Was uns mit TISA noch blüht
Weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt, steckt in dem geplanten Vertrag weit mehr Sprengstoff als Chlorhähnchen bei TTIP
Die USA werden hinsichtlich der dort geltenden Arbeitnehmerrechte häufig mit dem Ausdruck "hire and fire" in Verbindung gebracht. Im Rahmen der zunehmenden Globalisierung hat man dieses investorenfreundliche System weiter ausgebaut.
Ausgehend von der Idee, dass in Indien ein schier unüberschaubares Heer an englisch sprechenden billigen Arbeitskräften zur Verfügung steht, hat man in der Vergangenheit in wachsendem Umfang Funktionen nach Südasien ausgelagert. Alles was nicht unbedingt eine Präsenz vor Ort zu benötigen schien, wurde nach Indien outgesourced. Darunter waren häufig Call Center und Helpdesks. Die Mitarbeiter in Indien mussten durch dieses System Nachtschichten einlegen, weil sie in einer anderen Zeitzone arbeiten, als die von ihnen betreuten Kunden.
Zu den Gewinnern dieser Entwicklung zählen Firmen wie Infosys, die mit ihrem kostengünstigen Angebot gewaltig wuchsen. Relativ bald hat sich jedoch gezeigt, dass die räumliche Distanz in der Praxis dann doch nicht so zielführend war. Und so wurden zuvor nach Indien ausgelagerte Bereiche wieder in die USA zurückverlagert. Die Arbeitsverträge liefen jedoch weiterhin über die gleichen Dienstleisterkonzerne, die zuvor die Arbeit in Indien erledigen ließen. Dazu gründeten die indischen Anbieter Niederlassungen in den USA oder übernahmen dort ansässige Unternehmen als Brückenkopf.
US-amerikanische Arbeitnehmer sahen diese Entwicklung durchaus mit Freude, boten sich doch neue Arbeitsplätze in Bereichen, die in den USA zuvor weitgehend ausgestorben waren. Zu den offensichtlich Glücklichen zählte auch Kelly Parker, die 2012 ihren vermeintlichen Traumjob im Harley-Davidson-Werk in Tomahawk, Wisconsin bekam. In ihrem Arbeitsvertrag stand allerdings nicht der bekannte Motorradhersteller, sondern der indischen Infosys-Konzern als Arbeitgeber.
Nach gerade einmal einem Jahr platzte der Traum. Parker wurde nicht weiter beschäftigt, nachdem sie ihren indischen Nachfolger Kapil K. eingearbeitet hatte. Infosys hatte ihren Arbeitsplatz kostengünstiger mit einem Inder besetzt, der als Zeitarbeitskraft mit einem H-1B-Arbeitsvisum eingereist war. Im Jahr 2013 war Infosys in den USA die Nummer 5 im Geschäft mit kostengünstigen Beschäftigten, die auf der Basis eines befristeten und bedingten H-1B-Visums arbeiten und fest an einen Arbeitsvertrag gebunden sind. Bei einem Jobverlust folgt der Verlust des Arbeitsvisums.
Nachdem Kelly Parker ihren Job verloren hatte, weil sie im Kostenwettbewerb gegen einen Zeitarbeiter aus Indien keine Chance hatte, schloss sie sich einer schon laufenden Klage in einem vergleichbaren Fall an. Der Vorwurf in diesen Fällen lautet: Diskriminierung amerikanischer Arbeitnehmer und Bevorzugung indischer Kontraktarbeiter. Teilweise wurden die amerikanischen Arbeitkräfte wohl auch dadurch ausgegrenzt, dass die in der jeweiligen Arbeitsgruppe beschäftigten Inder ihre Konversation in Hindi durchführten.
Das Vorgehen von Infosys scheint jedoch US-amerikanischem Recht zu entsprechen und hat sich inzwischen zu einem Geschäftsmodell entwickelt, das offensichtlich noch erfolgreicher ist, als die Verlagerung der Jobs nach Indien.
Was heute schon erfolgreich in den USA praktiziert wird, dürfte nach TISA auch in Europa um sich greifen
Nach den Details, die bislang aus den Verhandlungen zu den Geheimabkommen TISA durchgesickert sind, sollen Investoren grundsätzlich eigene Arbeitskräfte mitbringen dürfen, um die jeweiligen Dienstleistungen möglich kosteneffizient erbringen zu können. Was heute schon erfolgreich in den USA praktiziert wird, dürfte dann auch schnell in Europa um sich greifen. Zwar werden hierzulande wohl keine Inder zum Zuge kommen, weil Indien kein Vertragspartner bei TISA ist. Der TISA-Vertrag dürfte jedoch das Lohniveau so weit absenken, dass Unternehmen ohne Kontraktarbeiter (beispielsweise aus Staaten wie Peru) hierzulande kaum noch wettbewerbsfähig sind. Die Sprachbarriere muss sich nicht unbedingt als Hemmnis herausstellen - schon jetzt werden spanische Fachkräfte gerne angeworben.
Möglicherweise hat man sich in der Politik ja ein Vorbild am chinesischen Arbeitsmarkt mit seinen Wanderarbeitern genommen, die eine wichtige Basis des chinesischen Wirtschaftserfolgs waren. Wie die Ankündigung von Hon Hai zeigt, die in ihren Foxconn-Fabriken in Kürze Roboter einsetzen wollen, geht aber auch dieser Traum langsam zu Ende. Mit Verträgen wie TISA lässt sich diese Abwärtsspirale sicher noch beschleunigen.
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