Wenn Gotteshäuser die Gläubigen wechseln

"Die Agios-Titos-Kirche ist vom Bautyp her eine nach Mekka ausgerichtete Moschee." Foto: J.hagelüken/CC BY-SA 4.0

Kirche, Moschee oder doch Museum? Nicht nur die Hagia Sophia blickt auf eine wechselhafte Geschichte zurück. Europa ist voll mit Gotteshäusern, die einmal für andere Gläubige vorgesehen waren

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Die Pläne der türkischen Regierung, die Istanbuler Hagia Sophia in eine Moschee umzuwandeln, hat in Europa viel Kritik ausgelöst: Papst Franziskus erklärte, er sei "schwer getroffen" von der türkischen Entscheidung. Griechenlands Präsidentin Katerina Sakellaropoulou sprach von einem "zutiefst provokanten Akt gegen die internationale Gemeinschaft". Und in Deutschland deutete der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde, Ali Ertan Toprak, die Umwidmung des einst christlichen Gotteshauses sogar als "Kriegserklärung an den Westen".

Auch wenn die Größe der Empörung im Fall der Hagia Sophia wohl einmalig ist, die Umwidmung von Gotteshäusern ist es nicht: Mal als Mittel die einen Gläubigen zu verdrängen oder den anderen mehr Platz zu verschaffen. Mal geht es um Macht- und Symbolpolitik, ein andermal schlicht darum, ein Gebäude vor dem Verfall zu retten.

Die Reconquista machte Moscheen und Synagogen zu Kirchen

Der neben der Hagia Sophia wahrscheinlich berühmteste Fall dieser Art ist die "Mezquita-Catedral de Córdoba". Deren ungewöhnliche Bezeichnung "Moscheekathedrale" deutet schon auf ihre wechselhafte Geschichte hin. Im 9. Jahrhundert als Moschee gebaut wurde das Gebäude nach Vertreibung der muslimischen und jüdischen Bevölkerung von der Iberischen Halbinsel im 13. Jahrhundert zur katholischen Kirche umgewidmet.

Ohne viel Rücksicht auf das islamische Erbe zu nehmen und gegen den Protest der lokalen Bevölkerung begann im 16. Jahrhundert der Umbau zu einem Kirchengebäude. Forderungen, das muslimische Erbe stärker bewahren und das Gebäude auch als interreligiösen Ort zu nutzen, werden bis heute vom Bischof von Cordoba, Juan José Asenjo, abgelehnt.

Auf eine ähnliche Geschichte blickt die berühmte Kathedrale von Sevilla zurück, die unter anderem für ihren Sarkophag des Christoph Kolumbus bekannt ist. Von dem 1184 gebauten islamischen Gebäude ist heute allerdings nur noch das Minarett übriggeblieben, das der Kathedrale als Glockenturm dient. Opfer der Reconquista wurden in Andalusien nicht nur Moscheen: In der katholischen Kirche Santa María la Blanca in Toledo steckte einmal eine Synagoge mit dem Namen Ibn Shushan. Nach der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung wurde das 1180 erbaute Gebäude im Jahr 1405 zur Kirche umgewandelt.

In Griechenland und auf dem Balkan wurden viele Moscheen zu Kirchen

Auch außerhalb der Iberischen Halbinsel finden sich in Europa zahlreiche umgewidmete Gotteshäuser. Vor allem auf dem Balkan und im Mittelmeerraum - also dort, wo einmal viele Muslime lebten - trifft man auf Kirchen, die einmal Moscheen waren. Die Agios Titos auf Kreta ist so eine. Von den Osmanen Ende des 19. Jahrhunderts als Moschee gebaut, wurde sie nach der Vertreibung der muslimische Bevölkerung in den 1920ern zur orthodoxen Kirche.

Auf eine ähnliche Geschichte blickt die Agios Nikolaos in der Stadt Kavala im Norden Griechenlands zurück. 1530 wurde das Gebäude als Ibrahim-Pascha-Moschee fertiggestellt. Nach der Vertreibung der muslimischen Bevölkerung Anfang des 20. Jahrhunderts stand das Gebäude leer, bis es 1945 zur Kirche geweiht wurde.

