Was will ein Atomlobbyist in einem Gremium für erneuerbare Energien?
Seite 2: Umfangreiche Atomenergieforschung am KIT
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Dr. Knebel betreut im KIT alle Maschinenbau-, Elektrotechnik- sowie alle Nuklearinstitute, insgesamt 32 an der Zahl. Also auch alle für die Energiewende-Forschung wichtigen technischen Institute.
Doch in seinen Verantwortungsbereich fallen mehrere höchst problematische Zuständigkeiten aus der Atomforschung, hier seien nur drei genannt.
1.
Framatome Nuklearschule FPS: Sie bietet spezielle Weiterbildungs-Lehrangebote im Bereich Nuklearwissenschaften an, sowie Projektarbeiten in Instituten des KIT zu Reaktorkonstruktion und neuartigen Atomkraftwerken (z.B. Leichtwasserreaktoren der IV. Generation).
Framatome ist weltweit für das Management von rund zwei Drittel aller kerntechnischen Anlagen verantwortlich und ist bei mehr als 380 Reaktoren im Einsatz.
Ferner arbeitet Framatome u.a. an sogenannten Kleinen Modularen Reaktoren (SMR), sowie an Flüssigsalzreaktoren (MSR).
2.
Flüssigsalzreaktoren: Sofern sie mit Thorium betrieben werden, kann durch die integrierte Wiederaufarbeitung das atomwaffenfähige Uran-233 abgezweigt werden, was nicht nur aus Proliferationsgründen ein hohes Sicherheitsrisiko darstellt.
Das KIT war zu diesen Reaktoren an den EU-Projekten SAMOFAR und SAMOSAFER beteiligt, die nun ausgelaufen sind. Allerdings soll es ein Nachfolgeprojekt unter dem Namen ENDURANCE geben, auch unter Beteiligung des KIT. Dies muss unbedingt verhindert werden.
3.
Chinesische Leitung: Das KIT-Institut für Angewandte Thermofluidik (IATF) arbeitet mit Prof. Cheng an der Spitze u.a. an folgenden Themen:
- Flüssigmetallgekühlte Brennelemente
- Kleine Modulare Reaktoren
- Beteiligung am internationalen Benchmark-Programm CANDU-TH-1: CANDU-Reaktoren ermöglichen durch ihre spezielle Bauweise eine relativ einfache Gewinnung von Waffenplutonium, da im laufenden Betrieb Brennstoff zugegeben und entnommen werden kann. Dieses und andere Merkmale machen den Reaktortyp besonders interessant für Schwellen- und Entwicklungsländer mit Atombombenwünschen und führen so zu einem erhöhten Risiko der Weiterverbreitung von Atomwaffen.
Nukleare Aktivitäten des KIT sind der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt
Auf der KIT-Homepage und in Pressemitteilungen werden die umfangreichen Atomenergieforschungsaktivitäten kaum erwähnt. Stattdessen wird derzeit vermehrt über kleinere Erneuerbare-Energien- und Nachhaltigkeitsprojekte berichtet, die zweifellos relevant und wichtig sind.
Dennoch entsteht der Eindruck, dass die erneuerbaren und andere Projekte als Alibi-Aktivitäten dienen, um die öffentliche Wahrnehmung zu verschleiern und die Atomforschung ungestört fortzusetzen.
Offensichtlich geht es am KIT darum, das Weiterbestehen der atomaren Infrastruktur zu sichern. Häufig werden auch Erneuerbare-Energien-Forschungen mit Nuklearforschung verbunden, beispielsweise bei der thermischen Solarenergie.
Kooperation mit Russland
Diese scheint am IATF-Institut nur insoweit interessant zu sein, wie damit Forschungsgelder für "neue nukleare und solarthermische Dampferzeugerkonzepte" eingeworben werden können. Selbst Workshops und studentische Austauschprogramme wirken mit dieser strategischen Kopplung unverfänglicher.
Das KIT wird bald einen neuen Präsidenten haben. Er sollte die Forschungsarbeiten des KIT zu den genannten Hochrisikotechnologien und insbesondere die Kooperation mit Framatom umgehend beenden.
Da Framatom trotz des Ukraine-Kriegs intensive Kooperationen mit Russland unterhält und diese sogar noch ausbauen will (s.u.), sind durch den möglichen und nicht zu kontrollierenden Wissenstransfer auch die Sicherheitsinteressen Deutschlands betroffen.
Deutsche Stromkonzerne haben kein Interesse mehr an der Atomenergie
Dabei zeigen die deutschen Stromkonzerne kein Interesse mehr an der Atomkraft. Der Chef des Stromkonzerns EnBW hat gerade erneut eine klare Absage an die von CDU/CSU/FDP/AFD geforderte Rückkehr zur Atomenergie erteilt.
Auch die anderen Konzerne haben stets betont, dass der Neubau oder Weiterbetrieb von Atomkraftwerken für sie keine Rolle mehr spielt.
Rosatom und Framatom treiben die Atomenergie in Deutschland voran
Im Gegensatz dazu treiben der russische Atomkonzern Rosatom, der große Einnahmen für die russische Kriegswirtschaft erwirtschaftet, zusammen mit dem französischen Atomkonzern Framatom ihre Atomaktivitäten auf deutschem Boden weiter voran. Atomkraftgegner:innen demonstrierten daher kürzlich vor dem Haupttor der Brennelemente-Fabrik in Lingen gegen den geplanten Ausbau der Atomanlage.
Vladimir Slivyak, Ko-Vorsitzender der russischen Umweltorganisation Ecodefense! und Träger des Alternativen Nobelpreises 2021, der genau um die Unterdrückung und die Kriegsaggression unter Putin weiß, warnte in der Pressemitteilung von ausgestrahlt am 17. Januar 2024:
Rosatom ist die rechte Hand des Kreml und versucht mit jeder Handlung, den Einfluss Putins zu vergrößern. Die Bundesregierung darf nicht zulassen, dass ein solcher Konzern Zugang zu einer Atomfabrik bekommt. Sie muss vielmehr alles dafür tun, dass jegliche Zusammenarbeit mit Rosatom unverzüglich unterbunden wird.
Niedersachsens grüner Energieminister Christian Meyer fordert daher eindeutig ein Ende der trotz des Ukraine-Kriegs weiterhin andauernden Atomgeschäfte mit Russland. "Geschäfte mit Putin sollten beendet werden, das gilt auch und gerade für den Atombereich" wird er in der Süddeutschen Zeitung zitiert.
Es wird bedeutsam sein, dass Christian Meyer sich erfolgreich durchsetzt. Angesichts des oft versteckten, aber dennoch weiter starken Lobbyismus der Atomwirtschaft in Politik, Medien, Forschung und Unternehmen in Deutschland sicherlich keine leichte Aufgabe.
Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group und Mitautor des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG). Von 1998 bis 2013 war er für die Grünen im Bundestag. Er hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen für sein Engagement erhalten. Fell ist Botschafter für 100 Prozent Erneuerbare Energien und Sprecher der Bürgerinitiative Bürger Solarfabrik.