Weniger Öffentlichkeit für ZDF-Programmbeschwerden
Seite 2: "Abhilfe" ist ein Fehlereingeständnis
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- "Abhilfe" ist ein Fehlereingeständnis
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Hinter "Abhilfe" verbirgt sich, dass ZDF-Intendant Norbert Himmler Fehler im Filmbeitrag und auf der Website einräumen musste, während die verantwortliche Redaktion zuvor keinen Korrekturbedarf gesehen hatte.
Der neuen Berichtsform ist dies nicht zu entnehmen. Was das Publikum kritisiert hat und welche Kritik auch nach Ansicht des Intendanten zutreffend war, bleibt der Öffentlichkeit verborgen.
Es sei denn, sie setzt sich vor den Computer, während der Fernsehrat tagt, und verfolgt den Livestream, in dem eventuell der betreffende Fall angesprochen wird. Eine Aufzeichnung der Sitzungen wird hingegen nicht zur Verfügung gestellt.
Manche Eingabe bleibt unbeantwortet
Dem neuen statistischen Beschwerdebericht ist zu entnehmen, dass nicht alle Eingaben beantwortet werden. Von 268 Eingaben insgesamt werden 31 als Programmbeschwerden aufgefasst (zu denen der Intendant in drei Fällen "Fehler eingeräumt und diese korrigiert" hat), 207 als "sonstige Zuschriften" – und 30 als "Zuschriften ohne Antwort". Dazu heißt es im Bericht:
Zuschriften, die im Petitum unklar waren oder für die sich aufgrund der Wortwahl eine Beantwortung erübrigte, erhielten keine Antwort.
Beschwerdebericht zur Fernsehrats-Sitzung am 10. März 2023
Details zu den unbeantworteten Zuschriften nennt der Fernsehrat auf Anfrage nicht. Die Bitte um anonymisierte Beispiele, um die Einordnung als unklar oder ungebührlich nachvollziehen zu können, lehnte er ab.
Im Auftrag von Marlehn Thieme teilt Jan Holub, Leiter Geschäftsstelle Fernsehrat, dazu mit:
Zufällig herausgegriffene Zuschriften wären zum einen nicht repräsentativ, zum anderen wäre die zufällige Auswahl willkürlich und damit auch nicht aussagekräftig.
Auch die neue Form des Beschwerdeberichts sei noch eine freiwillige Transparenzmaßnahme des Fernsehrats, zu der er nicht verpflichtet sei. Der Staatsvertrag schreibt vor:
Die Zusammensetzung des Fernsehrates sowie seiner Ausschüsse nach Absatz 2 Satz 2 sind zu veröffentlichen. Die Tagesordnungen der Sitzungen des Fernsehrates und seiner Ausschüsse sind spätestens eine Woche vor den Sitzungen, die Anwesenheitslisten im Anschluss an die Sitzungen zu veröffentlichen. lm Anschluss an die Sitzungen des Fernsehrates sind Zusammenfassungen der wesentlichen Ergebnisse der Sitzungen des Fernsehrates sowie seiner vorberatenden Ausschüsse zu veröffentlichen. […]
Aus § 22 Abs. 6 ZDF-Staatsvertrag
Ratsmitglieder befragt
Fünf mutmaßlich für Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung stehende Mitglieder des Fernsehrats wurden um Stellungnahme zur neuen Form des Beschwerdeberichts gebeten, und zwar einmal als persönliches Mitglied, einmal als entsendende Organisation, die möglicherweise eine abweichende Position vertreten könnte, da die Ratsmitglieder als "Sachwalter der lnteressen der Allgemeinheit [...] an Weisungen nicht gebunden" sind (§ 19a Abs. 1 ZDF-Staatsvertrag).
