Wenig Zuckerbrot und viel Peitsche

Schweizer Polizeibehörden legen Forderungskatalog für den Umgang mit Globalisierungsgegnern vor

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In die Diskussion über polizeiliche Maßnahmen gegen die sogenannten Globalisierungsgegner mischen sich nun auch Schweizerischen Polizeibehörden ein. Der für den Bereich präventiver Staatsschutz zuständige "Dienst für Analyse und Prävention" hat gestern eine Lageeinschätzung samt Forderungskatalog vorgelegt.

"Mit den zur Verfügung stehenden Maßnahmen und Mitteln ist eine ausreichende Beobachtung der teilweise konspirativ organisierten gewaltbereiten Gruppen kaum möglich. Die aktuelle Gesetzgebung schränkt die Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden ein, rechtzeitig präventiv auf die Entwicklung zur Gewalt einwirken zu können." Mit solchen und ähnlichen Aussagen verlangen die Schweizer Polizeibehörden eine Ausweitung ihrer Kompetenzen im Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen Protestaktionen der Globalisierungsgegner. Der gestern präsentierte Bericht "Das Gewaltpotential in der Antiglobalisierungsbewegung" hat eine deutliche Stoßrichtung, wie schon der Titel unschwer erkennen lässt.

"Umschlag des Polizeiberichts mit Aufnahmen der Demonstrationen gegen das WEF in Davos"

Rechtzeitig vor den zu erwarteten Aktionen gegen das Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums in Davos legen die Staatsschützer ihren Forderungskatalog noch einmal offen auf den Tisch. Obwohl der Bericht schon vor den Ereignissen in Genua anlässlich der G8-Konferenz von der Schweizer Landesregierung in Auftrag gegeben wurde, hätten die Aussagen ihre Gültigkeit behalten, heißt es bei den Autoren im Bundesamt für Polizei .

Neben Erklärungsversuchen über Herkunft, Strategie und Ziele der Globalisierungsgegner, geht es der Polizeibehörde in erster Linie darum, neu entstandene Bedürfnisse zukünftigen polizeilichen Handelns in eine stringente Argumentation einzubetten. Friedfertige Kritiker der wirtschaftlichen Globalisierung, aber auch solche die Gewalt gut heißen, selbst aber nicht gewalttätig sind, sollen ernst genommen und angehört werden. Stichwort: Dialog. Wer aber zur Gewalt aufruft oder solche anzuwenden bereit ist, soll ins Visier genommen werden. "Im Ereignisfall sollten den mit der Wahrung der Sicherheit beauftragten Organen griffige Mittel zur Verfügung gestellt werden, die ein effizientes, wenn möglich präventives Vorgehen gegen erkannte Unruhestifter ermöglichen. Dazu gehören auch präventive Maßnahmen gegen in verschiedener Form publik gemachte Aufrufe zu Gewaltanwendung oder anderen Straftaten" Gemeint ist damit explizit auch das Vorgehen gegen Betreiber von Internet-Seiten.

"Wie sich die Schweizer Staatsschützer die Organisationsstruktur der Globaliserungsgegner vorstellen."

International gegen Antiglobal

Weiter wird einer intensiveren internationalen Zusammenarbeit "zwecks Austausch von Erkenntnissen und Informationen über Organisation und Aktivitäten gewalttätiger Globalisierungsgegner" das Wort geredet. Bereits heute ist das Weiterreichen von Daten aus dem Staatsschutz Informationssystem ISIS an ausländische Dienststellen gängige Praxis. Dies zeigt unter anderem die Antwort des eidgenössischen Datenschutzbeauftragten auf eine entsprechende Anfrage der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz. Solange die gesetzlichen Vorschriften gemäss dem Bundesgesetz über die Wahrung der inneren Sicherheit BWIS eingehalten sind, sieht selbst der Datenschützer keinen Anlass zur Kritik am Vorgehen der Polizeibehörden. So sei beispielsweise auch nichts einzuwenden gegen die Weitergabe von Daten, die während des vergangenen Winters anlässlich des World Economic Forums zusammengetragen wurden, an italienische Dienststellen, "sofern die gesetzlichen Schranken eingehalten werden." Gegenüber dem Datenschutzbeauftragten hat der Dienst für Analyse und Prävention keine Pflicht die getätigte Datenbearbeitung zu melden. Kritisch vermerkt der Datenschützer jedoch, dass die Position der betroffenen Personen gestärkt werden sollte, indem diese von Beginn an über die Beschaffung oder Weitergabe ihrer Daten informiert würden. Liest man die aktuelle Wunschliste der helvetischen Staatsschützer bleibt solcherlei Forderung nach Transparenz jedoch reines Wunschdenken.

Die Forderungen der Schweizer Polizeibehörden stoßen bei ihren EU-Kollegen auf fruchtbares Terrain. Aktive Maßnahmen gegen sogenannte Polit-Randalierer sind entweder aufgegleist oder bereits erfolgreich in der Praxis erprobt. So etwa die Einschränkung der Bewegungsfreiheit für mutmaßliche Gewalttäter anlässlich des WEF-Treffens in Salzburg Anfang Juli. Der Forderung nach konsequenterer präventiver Überwachung wird unter anderem mit dem SIRENE Informationssystem Rechnung getragen. In diesem Netzwerk können Grenzschutz- und Polizeibehörden eines Mitgliedstaates Fotos, Fingerabdrücke und andere Informationen von Verdächtigen anfordern, sobald sie das Territorium des Landes betreten. Auch die EU-Innenminister arbeiten mit Hochdruck an der Optimierung der Zusammenarbeit bei der Überwachung der internationalen Protestbewegung.

Obschon die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied in Sicherheitsfragen tendenziell einem Standortnachteil unterliegt, herrscht in der Frage der Überwachung der Antiglobalisierungsbewegung Einstimmigkeit mit den EU-Ländern. Die Umsetzung der gestern angekündigten Strategie in die Praxis wird nicht mehr lange auf sich Warten lassen. In genau fünf Monaten ist Davos ein weiteres Mal Schauplatz des Elitetreffens World Economic Forum - Protestierende und Polizei werden bis dahin noch einiges zu tun haben.