Wenn die Verkehrswende zur Antriebswende degradiert wird

Sukkulenten gedeihen zur Not auch während einer Heißzeit in Autowracks. Leider sind die neueren Modelle nicht mehr so formschön. Foto: Lynn Greyling auf Pixabay (Public Domain)

Zu autolastig: Umwelt- und Verkehrsverbände kritisieren dreijährige Arbeit der Regierungskommission "Nationale Plattform Zukunft der Mobilität"

Das Framing der Autolobby führt oft zu Geisterdebatten: Auch Umweltbewegte, die gar kein Auto haben, müssen sich dann anhören, für "ihre E-Autos" müssten schließlich Kinder in Kobaltminen im Kongo schuften, deshalb gäbe es keine moralisch vertretbare Alternative zum Verbrennungsmotor. Hintergrund ist, dass es immer noch etliche Menschen gibt, die sich ein Leben ohne Auto gar nicht vorstellen können.

Nachvollziehbar ist das in strukturschwachen ländlichen Gebieten - ohne den Ausbau des Schienenverkehrs und der Busverbindungen ist der motorisierte Individualverkehr dort tatsächlich unverzichtbar. Genau dort setzt die Kritik an der nun dreijährigen Arbeit der Regierungskommission "Nationale Plattform Zukunft der Mobilität" (NPM) an, die mehrere Verbände und er deutsche Städtetag in einer gemeinsamen Erklärung formuliert haben.

"Insbesondere kritisiert das Bündnis den fehlenden Willen, den Autoverkehr spürbar zu reduzieren", heißt es darin. Von der nächsten Bundesregierung wird eine "klare Priorität für Fuß-, Rad- sowie öffentlichen Nah- und Fernverkehr" gefordert.

Fixierung auf technische Lösungen beim Autoverkehr

Unterschrieben haben unter anderem die Allianz pro Schiene, der Umweltverband BUND, der Branchenverband des öffentlichen Nahverkehrs, VDV, der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) sowie der Deutschen Städtetag. Die Kommission setze "zu einseitig auf technische Lösungen beim Autoverkehr", statt "den Schwerpunkt auf die Vermeidung und Verlagerung von Autofahrten zu legen". Es müsse aber ein "völlig neues Verständnis von Mobilität der Zukunft" entwickelt werden. Deutschland brauche in erster Linie attraktive Alternativen zum eigenen Pkw.

Der Regierungskommission, die von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) einberufen wurde, gehören neben Verkehrspolitikern verschiedener Bundestagsparteien unter anderem das BMW-Vorstandsmitglied Frank Weber und IG-Metall-Chef Jörg Hofmann an. Außerdem sind das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) und mehrere Ministerien in der NPM vertreten.

Der Verein LobbyControl e. V. kritisiert seit längerer Zeit die Nähe der meisten Bundestagsparteien zur Autoindustrie und entsprechende Geldflüsse. Zwischen 2009 und 2017 spendeten demnach Automobilhersteller, Zulieferer und Verbände mehr als 17 Millionen Euro an CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne. Fast vier Fünftel des Geldes gingen an Union und FDP.

Der lange Arm der Konzerne

Als die EU-Kommission im vergangenen Jahr forderte, dass für die Erreichung des europäischen Klimaziels auch die CO2-Grenzwerte erneut erhöht werden müssten, mobilisierte die deutsche Autolobby ihre guten Kontakte zur deutschen Bundesregierung: Die schon vereinbarten Grenzwerte seien bereits "äußerst ambitioniert" schrieb der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) in einer Pressemitteilung im März 2020. Eine weitere Erhöhung sei völlig unangebracht.

Wenig später warnt die Unionsfraktion im Bundestag in einem Positionspapier zur europäischen Klimapolitik vor einer Verschärfung der Klimaziele, weil diese speziell für den Verkehrssektor "eine enorme Herausforderung" seien. "Deutschland und Europa sollen ein starker Automobilstandort bleiben", hoben die Unionsparteien hervor. Die ökologisch und sozial nötige Verkehrswende wurde in dem Papier wie üblich zur reinen Antriebswende degradiert: "Treibhausgasreduktion geht mit Elektromobilität und emissionsarmen Kraftstofftechnologien (z. B. Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe, Biokraftstoffe) gleichermaßen." Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach sich Anfang 2020 gegen schärfere Abgasgrenzwerte auch, schließlich brauche die deutsche Autoindustrie "Planungssicherheit".

Im Juli dieses Jahres erklärte Altmaier, dass die Bundesregierung den Strombedarf um 20 bis 30 Prozent zu niedrig eingeschätzt habe, als die vierstelligen Kaufprämien für Elektroautos beschlossen worden waren. Wie der Strombedarf dieser E-Autos in absehbarer Zeit klimaneutral gedeckt werden soll, blieb sein Geheimnis.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.