Wasser im Nahen Osten: Ein leiser Konflikt
Fünf Jahre hat es im Nahen Osten nicht mehr ausgiebig geregnet. Der Streit ums Wasser verschärft die ohnehin angespannte Lage
Wasser im Nahen Osten wird knapp: Quellen versiegen, Trinkwasserreserven schrumpfen und der einst reißende Jordanfluss ist ein armseliges Bächlein. Darunter leiden vor allem palästinensische Bauern, denn Landwirtschaft im Westjordanland wird immer schwieriger. Doch auch in Israel wird die Wasserkrise sichtbarer.
Fünf Jahre hat es im Nahen Osten nicht mehr ausgiebig geregnet. Der Winterregen ist einfach ausgeblieben. Ob daran der Klimawandel schuld ist oder nicht, das kann derzeit noch niemand mit Sicherheit sagen. Klar ist: eine so lange Trockenperiode gab es in der Region schon lange nicht mehr und sie könnte die politisch ohnehin schwierige Lage noch verschärfen.
„Wasser ist in der Region ein leiser Konflikt“, erklärt der deutsche Hydrogeologe Clemens Messerschmidt, der seit 12 Jahren in Ramallah lebt. Doch darum nicht weniger explosiv: Seit Jahren verschärfe sich der Verteilungsstreit um das knapper werdende Nass. Laut aktuellem Amnesty-Bericht beansprucht Israel mehr als 80 Prozent der Wasservorräte unter dem Westjordanland für sich. Die israelische Wasserbehörde ist es auch, die bestimmt, wie viel an die Palästinenser ausgeteilt wird.
„Die Israelis haben sehr schnell begriffen, was in dieser Region am wertvollsten ist“, erklärt der Wasserexperte Messerschmidt, der eng mit der palästinensischen Wasserbehörde zusammenarbeitet, „Kein Wunder also, dass sie sich nach dem Krieg 1967 zuerst die Wasserhoheit in den besetzten Gebieten sicherten“. Dazu gehörten die oberen Zuflüsse des Jordans in den Golanhöhen sowie die unterhalb der Westbank liegenden Trinkwasservorkommen. „Als erste Amtshandlung führten sie das Permit-System ein: Danach müssen alle Palästinenser Anträge stellen, wenn sie auch nur eine Schraube für eine Wasserleitung haben wollen“, so Messerschmidt.
Eine Erlaubnis braucht man im Westjordanland in Sachen Wasser für alles: um Brunnen zu bohren, Zisternen zu bauen und Leitungen auszubessern. „Alle Anträge können ohne Begründung abgelehnt werden“, meint Messerschmidt. Die Chance, einen Brunnen genehmigt zu bekommen, sind sehr gering, das bestätigt auch die palästinensische Wasserbehörde.
Deren Chef Dr. Shaddat klagt: „Ich bin der Chef von virtuellem Wasser“. Er sei ausschließlich damit beschäftigt, das von den israelischen Behörden zugewiesene Wasser zu verteilen. „Palästinensische Bauern aus dem ganzen Land kommen hier nach Ramallah und bitten mich um mehr Wasser – doch ich kann ihnen einfach nicht helfen.“
Ungleichgewicht zwischen Besatzern und Besetzten wächst
Seit dem zweiten Vertrag von Oslo im Jahr 1995 hat Israel den Palästinensern zugesichert, ihnen pro Jahr eine bestimmte Menge an Wasser abzutreten und diese schrittweise noch zu erhöhen. „Das ist aber nie geschehen“, kommentiert der Hydrogeologe Messerschmidt, „statt dessen liegt die verfügbare Menge an Wasser nun unter der einst zugesicherten Menge des Oslo-Vertrages“. Problematisch ist vor allem, dass die palästinensische Bevölkerung stark zunimmt. Das führt dazu, dass das Ungleichgewicht zwischen Besatzern und Besetzten immer mehr zunimmt. Laut Amnesty-Bericht verbraucht ein Israeli durchschnittlich an die 300 Liter pro Tag, während einem Palästinenser gerade mal 70 Liter, in armen Regionen 20 Liter pro Person und Tag zur Verfügung stehen. Die israelische Wasserbehörde hatte die Zahlen von Amnesty allerdings abgestritten.
Die Folgen der israelischen Wasserpolitik vor Ort sind allerdings offensichtlich: In der gesamten Westbank sieht man kaum grüne Flecken oder gar Gewächshäuser, die auf Landwirtschaft hindeuten. Die Gegend ist kahl, bedeckt mit weißem Gestein und einigen verdorrten Olivenbäumen. Passiert man den Checkpoint und kommt ins israelische Kernland wechselt das Bild schlagartig: Rechts und links der Straße liegen Felder wie grüne Teppiche in der Landschaft, voluminöse Gewächshäuser, Dattel- und Bananenplantagen erstrecken sich, so weit das Auge reicht.
