Weißrussland: Verfassungsreform vs. Lukaschenko-muss-weg

Maria Kolesnikowa. Foto: Бобруйский Курьер. Lizenz: CC BY 3.0

Viktor Babiriko und Maria Kolesnikowa wollen an einer Verfassungsreform mitarbeiten, Swetlana Tichanowskaja und Veronika Zepkalo halten das für falsch

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Viktor Babiriko, der im Juni wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung und der Geldwäsche festgenommene ehemalige Vorstandsvorsitzende der weißrussischen Gazprom-Tochter Belgazprombank, hat am Montag in einer Videobotschaft die Gründung einer neuen Partei bekannt gegeben, die er "Wmestje" ("Gemeinsam") nennt. "Hauptaufgabe" des in westlichen Medien meist mit Bildern seiner deutlich fotogeneren Stabschefin Maria Kolesnikowa präsentierten Projekts ist seinen Angaben nach die von Präsident Lukaschenko nach Protesten und Streikdrohungen zugestandene Verfassungsreform.

Swetlana Tichanowskaja und Valery Tsepkalo, die Vertreter der beiden anderen Teile des wichtigsten Oppositionsbündnisses bei der Wahl im August (vgl. Weißrussland vor der Wahl), halten das für verkehrt. Tichanowskaja, die sich nach der Wahl nach Litauen absetzte, teilte via Telegram mit, "indem er über eine unklare Verfassungsreform innerhalb einer nicht festgelegten Zeit redet" versuche Lukaschenko lediglich "seinen Abgang hinauszuzögern". Tsepkalo meinte im selben Sozialen Netzwerk, man dürfe sich "auf keinen Fall überreden lassen, ein Referendum über die Verfassung abzuhalten", sondern müsse sich stattdessen auf die "Entfernung Lukaschenkos" konzentrieren.

Tsepkalo soll sich inzwischen in Polen aufhalten. Im Juli war er erst nach Moskau ausgereist. Dort zeigte sich der russische Außenminister Sergej Lawrow gestern bei einem Vortrag am Moskauer Staatsinstitut für internationale Beziehungen zufrieden mit Lukaschenkos Vorschlag einer Verfassungsreform: "Nach unserer allgemeinen Einschätzung", so Lawrow in einer ungewöhnlich gestelzt wirkenden Formulierung, "ist dies die Form, in der es durchaus möglich ist, einen Dialog mit der Zivilgesellschaft zu organisieren, und die es ermöglichen sollte, alle Fragen zu erörtern, die den einen oder anderen Teil der weißrussischen Bürger betreffen".

Wiederannäherung

Mit den Protesten nach der Wahl scheint sich das vorher gespannte Verhältnis Lukaschenkos zu Russland wieder verbessert zu haben. Während einer Sitzung des Sicherheitsrats las der weißrussische Präsident aus einem angeblichen Reformpapier Tichanowskajas Forderungen wie die strafrechtliche Verfolgung der Beleidigung der weißrussischen Sprache, die Einführung von Kontrollen an der Grenze zu Russland, den Austausch russischer Fernsehsender durch ukrainische und baltische, den Austritt aus allen Bündnissen die Russland "dominiert" und den Eintritt in die EU und die NATO vor. Von Seiten Tichanowskajas hieß es darauf hin, der auf der Website reformby.com veröffentlichte Text von Alexei Janukewitsch, aus dem Lukaschenko zitierte, sei nicht Teil des Programms der Kandidatin. Allerdings arbeitet sie mit Janukewitsch und dessen nationalistischer Partija BNF zusammen.

Außerdem kündigte Lukaschenko einen baldigen Besuch in Moskau an, wo er mit Wladimir Putin über die Auslandsschulden seines Landes sprechen will. Die könnten sich mehren, wenn die USA und die EU die Sanktionen über die derzeit spekuliert wird tatsächlich verhängen. Babirikos Vorzeigefrau Kolesnikowa hat sich bereits gegen solche Sanktionen ausgesprochen. Der Welt am Sonntag sagte die Flötistin, die zwölf Jahre lang in Deutschland lebte, solche Strafen würden vor allem die einfachen Leute in Weißrussland treffen. Und selbst dann, wenn man sie nur gegen "bestimmte Politiker und Regierungsvertreter" verhängt, würden sie die "Chancen der EU, aber auch die Chancen der Opposition in Weißrussland auf einen Dialog verschlechtern". Die Verträge mit Russland stellt die 38-Jährige - anders als Janukewitsch - explizit nicht infrage.

Verhängt Brüssel demnächst Sanktionen gegen Minsk, wären das nicht die ersten. Tatsächlich versucht man damit bereits seit den Nullerjahren, politischen Druck auszuüben. Als Lukaschenko sich im Streit um Öl und andere Wirtschaftsfragen von Moskau entfernte (vgl. Ölstreit zwischen Russland und Weißrussland) hob man sie wieder auf und lockte den Langzeitpräsidenten mit einem Abkommen über eine erleichterte Visavergabe, das am 1. Juli in Kraft trat. Für den Fall, dass die EU nun erneut Sanktionen verhängt, hat Lukaschenko bereits Gegensanktionen angekündigt: Eine Sperrung des Luftraums für Flugzeuge aus der EU und ein Ende des Transitverkehrs von Lastkraftwagen und Güterzügen durch sein Land.

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