Katrin Kroemer, für den Deutschen Journalisten-Verband (DJV) im Fernsehrat, hält die neue Form für ausreichend und transparent:
Zudem können sich Interessierte auch den Live-Stream der Fernsehrats-Sitzungen anschauen. Das ZDF geht damit sogar über die Erfordernisse des Medienstaatsvertrages hinaus und ist Vorreiter bei der Transparenz.
Für den DJV antwortet Pressesprecher der stellvertretende Pressesprecher Paul Eschenhagen:
Die neue Form des ZDF-Beschwerdeberichts ist nicht mehr ganz so ausführlich wie bisher. Das mag für den einen oder anderen schade sein, ist aber alles in allem unproblematisch, wie ja auch aus der Antwort von Frau Kroemer hervorgeht.
Cornelia Tausch, Vorstand der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, antwortet:
Vorgesehen ist eine Veröffentlichung der wesentlichen Ergebnisse der Sitzungen. Neben dem Ihnen vorliegenden schriftlichen Bericht, haben Sie im Livestream der Fernsehratssitzung sogar die Möglichkeit, mehr und teils sehr ausführlich über die in den Gremien behandelten Programmbeschwerden zu erfahren. In der Sitzung des Fernsehrats wird neben dem Gegenstand der Beschwerde auch der Beschlussvorschlag mit Erwägungen vorgetragen.
Zu herausragenden oder streitigen Beschwerden bzw. Beschlüssen können Sie überdies auch noch die Diskussionen im Fernsehrat selbst hierzu miterleben bzw. verfolgen. Die vergangene Sitzung war wieder ein gutes Beispiel hierfür.
Cornelia Tausch, Mitglied im ZDF-Fernsehrat
Alle Beschwerden abgewiesen
Laut öffentlichem Ergebnisprotokoll waren acht Programmbeschwerden zu beraten, wobei zur Sendung ZDF Magazin Royale vom 02.12.2022 fünf Beschwerden zusammengefasst wurden.
Für alle Eingaben hatte der zuständige Ausschuss Ablehnung empfohlen, der Fernsehrat folgte dem, in sechs Fällen einstimmig, in zwei Fällen mit jeweils sechs Gegenstimmen und zwei Enthaltungen.
Ver.di, zu der auch die Deutsche Journalistenunion (dju) gehört, konnte ihren Vertreter Frank Werneke in der vorgegebenen Zwei-Tages-Frist nicht erreichen, ebenso wie der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) seine Vertreterin Inken Boyens.
Die Vertreterin für den Bereich Internet, Laura-Kristine Krause, Geschäftsführerin More in Common Deutschland e.V., ließ die Presseanfrage unbeantwortet.
Dass der ZDF-Fernsehrat mit seinem Livestream-Angebot der Plenarsitzungen über das gesetzlich Verlangte hinausgeht, ist richtig – und sticht im Vergleich zu manch' anderen öffentlich-rechtlichen Sendern positiv hervor. Dass wenigstens die Themen der Programmbeschwerden nun aber nicht mehr nachzulesen sind, ist ein Rückschritt in der Transparenz.
Die Ministerpräsidenten wollen die Sender im vierten Medienänderungsstaatsvertrag im Sommer ohnehin zu mehr Transparenz verpflichten.
Viel mehr wäre aus Sicht der Öffentlichkeit zu fordern, die Eingaben vollständig öffentlich zu machen. Nur dann könnte das Publikum nachvollziehen, wieso praktisch jede Beschwerde abgewiesen wird – und ob der Fernsehrat damit korrekt das Interesse der Allgemeinheit vertritt.
Oder ob der Fernsehrat sich zu sehr selbst als ZDF sieht, anstatt als dessen Kontrollgremium. ZDF-Verwaltungsratsmitglied Leonhard Dobusch kritisierte jüngst im Zusammenhang mit Reformüberlegungen ein verbreitetes "Wir-Gefühl" im Fernsehrat.
Der aktuelle Umgang des Gremienbüros mit Presseanfragen ist nicht gerade geeignet, diesen Eindruck zu geringer Senderferne zu entkräften.