Welche Islamkonferenz hätten Sie gern?

"Deutscher Islam" in der Moschee im Schwetzinger Schlossgarten, Ende 18.Jahrhundert. Bild: lapping/CC0

Noch hat Horst Seehofers Islamkonferenz nicht begonnen. Doch der mediale Kampf um die Deutungshoheit ist schon im vollen Gange

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Forum für öffentliche Schlagabtausche oder pragmatisches Arbeitstreffen? Der Weg zu einem "deutschen Islam" oder in ein islamfreundlicheres Deutschland? Wenn kommende Woche die Deutsche Islamkonferenz (DIK) in ihre vierte Runde geht, ist Zündstoff garantiert.

Das liegt nicht nur daran, dass das Forum mit Heimatminister Horst Seehofer ihren bisher am stärksten polarisierenden Gastgeber haben wird. Das zeigt sich auch daran, wie kontrovers Politiker, die muslimische Community und der Rest der Gesellschaft die Modalitäten der Konferenz diskutieren. Vor allem zwei Fragen sind es, an denen sich die Gemüter erhitzen: Wer mit wem und worüber?

Den Startschuss für die mediale Debatte lieferte am 14. Juli dieses Jahres Horst Seehofers Staatssekretär Markus Kerber. Im Bild-Interview gab er das große Thema der Konferenz vor:

Und wenn es einen Islam geben soll, der zu Deutschland gehört, dann müssen die deutschen Muslime ihn als "deutschen Islam" definieren - und zwar auf dem Boden unserer Verfassung. Das wird die Aufgabe der nächsten Islamkonferenz sein.

Staatssekretär Markus Kerber

Auch den zweiten großen Aufreger setzte Kerber auf die Agenda der medialen Debatte: Die Frage, wer eigentlich berechtigt sein soll, an der DIK teilzunehmen, um dort die Interessen von Deutschlands rund 4,5 Millionen Muslimen zu vertreten. Im Interview mit der Bild-Zeitung sagt Kerber:

Wir müssen viel stärker als bisher, die Vielzahl der in Deutschland noch nicht organisierten muslimischen Mitbürger in das Zentrum unserer Islamkonferenz stellen. Denn: Viele Muslime in Deutschland suchen eine deutsch-muslimische Heimat und finden sie nicht.

Staatssekretär Markus Kerber

Danach gefragt, ob er dazu auch Islam-Kritiker zählt, lautete Kerbers Antwort:

Ja, wir werden wieder stärker Einzelpersonen einbeziehen - das umfasst sicher auch kritische muslimische Stimmen zum Islam.

Staatssekretär Markus Kerber

Von Grünen bis CSU sind sich fast alle einig

Überwiegend wohlwollende Reaktionen ernteten Kerber und Seehofer für ihre Pläne bei Politikern anderer Parteien. Vor allem bei der Forderung nach mehr Diversität ist man sich von Grünen bis CSU einig. Die Integrationsbeauftragte des Bundes Annette Widmann-Mauz (CDU) begrüßt beispielsweise mehr Vielfalt in der DIK. Wichtig sei, dass auch junge Muslime und Frauen eine Stimme erhielten.

Die Rolle der Verbände sieht auch ihre Parteikollegin Cemile Giousouf kritisch. Eine Zweiteilung in "konservative Verbandsvertreter und deren liberale Gegner" ist Giousouf aber zu vereinfachend. Giousouf, die als erste muslimische Politikerin für die CDU in den Bundestag einzog, gibt außerdem zu Bedenken, dass es nicht nur "einen deutschen Islam, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Prägungen" gebe.

Ähnlich sieht es SPD-Vizefraktionsvorsitzende Eva Högl. "Nach über zehn Jahren ist es richtig, über Struktur und Inhalt der Islamkonferenz nachzudenken", sagte Högl gegenüber dem Evangelischen Pressedienst. Es sei ebenso richtig, nicht nur Verbände, "sondern auch Einzelpersonen einzuladen, die die Vielfalt des Islam in Deutschland repräsentieren".

Auch bei den Grünen findet die Forderung Unterstützung. In einem Gastbeitrag für Die Welt betont der Grünen-Abgeordnete Cem Özdemir zwar, dass man die rechtliche Integration des Islam nur mit den Verbänden vorantreiben könne, mit Blick auf den viel diskutierten Islamverband Ditib machte er allerdings eine Einschränkung:

Die Islamkonferenz braucht aber auch die richtigen Mitglieder. Eine Lösung werden wir nicht gegen, sondern nur mit den Verbänden finden können - allerdings nur mit solchen, die glaubhaft auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Wenn sie als Außenstelle der türkischen Regierung agieren, disqualifizieren sie sich. Es ist außerdem unverzichtbar, dass unabhängige, auch liberale Muslime einbezogen werden.

