Washingtons größte Militärparty

Die Rüstungswirtschaft sponsort den NATO-Gipfel mit

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Der NATO-Gipfel in der kommenden Woche ist die größte Veranstaltung, die Washington jemals erlebt hat. Staatsmänner, NATO-Botschafter, hochrangige Militärs und ihre Ehefrauen aus über 40 Nationen werden kommen, um den 50sten Geburtstag der Militärallianz zu feiern. Eigentlich sollte der Geburtstag und die Aufnahme der drei neuen Mitglieder zelebriert werden, aber dann kam der Krieg im Kosovo dazwischen. Nun müssen die Reden neu geschrieben werden und es wird nicht mehr "gefeiert", sondern nur noch der Gründung des Bündnisses "gedacht". Neben den offiziellen Feierlichkeiten arbeiten verschiedene Arbeitsgruppen an der Verabschiedung des neuen strategischen Verteidigungskonzeptes der NATO.

Für die Sicherheit der hochrangigen Staatsgäste sorgen in Washington gleich drei verschiedene Polizeibehörden: die Polizei von Washington, die Polizei des Kapitols und die bewaffnete Schutztruppe des Weißen Hauses. Das Gebiet rund um das Weiße Haus und den Tagungsort wird für den Verkehr gesperrt. Am Freitag, wenn die NATO-Delegationen kommen, dürfen über tausend Angestellte der Bundesbehörden, die in der Innenstadt arbeiten, ein Tag frei nehmen und zu Hause bleiben, damit der Verkehr nicht zusammen bricht.

Insgesamt werden Staatspräsidenten und Minister der 19 NATO-Staaten, die führenden Köpfe der 25 Staaten, die am NATO-Programm "Partnerschaft für den Frieden" teilnehmen, und ca. 1700 andere Staatsbedienstete einfliegen. Hinzukommen noch etwa 4000 Journalisten und Journalistinnen, um über die größte Geburtstagsparty einer Allianz zu berichten.

Da fragt man sich natürlich, wer das alles bezahlt, angefangen von den Lachshäppchen am Dinnerabend bis zum speziellen Gepäckservice, der die Koffer der Staatsgäste von den drei Flughäfen Washingtons an ihren Bestimmungsort befördern wird.

Die Antwort ist sehr einfach, denn neben den Repräsentanten der NATO-Staaten und den NATO-Militärs werden hochrangige Vertreter der amerikanischen Industrie im Speisesaal sitzen - und die haben tief in den Klingelbeutel gegriffen, um den Gipfel mit zu finanzieren.

Mit Koordinierung des Gipfels wurde ein NATO-Veranstaltungskomitee beauftragt. Das Komitee ist eine Non-Profit Organisation und unterstützt die US-Regierung in der Planung und Durchführung des NATO-Geburtstages. Die Hauptaufgabe der Organisation ist jedoch das Eintreiben von Geld- und Sachwerten, um den Gipfel zu finanzieren. In der Vergangenheit haben ähnliche Komitees den G-8 Gipfel in Denver 1997 und den Gipfel der Amerikanischen Staaten in Miami 1994 veranstaltet. Ziel des Komitees ist es, die anvisierten Kosten von 8 Mio. US-Dollar des NATO-Gipfels flüssig zu machen, die von privaten Spendern und Unternehmen kommen sollen. "Die Hälfte der Summe hat das Komitee schon innerhalb von zwei Monaten eingetrieben", erklärte der Vorsitzende und ehemalige US-Botschafter in Belgien Alan J. Blinken.

Ein Blick auf die Liste der Direktoren der Organisation zeigt, daß der restliche Betrag ebenfalls mühelos noch aufgebracht werden kann. Alle Direktoren des Veranstaltungskomitees kommen aus den Führungsetagen der größten amerikanischen Wirtschaftsunternehmen und Anwaltskanzleien. Ungefähr 250 000 Dollar in harter Währung haben Ford, Motorola, AMERITECH und andere Firmen lockergemacht, um einen Direktor im Komitee stellen zu dürfen, berichtete eine amerikanische Tageszeitung im Wirtschaftsteil. Die größten Sponsoren sind Firmen der Telekomunikationsbranche, die Mittel- und Osteuropa als Wachstumsmarkt und die NATO als Garant für Stabilität in dieser Region betrachten. Aber auch Firmen wie United Technologies Corp., die Aufzüge und Klimaanlagen herstellen, sind im Komitee vertreten und betreiben Lobbyarbeit während des NATO-Gipfels.

Etwas bedeckt, aber trotzdem präsent ist die amerikanische Rüstungsindustrie. Der größte amerikanische Rüstungskonzern Lockheed Martin/Boeing mit einem Umsatz von knapp 60 Mrd. Dollar ist ebenso in der zwölfköpfigen Direktorenrunde vertreten, wie der Raketenhersteller Raytheon Co., General Motors und Honeywell, die unter den ersten 10 der Rüstungsbranche rangieren. Lockheed Martin ist eine der Firmen, die schon im Vorfeld des Gipfels aktiv für den NATO-Beitritt der osteuropäischen Staaten geworben haben. Honeywell und General Motors stellen jeweils einen Direktor im Komitee. Auch der deutsch-amerikanische Multi DaimlerChrysler ist dabei und stellt den Vizedirektor. Insgesamt ist das Direktorium zur Hälfte mit Vertretern der Rüstungsindustrie und der Rüstungselektronik besetzt.

Andere Firmen wie der Elektronikhersteller 3Com, der die AWACS Flugzeuge der NATO ausgerüstet hat, tragen weniger öffentlich mit Spenden zum Gelingen der Geburtstagsfeier bei. Motorola versucht dagegen schon vor den Dinnergesprächen gezielt auf sich aufmerksam zu machen. Zusammen mit dem Telekommunikationsunternehmen NEXTEL stellt die Firma 2000 Mobiltelefone für die ausländischen Staatsgäste, deren Mitarbeiterstäbe und Angestellten des US-Außenministeriums bereit, berichtete die amerikanische Tageszeitung.

Die amerikanische Rüstungsindustrie, die sich auf Grund des schrumpfenden Rüstungsmarktes zu Hause zum Teil auf den Export umorientieren muß, wird auf der Veranstaltung versuchen, den neuen NATO-Mitgliedern Rüstungstechnologie zu verkaufen. Diese sind jedoch knapp bei Kasse. Das meiste Geld wird erst einmal in die militärische Infrastruktur investiert. Deshalb nutzten diese Woche die Vertreter der großen Waffenkonzerne den Kosovo-Konflikt und die Angst, daß der Vorrat an Cruise Missiles der Air Force ausgehen könnte, um bei den Mitgliedern des amerikanischen Kongresses für einen kurzfristigen Nachschlag zum Verteidigungshaushalt von 10 Mrd. Dollar zu werben. Unter anderem sollten mit der Finanzspritze neue Cruise Missiles beschafft werden und die steigenden Kosten der Luftangriffe abdecken.

In den kommenden Tagen werden auf dem Gipfel nicht nur das neue strategische Verteidigungskonzept verabschiedet, die drei neuen Mitglieder begrüßt und die Erstschlags-Debatte auf die Zeit nach dem Gipfel vertagt, sondern auch Wirtschaftsverträge in Millionenhöhe an Land gezogen und einige Rüstungsdeals abgeschlossen werden.

Olivier Minkwitz ist Redakteur und Mitherausgeber der antimilitarismus information (ami) in Berlin und arbeitet zur Zeit für den British American Security Information Council (BASIC) in Washington, DC.