Den Haag wurde der Bus von Fussballfans angegriffen. Seitdem wurde er von SBS6 an sichereren Orten abgestellt, beispielsweise im Vergnügungspark Miracle Planet in Enschede. Hier gibt es nämlich kein aggressives Publikum, weil es überhaupt keines gibt: Miracle Park wird nicht vor Juni eröffnet.
Dennoch ist "De Bus" ein großer Erfolg in der Konkurrenz mit Endemol, dem Produzenten von Big Brother. Endemol wurde übrigens kürzlich von der spanischen Telekom Telefonica auf der Suche nach "Content" gekauft. Man wird davon ausgehen können, dass es bald eine spanische Version von Big Brother geben wird.
Doch SBS6 fiel noch etwas anderes ein, um die Zuschauer anzulocken. Reality auf einem Schiff? In einem Zeppelin? Nein, in der neuen "reality-dating" Show "Geboid" (gefesselt), werden die Kandidaten zwar wieder in einem Haus sein, doch dieses Mal sollen eine Woche lang aneinander gefesselt sein: ein Mann mit vier Frauen oder eine Frau mit vier Männern. Jeden Tag wird einer der vier weggeschickt, bis nur noch ein Mann-Frau-Pärchen übrig ist. Das Paar, das den Sieg davon getragen wird, darf dann übers Wochenende auf Urlaub fahren - natürlich wieder begleitet von den Kameras. Natürlich achtet SBS6 die Privatsphäre: Wenn die Kandidaten aufs Klo müssen, werden sie losgebunden.
Die geplante neue Sendung brachte für die holländischen Christdemokraten (CDA) das Fass zum Überlaufen. Ihr neuer Parteivorsitzender Jaap de Hoop Scheffer reagierte scharf: "Pervers ... Ganz Holland sollte dazu Nein sagen." Und er schlug die Einführung einer Zensur fürs Fernsehen vor.
Zumindest eine halbe Zensur. Sein Vorschlag ist, die bestehende Rundfunkbehörde, dem Commissariaat voor de Media, durch einen Ethikbeirat zu erweitern. Sollte dieser etwas moralisch anstößig finden, würde die Sendung oder der ganze Sender aus dem öffentlich zugänglichen Angebot herausgenommen und "hinter einen Decoder" platziert werden. Das heißt in anderen Worten, man würde ihn zwingen, zu einem nur gegen Registrierung zugänglichen Sender zu werden.
Gegenwärtig lehnt nur die CDA die Sendung ab, doch zwei Regierungsparteien haben auch bereits die neue Reality-Show verurteilt. Da es Pläne für kostenlose Decoder gibt, könnte der Vorschlag durchaus Erfolg haben. Das Problem besteht darin, was die CDA moralisch anstößig findet. Jaap de Hoop Scheffer ist ein Katholik und ein Hockey spielender Ex-Diplomat, er ist verheiratet, hat zwei Kinder, war früher der Leiter der holländischen Delegation bei der NATO und ein Reserveoffiziert bei der Luftwaffe. Sein ideales Fernsehprogramm besteht wahrscheinlich aus dem Papst, Jamie Shea und dem Kampf gegen Drogen.
Aber das ist nichts für den Markt. Der Markt bietet Trash-TV an. Wenn jeder einen Decoder besitzt, dann wird dieses Problem weiterhin bestehen. Fernsehen wird eher dem Internet gleichen. Es wird kein Trash-TV sein, sondern ein Trash-Video. Und eines Tages wird die CDA sich entscheiden müssen, ob sie eine wirkliche Zensur, ein absolutes Verbot von bestimmten Inhalten, einführen wird.
Aus dem Englischen übersetzt von Florian Rötzer