Weiter Ärger mit Atomkraft
Seite 2: Anteil der Atomkraft am weltweiten Strommix sinkt Jahr für Jahr
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Weltweit befindet sich die Atomkraft auf dem absteigenden Ast. Erstmals seit etwa 40 Jahren ist der Anteil der Atomkraft an der weltweiten Stromerzeugung sogar wieder einstellig und auf 9,8 Prozent gefallen.
Im neuen World Nuclear Industry Status Report (WNISR) wird herausgearbeitet, dass das nur noch gut die Hälfte des historischen Höchststands von 1996 sind, als über Kernspaltung weltweit noch 17,5 Prozent des Stroms erzeugt wurde.
Der Anteil von Windenergie und Photovoltaik stieg inzwischen dagegen auf über zehn Prozent. Solarthermie, Kleinwasserkraftwerke und Biogasanlagen sind dabei nicht einmal mit eingerechnet.
Der WNISR ist ein Referenzwerk, das seit 2007 jährlich umfangreiche Informationen zusammenstellt, in diesem Jahr auf 385 Seiten. Von der weltweiten "Renaissance der Kernenergie" findet sich weiter keine Spur. Der Anteil der Atomkraft am Strommix sinkt Jahr für Jahr. Die weltweite Erzeugung von Strom lag im vergangenen Jahr laut dem Bericht mit 2653 Milliarden Kilowattstunden knapp unter dem historischen Höchstwert von 2006.
Die Zahl der betriebsbereiten Atom-Reaktoren ist von 415 um vier auf 411 Reaktoren gesunken. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEO zählt anders und weist noch 426 laufende Reaktoren aus. Sie zählt auch solche dazu, die schon seit Jahren keinen Strom mehr erzeugt haben.
In den 194 Staaten weltweit werden lediglich in 33 Staaten Atomkraftwerke betrieben. In Europa kommt die Mehrheit der Staaten ohne Atomstrom aus in der EU 14 von 27 und zum Jahresende sollten es mit Deutschland 15 sein.
China kompensiert beim Atomstrom den insgesamten Rückgang. Während 2021 sechs Meiler weltweit neu ans Netz gingen, drei davon in China, wurden acht Reaktoren abgeschaltet. Da der Atompark wie in Frankreich altersschwach ist, hätten es eigentlich viel mehr sein müssen.
Doch auch im Reich der Mitte werden Windkraft und Photovoltaik gemessen an der jährlichen Stromerzeugung längst deutlich intensiver ausgebaut. Für den in Frankreich lebenden Atomexperten Mycle Schneider, Herausgeber des Berichts, der von einem internationalen Expertenteam erarbeitet wird, hat man es längst mit einer "Mythenbildung" zu tun.
Kurioserweise hat diese Mythenbildung aber gerade in den letzten zwei, drei Jahren überhandgenommen. Ich arbeite seit über 40 Jahren an diesem Thema. Es ist wirklich verblüffend, wie tief und breit der Graben geworden ist zwischen der Wahrnehmung des Atomsektors und der Realität.
Mycle Schneider
Eine Scheindebatte nennt er zum Beispiel die oben angeführte Diskussion über die Verlängerung des AKW-Betriebs in Deutschland. Es gehe um "ein paar Kilowattstunden zusätzlich" im Winter.
Mehr sei nicht möglich, weil der Kernbrennstoff fehlt. "In diesem Bereich sind wir übrigens auch stark abhängig von Russland, worauf die Befürworter der Verlängerung erstaunlicherweise nie hinweisen", erklärt Schneider.
Der Experte hob bei der Vorstellung die Vorgänge in Frankreich hervor, die auch für Deutschlands Stromwirtschaft von großer Bedeutung sind. Derzeit exportiere Deutschland per Saldo nun Strom nach Frankreich. In Frankreich wird die Atomstromerzeugung in der Jahressumme 2022 gegenüber dem Vorjahr um 60 bis 80 TWh einbrechen.
So habe der französische Winter für Deutschland eine enorme Bedeutung. Da viele Häuser mit Strom beheizt werden, steigt mit jedem Grad, um das es in Frankreich kälter wird, der Stromverbrauch im Land um 2,4 Gigawatt an. Das ist die Leistung von zwei Atomkraftwerke, die es nicht gibt. Ob die Stromlücke von den Nachbarn aufgefangen werden können, ist unklar.
Deshalb ist aber klar, warum Macron sich nicht für Gasverbindungen sondern für neue Stromtrassen einsetzt, er weiß, dass die Lage sich in den nächsten Jahren weiter zuspitzen wird.
Alles hängt vom Winter ab, umso kälter es wird, umso höher steigt die Gefahr, dass das französische Netz kollabiert.