Rationierte Wassermengen bald auch in Israel?
Doch auch in Israel fängt man nun an zu sparen. Und das zuerst bei den Bauern. Denn die israelische Landwirtschaft macht nur rund drei Prozent des nationalen Einkommens aus. Der See Genezareth, Israels größtes Trinkwasserreservoir, hat durch den fehlenden Winterregen immer weniger Wasser. Oberhalb des Sees, in den Golanhöhen, durch die zahlreiche Zuflüsse des Jordans verlaufen, klagen die Einwohner über versiegende Quellen und staatlich rationierte Wassermengen. Farmer berichten, dass die subventionierten Wasserpreise gedeckelt werden sollen.
Moshav Rehov, der Kräuter anbaut, meint, er zahle derzeit einen Schekel, rund zwei Cent pro Kubikmeter Wasser. Die Regierung hätte aber schon angedroht, die Preise bald zu verzehnfachen. „Dann haben wir keine Chance zu überleben“, meint der Farmer, der auf besonders wasserintensive Gewächshausproduktion setzt. Palästinenser zahlen hingegen für ihr Leitungswasser schon heute durchschnittlich fünf Schekel pro Kubikmeter.
Westjordanland: Gekappte Leitungen und versiegende Brunnen
Dadurch, dass die palästinensischen Bauern keine neuen Brunnen bohren dürfen und auf die Wasserzuteilung angewiesen sind, ist die Abhängigkeit von natürlichen Quellen groß. Besonders hart trifft es abgelegene Gebiete, die nicht an das Leitungssystem angeschlossen sind. Ein Beispiel ist das einst fruchtbare Jordantal. Dort gab es laut den Einheimischen noch vor der jüdischen Besetzung unzählige Felder, auf denen Obst, Gemüse und Kräuter angebaut wurden. Doch damit ist schon lange Schluss.
Eine der ersten Handlungen der israelischen Armee nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 sei die Kappung der Wasserpipelines vom Jordan zu den Feldern gewesen, erklärt der palästinensische Wasseringenieur Nader Al-Khateeb. Derzeit werde nur noch ein Bruchteil der ehemals bewässerten Flächen bewirtschaftet. Der Jordan liegt heute in der Westbank in einer mit Minen und Stacheldraht gesicherten militärischen Zone. Sein Wasser ist aber nicht mehr als eine Kloake, da seine Zuflüsse so gut wie trocken sind und auch aus dem See Genezareth, durch den der Jordan fließt, Millionen Liter ins israelische Versorgungssystem abgepumpt werden. Eingeleitet werden vor allem Abwässer.
Durch die Dürre versiegen nun auch noch die natürlichen Quellen. So geschehen in der Gemeinde Ouja bei Jericho, unweit des Jordans. Die meisten Haushalte der Gegend sind nicht einmal an das Leitungssystem angeschlossen, so wie rund ein Drittel aller palästinensischen Dörfer. Vor dreißig Jahren wurde den Bauern der Zugang zum Jordan genommen. Nun versiegt auch die natürliche Al-Ouja-Quelle. Die Einwohner können nur noch hoffen, dass es irgendwann einmal regnet. Einzige Alternative ist, sich Tankwagen mit teurem Wasser kommen zu lassen. Der Kubikmeter kostet dann mehr als das Fünffache des durchschnittlichen Wasserpreises. Dafür müssen Palästinenser lange arbeiten – oft als Tagelöhner in israelischen Siedlungen, wie Al-Khateeb erzählt.
„Es trifft immer zuerst die Ärmsten einer Gesellschaft“, so Messerschmidt. In Ramallah dagegen, dem Regierungssitz der palästinensischen Autonomiebehörde, sei von der Wasserkrise nichts zu merken.
Ich lebe nun schon seit 12 Jahren in Ramallah und es kam immer Wasser aus dem Hahn.
Solange die herrschende Schicht das Problem nicht hautnah erlebe, werde sich auch nichts ändern – das sei in Palästina nicht anders als in jedem andern Land der Welt. Enttäuscht ist der Hydrologe aber vor allem von Europa: Die westlichen Entwicklungs-NGOs würden sich um die Auseinandersetzung mit Israel drücken. Der Zugang zu Wasser sei eines der drängensten Probleme Westjordanlandes aber auch des Gaza-Steifens. Hier gehe es nicht nur um die ökonomische Entwicklung des Landes, sondern oftmals um die nackte Existenz vieler Menschen.
Israelis und Palästinenser warten nun gleichsam mit Spannung auf den Winter. Sollte es wieder keinen großen Regen geben, könnte aus dem leisen Konflikt bald eine laute, sichtbare Auseinandersetzung werden.