Weihnachtsgeschenk Datenschutz
Im Kabinett wird heute ein auf dem Datenschutzgipfel im September vorbereiteter Gesetzentwurf verabschiedet
Die Rechte von Konsumenten und Betroffenen sollen durch das neue Gesetz gestärkt werden und die Weitergabe von persönlichen Daten eingeschränkt. Die Werbe- und Marketingbranche protestiert, das Wirtschaftsministerium wankt, doch die Zeichen stehen auf Privatsphäre.
Angesichts der jüngsten Missbrauchsfälle erscheint der Gesetzentwurf zum Datenschutz, der morgen im Kabinett verabschiedet werden soll, mehr als überfällig: 21 Millionen Kunden- und Bankdaten, die der Zeitschrift „Wirtschaftswoche“ im November zum Preis von 1,2 Millionen Euro angeboten worden waren, kursieren auf dem Schwarzmarkt zum freien Verkauf. Dies ist nur die Spitze des Eisberges. Darunter verbirgt sich ein völlig undurchsichtiges Meer von Kundenprofilen, Scoringprozessen und Leuten, die sie verhökern wollen. Das ganze Jahr 2008 stand im Zeichen des Datenmissbrauchs. Erinnert sei nur an die Telekom-Affäre im August. „Es gibt wöchentliche Datenschutzverstöße von ungeahntem Ausmaß“, sagt der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.
Den meisten Skeptikern ist seit langem klar, dass das enthemmte Sammeln von personenbezogenen Daten einmal zum GAU führen musste. Seit Jahren protokollieren viele Handelsunternehmen alle Einkaufszüge ihre Kunden sorgsam mit, lassen Konsumprofile erstellen und die Wahrscheinlichkeit einer Verschuldung hochrechnen. Und sie gehen, wie nun immer mehr ans Tageslicht kommt, äußerst fahrlässig mit den sensiblen Daten um, verkaufen sie weiter oder schützen sie nur unzulänglich. Selber Schuld, heißt es, wenn Verbraucher für jeden Bonuspunkt an der Kaufhauskasse gleich die Hosen runter lassen und besonders die virtuelle Welt, das Internet, nicht richtig ernst nehmen.
Neues Datenschutzgesetz
So stellt denn auch der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes gleich zu Anfang fest:
Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) in seiner derzeitigen Fassung trägt der gestiegenen und weiter steigenden Bedeutung von Auskunfteien in einer immer anonymer werdenden Geschäftswelt und ihrer Nutzung durch immer weitere Branchen nicht mehr ausreichend Rechnung. Problematisch ist insbesondere, dass aufgrund bestehender intransparenter Verfahrensweisen der Auskunfteien Betroffene häufig die sie betreffenden Entscheidungen ihrer (potentiellen) Geschäftspartner, der Auskunfteikunden, nicht oder nur schwer nachvollziehen können.
Im Änderungsentwurf insbesondere vorgesehen sind:
- Die Einschränkung des Handels und der Weitergabe von personenbezogenen Daten. Eine Einwilligung durch den Verbraucher muss per Opt-in-Häkchen erfolgen. Ausgeschlossen davon bleibt die Nutzung der Daten für eigene werbliche oder Marktforschungszwecke des Unternehmens.
- Die Erweiterung der Informations- und Auskunftsrechte von Verbrauchern, die künftig leichter Informationen über sie gespeicherte Daten einholen können sollen.
- Die Erhöhung des Bußgeldes für eine unbefugte Nutzung und Weitergabe personenbezogener Daten auf bis zu 300.000 Euro.
- Die Einführung EU-weiter Datenschutzgütesiegel, etwa für die Suchmaschine Ixquick, die IP-Adressen von Suchanfragen nach 48 Stunden löscht. (Google bewahrt seine Suchdaten neun Monate lang auf).
- Die Stärkung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten, der künftig auf Kosten der Firmen an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen darf. Auch seine Unabhängigkeit soll durch einen besonderen Kündigungsschutz gewährleistet sein.
- Die Informationspflicht von Unternehmen bei Datenverlusten gegenüber den Aufsichtsbehörden.
Mangelnde politische Aufklärungsbereitschaft
Noch am Montag hatte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf einer Veranstaltung in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften härteres Vorgehen gegen den illegalen Datenhandel bekundet und die jüngsten Vorkommnisse als „klare Verstöße gegen geltendes Recht“ bezeichnet. „Der Staat muss versuchen, die Menschen vor kriminellen Machenschaften zu schützen.“
Aus Schäubles Mund klingt das allerdings schnell so, als wolle er die Menschen vor allem vor sich selbst schützen. Da liegt der Ruf nach weiteren Zugriffsmöglichkeiten auf die Privatsphäre, der allenthalben aus seinem Ministerium ertönt, nicht fern.
Indessen hängt die mangelnde Souveränität vieler Verbraucher im Umgang mit den eigenen Personendaten vornehmlich mit unzulänglicher Aufklärung zusammen. Und mit der mangelnden Bereitschaft einer Politik, die unentschlossen zwischen dem Schutz der Bürger einerseits und wirtschaftlicher Protektion andererseits schwankt. Immer wieder gibt es Zoff zwischen dem Innen- und dem Wirtschaftsministerium. Antichambriert die Werbeindustrie bei Wirtschaftsminister Glos (CDU), vergehen Monate, bis der Datenschutz erneut Fahrt aufnimmt. Dies kritisiert auch Sebastian Ebathy (SPD), Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag: „Erst war Glos dafür, den Handel mit persönlichen Daten zu verbieten, nun ist er nach Protesten aus der Wirtschaft der größte Gegner von Beschränkungen", sagte Ebathy der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Die meisten Verbraucher werden im Unklaren darüber gelassen, was mit ihren persönlichen Daten passiert und welche Prozesse im Backend von Unternehmen geschehen, deren Kundenkarten sie in der Brieftasche tragen. Notwendig erscheinen nicht nur umfassende Aufklärung und Transparenz, sondern eben auch eine staatliche Regulierung, die den Missbrauch effektiv unterbindet. Die aktuellen Änderungen im Datenschutzgesetz sind ein Anfang. Solange aber eine solche Regulierung jedes Mal als Innovationshemmschuh der Wirtschaft betrachtet wird, solange wird es weiter zu Datenmissbrauch im großen Maßstab kommen, dem die Politik reaktiv hinterherhinkt.