Was machen Australiens Feuer?

Seite 2: Mit dem Schlimmsten rechnen

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Die Feuer hätten im ganzen Land 33 Menschen getötet und eine Fläche von der Größe Südkoreas verwüstet, bilanziert der britische Sender BBC. Die Brände seien weit schlimmer gewesen, als von den Modellen prognostiziert, wird der für die französische Regierung arbeitende Klimawissenschaftler Benjamin Sanderson zitiert.

Nur wenige Modelle können Vorhersagen über Feuerrisiken treffen, so Sanderson. Das ist aus seiner Sicht durchaus bedenklich, denn "je schneller sich der Planet erwärmt, desto wahrscheinlicher werden wir (unangenehme) Überraschungen erleben". Sanderson hat an einer Studie mitgearbeitet, die eine erste Bilanz der australischen Wald- und Grasbrände zieht. Ein Ergebnis ist, dass die Feuer einmalig in der jüngeren Menschheitsgeschichte waren.

Sandersons an der Universität von Leeds in Großbritannien arbeitender Kollege John Marsham gibt ihm unterdessen Recht - zitiert vom BBC -, dass die Klimamodelle um den Aspekt Waldbrände ergänzt werden müssen. Er mahnt zugleich an, dass "das volle Spektrum zukünftiger Szenarien" betrachtet werden müsse, "statt sich nur auf die wahrscheinlichsten zu konzentrieren".

Das hört sich einerseits vernünftig an, denn die Höhe eines neuen Deichs kann man auch nicht daran ausrichten, wie hoch Sturmfluten künftig am wahrscheinlichsten auflaufen, sondern man muss sie für den schlimmsten Fall konzipieren, der vielleicht nur alle 200 Jahre zu erwarten ist, will man die hinter ihnen lebenden Menschen und ihr Gut wirklich beschützen.

Ähnlich sollte auch mit anderen Gefahren umgegangen werden, wenn etwa die Ernährung der Weltbevölkerung durch Dürren, versauerte Ozeane oder geballt auftretende extreme Niederschläge und Winde gefährdet wird. Andererseits wird das vermutlich in einer neoliberalen Welt, die dem Götzen des freien Marktes huldigt, ein harter politischer Kampf werden.

In diesem wird es sicher nicht an Vorwürfen des Alarmismus mangeln, wenn Wissenschaftler darauf hinweisen, dass zum Beispiel der Meeresspiegel zum Ende des Jahrhunderts schlimmsten Falls auch um zwei Meter ansteigen könnte, und man vielleicht rechtzeitig überlegen sollte, welche Landstriche und Städte an der Küste aufgegeben werden müssen und wo deren Bewohner gegebenenfalls angesiedelt werden könnten.

Schlimmer als gedacht

Eins ist jedenfalls klar: Die beste Vorbeugung ist immer noch, die Ursachen der weiteren globalen Erwärmung und der Zuspitzung der Klimakrise zu vermeiden. Dazu müsste ein größerer Teil der bereits erschlossenen fossilen Brennstoffe im Boden bleiben und gar nicht erst gefördert werden.

Das umso mehr, als die Methan-Emissionen aus der Erdgas- und -ölgewinnung erheblich größer sind, als bisher gedacht. Das hat eine jüngst im Fachblatt Nature veröffentlichte Studie ergeben, über die die New York Times berichtet. Demnach hätten die Wissenschaftler herausgefunden, dass natürliche Methanquellen bisher überschätzt worden seien. Außerdem hatten im letzten Jahr andere Wissenschaftler eine Reihe von Bohrlöchern untersucht und dabei festgestellt, dass erheblich mehr Methan entweicht, als den Betreibern bewusst war.

Methan ist ein erheblich wirksameres Klimagas als Kohlendioxid (CO2). Seine atmosphärische Konzentration hat sich seit Beginn der Industrialisierung in etwa verdoppelt, obwohl es in der Luft anders als CO2 in einigen Jahren durch chemische Prozesse zerlegt wird. Insofern verschwindet der von ihm zu verantwortende zusätzliche Treibhauseffekt schon innerhalb weniger Jahrzehnte, sobald seine Quellen versiegen.

Insofern ist es ganz erfreulich, dass die norwegische Firma Equinor ihre Pläne aufgegeben hat, vor Australiens Südküste nach Öl zu bohren. Indigene Bewohner der betroffenen Region und Umweltschützer sind hoch erfreut, wie die Plattform NITV schreibt.

Die Firma, die die umweltrechtliche Genehmigung erst im Dezember 2019 erhalten hatte, gibt wirtschaftliche Gründe für den Rückzug an. Zuvor hatten in den vergangenen Jahren bereits BP und Chevron einen Rückzieher gemacht. Ein Grund könnte der hohe Aufwand für das geplante Bohren in der Tiefsee sein, aber auch der Widerstand von Umweltschützern und der örtlichen Bevölkerung hat ihren Anteil gehabt, den der britische Guardian portraitiert.

Datteln 4 blockiert

Mit dem haben auch hiesige Energiekonzerne zunehmend zu rechnen. Am Dienstag wurde, wie berichtet, im Ruhrgebiet das Kohlekraftwerk Datteln 4 besetzt, das unter rechtlich recht zweifelhaften Umständen gebaut im Sommer in den Regelbetrieb gehen soll.

Den Strom will übrigens unter anderem die Deutsche Bahn abnehmen, die sich neuerdings so gerne ein grünes Image verschaffen möchte. Es geht immerhin, wie das Wochenmagazin Die Zeit erfahren hat, um ein rundes Viertel der von dem Unternehmen in ganz Deutschland benötigten elektrischen Energie.

In Zeiten von Kohleausstieg und Pariser Klimaübereinkunft erscheint das ein wenig aus der Zeit gefallen, und viele Menschen mögen sich damit nicht mehr so einfach abfinden. Die Handvoll Besetzer jedenfalls, die sich in der Nacht von Montag auf Dienstag in Datteln an Förderbänder und ähnliches gekettet hatten, sehen ihre Aktion als zivilen Ungehorsam, als gezielte friedliche Regelüberschreitung, die nicht nur protestieren will, sondern ein Zeichen größere Entschlossenheit setzt.