Auch die Kirche der heiligen Erzengel Michael und Gabriel im rumänischen Brăila war einmal eine Moschee. Gebaut in osmanischer Zeit, wurde sie nachdem Russland die Kontrolle über die Region übernommen hatte im Jahr 1808 zur Kirche. Wie durch Umwidmung religiöse Gebäude gerettet werden können, zeigt hingegen die orthodoxe Kirche Mariä Himmelfahrt im bulgarischen Usundschowo. Die von den Osmanen gebaute Moschee wurde 1906 zur Kirche geweiht. Sehr zum Missfallen der örtlichen Bevölkerung, die das Gebäude zuvor lieber zerstören wollte.

Nach der NS-Zeit wurden viele Synagogen zu Kirchen

Auch in Deutschland findet man Gotteshäuser, in denen früher einmal Angehörige anderer Religionen beteten. Hier traf es Synagogen, die nach dem Zweiten Weltkrieg zu Kirchen umgewidmet wurde.

Die Synagoge im hessischen Rimbach überstand zwar die Pogrome von 1938, doch wurde die jüdische Gemeinde gezwungen, das Gebäude zu verkaufen. Erst wurde die Synagoge zum Gerätehaus für die örtliche Feuerwehr, bis 1952 die Katholische Kirche einzog. Ähnlich erging es der Synagoge im hessischen Eschwege. Bis 1952 beteten hier noch jüdische Religionsmitglieder. Dann kaufte die neuapostolische Kirchgemeinde das Bauwerk auf und funktionierte es zur Kirche um.

Schwer beschädigt überlebte auch die Synagoge im niedersächsischen Dransfeld die NS-Zeit. Ihr Ende kam erst nach dem Krieg: Nachdem sie erst zur Turnhalle, dann zur Suppenküche umfunktioniert wurde, wurde sie 1951 zur katholischen Kirche geweiht. Auch das baden-württembergischen Rexingen hatte einmal eine Synagoge.

Das Anfang des 18. Jahrhunderts errichte Gebäude brannte während der Novemberpogrome vollständig aus. Während des Krieges diente sie als Lager einer örtlichen Waffenfabrik, bis auch sie 1952 zur Kirche umgeweiht wurde.

In Mönchengladbach kann man in einer Kirche klettern

Aufgrund schrumpfender Gemeinden und leerer Gottesdienste sind in heutiger Zeit vor allem Kirchen von Umwidmungen betroffen. Hinter dem Namen "Die Kirche" verbirgt sich in Magdeburg beispielsweise kein Gotteshaus, sondern ein Restaurant, das seit Mitte der 1990er einen verlassenen Kirchbau nutzt.

Im Fall der Kornmarktkirche im thüringischen Nordhausen liegt der letzte Gottesdienst schon etwas länger zurück. Im 13. Jahrhundert gebauten Gebäude wird schon seit 1802 nicht mehr gebetet. Stattdessen fanden hier schon ein Getreidespeicher, Büroräume und Wohnungen Platz. Seit 2003 beheimatet das Gebäude ein Museum zu Reformation und Bauernkrieg. Von einer besonders kreativen Möglichkeit der Weiterverwendung zeugt die Kletterkirche in Mönchengladbach. Die in den 1930ern gebaute katholische Kirche ist seit 2010 eine Kletterhalle.

Für die Umwidmung einer Kirche zu einer Moschee gibt es in Deutschland bisher nur ein einziges Beispiel: die 1958 gebaute Kapernaumkirche in Hamburg-Horn. Nach einer Gemeindefusion im Jahr 2004 stand das Gebäude jahrelang leer. 2012 erwarb die islamische Al-Nour-Gemeinde das Gebäude und wiedereröffnete es im Jahr 2018 als Moschee. Zuvor hatte der Gemeinde eine umfunktionierte Tiefgarage als Gebetshaus gedient.