Wenigstens einer, der gut verdient

Aber was, wenn das die Frau ist?

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In meinem größeren Mittelklasse-Bekanntenkreis stellen sie die Minderheit: Gerade mal drei Männer zähle ich, die schlechter verdienen als ihre Frauen, allerdings weitaus schlechter, und einer, der gar nichts verdient - ein Hausmann, der seine Arbeit sehr ernst nimmt. Dieser eine Mann ist glücklich, die anderen nicht. Sie klagen nicht, sie reden nicht darüber, aber sie leiden.

Umso beredter sind dann die Streitigkeiten, welche die Beziehungen zermürben, seitenlange Briefe werden über einen Umzug geschrieben, in denen minutiös das großherrschaftliche Benehmen der Dame geschildert wird, während man sich selber beim Kistenschleppen zugrunde gerichtet habe; Telefonate nachts um zwei, in denen nach launigem, von Wein beschwingtem Anfang plötzlich nur mehr von der Karrieresucht der Frau die Rede ist, von der Abneigung gegen das Milieu, in dem sie jetzt verkehre, von der verlorenen Kompatibilität der Freundeskreise. Kurz, was man auch Glück nennen könnte – „wenigstens einer, der gut verdient“, – kulminiert bei diesen Männern schließlich in der Frage: ausharren oder fliehen.

Eine Untersuchung, die von der englischen Skipton Building Society, in Auftrag gegeben wurde, ließ nun auch die andere Seite zu Wort kommen: die besser verdienenden Frauen in einer Partnerschaft. Nach den Exzerpten, die der Daily Mail aus der Studie zitiert, sind auch viele Frauen mit den schlechter verdienenden Männern unzufrieden.

Building Societies sind Finanzierungsgesellschaften, die mit Banken konkurrieren, entsprechend des Hauptaugenmerks der Untersuchung: Eine von fünf Frauen ist nach dieser Studie der Hauptverdiener in der Partnerschaft, eine von sechs nimmt ihrem Mann übel, dass er nicht mehr Geld verdient und eine von zehn hat eine Abneigung gegen die finanzielle Verantwortung.

Demgegenüber fühlte sich einer von sieben Männern, die weniger als ihre Frauen verdienen, seiner Unabhängigkeit beraubt und einer von zehn hatte das ungute Gefühl, dass er immer seine Frau um Geld bitten muss.

20 Prozent dieser Paare haben Streit wegen der finanziellen Unausgeglichenheit, meistens wegen dem jeweiligen Anteil, der für den Haushalt bezahlt wird.Dem Partner würde dabei gerne vorgeworfen, dass er mit dem Geld in unverantwortlicher Weise umginge.

Dieses Ergebnis, so wie es die englische Tageszeitung präsentiert, mag mit Alltagsbeobachtungen übereinstimmen, erstaunlich ist aber, dass ein möglicher Umkehrschluss darin keine Erwähnung findet, nämlich dass demnach vier von fünf Frauen nicht Hauptverdiener sind, es fünf von sechs Frauen ihrem Mann nicht übel nehmen, dass er weniger verdient und neun von zehn keine Abneigung gegen finanzielle Verantwortung haben.

Die Frage ist auch, ob der Trend, der hier ausgegeben wird, wonach in gegenwärtigen Verhältnissen mehr und mehr Frauen ihre männlichen Partner gehaltsmäßig ausstechen ("In today's modern workplace women are increasingly out-earning their male partners."), nur ein „gefühlter“ ist oder empirisch nachweisbar?

In Deutschland hat das statistische Bundesamt zum internationalen Frauentag im März dieses Jahres Zahlen und Trends veröffentlicht, die zwar beobachten, dass es mehr Frauen in besser bezahlten Positionen gibt, diese aber gegenüber Männern in leitenden Positionen deutlich in der Minderheit sind. Ganz aktuelle Zahlen gebe es nicht, wie ein Mitarbeiter des Bundesamtes mit Verweis auf den Aufwand derartiger Untersuchungen beschied, aber an den grundlegenden Verhältnissen hat sich seiner Einschätzung nach nichts Entscheidendes verändert: Frauen verdienen durchschnittlich weniger als Männer, Einzelfälle natürlich ausgenommen.

Auch die neuesten Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit verraten in dieser Hinsicht keinen signifikanten Trend. Die Arbeitslosenzahl der Männer und Frauen halten sich in etwa die Waage, auch der sympathische Trend, der gestern gemeldet wurde, der Rückgang der Arbeitslosigkeit im Monat November, hat keine geschlechtsspezifischen Auffälligkeiten.

Arbeit und Zufriedenheit in Europa

Auf dem Rest des Kontinents sieht es nicht anders aus, wie eine Erhebung zu den Arbeitsbedingungen in Europa kürzlich feststellte:

Kaum verkleinert hat sich in den vergangenen Jahren die Schere bei den Einkommen von Männern und Frauen. Gut die Hälfte der berufstätigen Frauen muß sich mit dem unteren Drittel der Einkommensskala zufriedengeben.

Die Daily Mail verweist bei der Vorstellung der o.g. Studie auf das Kernergebnis einer soziologischen Studie der Universität Virginia, die vor einigen Monaten mit der Aussage, dass Paare mit einer traditionellen Rollenverteilung am glücklichsten sind, für einiges Aufsehen gesorgt hat. In der Untersuchung hieß es unter anderem, dass Frauen, die arbeiten unzufriedener mit ihren Ehemännern sind, als Frauen, die zuhause bleiben. Die Glücklichsten waren demnach jene Frauen, deren Männer für zwei Drittel des Einkommens sorgten, egal wie viel sie bei der Hausarbeit halfen.

Europäischen Männern scheint das jedoch nicht egal zu sein. Wie die Erhebung zu den Arbeitsbedingungen in Europa feststellte, leiden berufstätige Väter im Gegensatz zu den Müttern eher unter der "Frustration", ihrer "häuslichen Rolle" nicht gerecht zu werden, vor allem wenn sie länger arbeiten, um für das nötige Geld sorgen zu können.

Mehr als 40 Prozent der Befragten, die wöchentlich mehr als 45 Stunden berufstätig sind, zeigten sich unzufrieden. Hingegen äußerten sich 85 Prozent der Menschen, die im Regelfall weniger als 30 Stunden pro Woche arbeiten, zufrieden. Da diese Gruppe der Teilzeitbeschäftigten vor allem aus Frauen besteht, ist der Grad der Unzufriedenheit unter arbeitenden Vätern insgesamt höher:

Diese Tatsache sowie die sich verändernden gesellschaftlichen Erwartungen an die häusliche Rolle des Vaters und vielleicht die Frustration über ihre Unfähigkeit, diese Erwartungen zu erfüllen, könnten zu der relativ großen Unzufriedenheit arbeitender Väter beitragen.