Welt ohne Geld, Ampeln und Moral

Seite 2: Was passiert, wenn es passiert?

Apagón ist im Prinzip eine coole Serie. Sie spekuliert darüber, was passiert dann, wenn es passiert? Im Fall eines Strom-Totalausfalls gibt es keine Geldautomaten mehr, keine Cash-Maschinen, aber man braucht auch kein Geld mehr. Finanzoperationen verschwinden. Keine Ampel mehr, allein deswegen schon ein Verkehrschaos.

Das Telefonnetz bricht zusammen. Das Internet. Alle Kraftwerke, alle Maschinen. Eine schnelle Panik bricht aus – zu Recht! Denn "es wird Jahre dauern" bis die alte Wirklichkeit zurückkehrt, sagt eine Figur hier sehr früh.

Bild: ©Emilio Pereda / Moviestar+

Im Katastrophenschutzzentrum könnte alles auch weitergehen. In der zweiten Episode spielt dann aber die Serie mit neuen Figuren in einem Krankenhaus, wo die Triage bald ab dem 60. Lebensjahr beginnt. Benzin gibt es genug, aber Batterien sind knapp, Gasflaschen. Ohne Strom gibt es auch keine Müllabfuhr mehr, keine Pension.

Zwischendurch heißt es mal, Marokko habe Energie, aber man komme nicht hinein. Es gibt keine Einreisegenehmigung. Mehr und mehr zerfällt die Zivilisation. In der dritten Folge sieht man, wie Kinder ohne Eltern in den Monaten danach überleben – kleine räuberische Zombies, auf die die Gesellschaft mit militanten Selbstschutzbünden und Gewalt reagiert.

Gewalt spielt auch im vierten Teil eine Rolle: Alberto Rodriguez erzählt von einem Ziegenhirten, der seine Ziege gegen Hungernde verteidigt, die zu aller Gewalt bereit sind. Es kommt zu einem Shootout in einem Ski-Resort, mit guten klaren Genremomenten.

Isaki Lacuesta erzählt im letzten Teil von einer bürgerlichen Frau, die aus der Begegnung mit den einfachen Leuten und Flüchtlingen Lektionen fürs Leben lernt. Beim Zusammenleben gibt es keinerlei Probleme zwischen den Kulturen, keiner ist böse, sondern alles eher ein kleines Paradies, eine Idylle. Die Moral dieser Utopie lautet: Besser Bauer sein als Katastrophenschützer. Seine Episode ist ein Film voller niedlicher Zivilisationsfeindschaft.

Insgesamt wird die Serie immer langsamer und "normaler", sie wird auch intimer. Die Leute haben Angst vor allem. Man hat Angst vor Ruhe, Angst vor Fremden, Angst vor Infektionen. Alles wird archaischer. Eine unausgesprochene Aussage dieser Serie lautet: Alle brauchen Führung.

In gewissen Sinn ist diese Serie auch ein Tribut an diejenigen, die öffentlich für Katastrophenschutz verantwortlich sind. Ohne die Institutionen, so wird nahegelegt, würde die Gesellschaft nicht funktionieren und die Menschheit in Barbarei versinken. Viele Erfahrungen während der zurückliegenden Pandemie sprechen tatsächlich für diesen Befund.

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