Cem Özdemir

Zu den wenigen kritischen Stimmen im politischen Berlin gehört Filiz Polat. Die Obfrau der Grünen im Bundestags-Innenausschuss wirft dem Heimatminister vor, den bereits in der Vergangenheit geführten Streit um die Besetzung der Islamkonferenz wieder aufzuwärmen. Gegenüber der Frankfurter Rundschau fordert Polat die Rückkehr zum Pragmatismus vergangener Tage und den Fokus auf Themen wie Imam-Ausbildung und der Anerkennung islamischer Religionsgemeinschaften.

Nordkorea oder Mittelalter?

Wesentlich vielfältiger sind die Meinungen, die Journalisten zur Neuauflage der Islamkonferenz zu Papier gebracht haben. Das eine Extrem im journalistischen Meinungsspektrum dürfte Armin Käfer abgedeckt haben. Unter der Überschrift "Gebote für den deutschen Islam" fragt er, wozu wir überhaupt eine Islamkonferenz brauchen.

Zwar gehörten viele der fünf Millionen Muslime allein schon wegen ihres Passes zu Deutschland, bevor es auch der Islam tue, sei es aber noch ein weiter Weg. Käfer schreibt:

Islamgläubige, die zu Deutschland gehören wollen, müssen anerkennen, dass Religion Privatsache ist und in gesellschaftlichen Fragen keine herausgehobene Autorität genießt. Sie müssen akzeptieren, dass Religionsfreiheit auch das Recht einschließt, religiöse Ansichten abzulehnen, sie zu kritisieren, womöglich gar zu verspotten. Sie müssen Normen überdenken, die dem orientalischen Mittelalter verhaftet bleiben. Sie müssen lernen, was Toleranz im 21. Jahrhundert bedeutet.

Armin Käfer

Auch dafür, welche Themen bei der Islamkonferenz auf der Agenda stehen müssten, hat Armin Käfer konkrete Vorstellungen und zählt neben Burkini und Kopftüchern u.a. "patriarchale Familienstrukturen, Kinderehen, Polygamie, Extremismus, muslimischer Antisemitismus" auf. Ziel müsse es sein, dass sich die Islamkonferenz selbst überflüssig mache.

Am anderen Ende des Spektrums hält Benjamin Leven die Veranstaltung bereits jetzt für überflüssig. In seinem Kommentar für katholisch.de schreibt er, dass der Staat zwar ein Interesse an der Verfassungstreue von Religionsgemeinschaften haben dürfe. Darüber hinaus gehöre es aber zur Religionsfreiheit, dass Religionen selbst über ihre Identität befinden:

Man stelle sich vor, die Regierung berufe von ihr ausgewählte Personen - darunter Vertreter der Giordano-Bruno-Stiftung - in ein Gremium, das die Aufgabe habe, ein ,deutsches Christentum, zu definieren. Man könnte sich auch an die Forderung der kommunistischen Führung Chinas erinnert fühlen, die Religionen müssten sich ,sinisieren,, also chinesisch werden.

Benjamin Leven

Auf die Suche nach einer Synthese zwischen den unterschiedlichen Standpunkten begibt sich Martin Benninghoff. Für den FAZ-Redakteur müssen sich die Beteiligten entscheiden, ob sie eine Islamkonferenz mit "Krawall oder Sachlichkeit" wollten. Die Einladung kritischer Einzelpersonen...

(...) könnte der Konferenz wieder die Aufmerksamkeit bescheren, die ihr wenig glamouröse Sachthemen wie die islamische Wohlfahrtspflege zuletzt sicher nicht bieten konnten. Andererseits birgt das die Gefahr, dass aus dem Sachtreffen wieder die alte Zeter- und Mordioveranstaltung wird, wie zu Zeiten der Innenminister Schäuble und Friedrich.

Martin Benninghoff

Zwischen von Islamkritikern inszenierten Krawall der Anfangstage und der Sachthemen-Konzentration der vergangenen Jahre schlägt Benninghoff einen dritten Weg vor:

Will man aber, dass die Islamkonferenz gesellschaftlich und politisch wieder relevant wird, dann braucht es wirksame Horizonterweiterungen, die den konservativen Islamverbänden etwas entgegenzusetzen haben, ohne die Sachthemenarbeit zu gefährden.

Martin Benninghoff