Wenn die zweite Welle kommt ...
Seite 2: Von politischen Redakteuren, die nicht rechnen können
- Wenn die zweite Welle kommt ...
- Von politischen Redakteuren, die nicht rechnen können
- Stockholm: Anti-Körper und T-Zellen
- Steigende Infektionszahlen, stagnierende Todesziffern
- Zweite Welle: Wo die erste schlimm war, wird die zweite eher harmlos werden - und umgekehrt!
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Der einstmals sehr renommierte Journalist Stefan Aust hat sich seinen Regierungs- und Maskenfrust in der "Welt" von der Seele geschrieben. U.a. heißt es in seinem Gejammere darüber, dass das RKI nicht, wie er sich das wünscht, Zahlen zur Übersterblichkeit in aller Herren Länder frei Haus liefert (Recherche sollte doch das selbstverständliche Handwerkszeug des Journalisten sein, oder?), hat er einen Unternehmer recherchieren lassen, der solche Daten gefunden hat:
Und darunter steht: "Auch in den übrigen ausgewerteten Staaten lagen die Todesraten im Bereich des langjährigen Mittels - und fast alle niedriger als in Deutschland"
Na gut, das obligate Deutschland-Bashing, aber wie sollte ein politischer Journalist, der zu bequem ist, sich durch ein paar Statistiken zu wühlen, auch nur den Hauch einer Ahnung davon haben, warum Portugal und Deutschland eine - bei einer 80-jährigen Lebenserwartung - "normale" Sterblichkeit von 1,2% p.a. haben (100/80=1,2), während die USA trotz geringerer Lebenserwartung nur bei ca. 0,9% liegen? Denn wenn das in der Lebenserwartung seinen Grund hätte, müssten die Amerikaner ja deutlich über 100 Jahre alt werden? Nun, da schaut man mal besser auf die Geburtenrate und den Bevölkerungszuwachs und ein paar andere dynamische Faktoren, aber das ist zu viel verlangt, ich weiß. Und übrigens haben die Amerikaner eine um 2-3 Jahre geringere Lebenserwartung als die Deutschen, und die wiederum 2 Jahre weniger als die Italiener, die aber in Austs famoser Tafel leider nicht auftauchen.
Aber man kann wohl verlangen, dass auch ein politischer Journalist zwei und zwei zusammenzählen und durch vier teilen kann. Tun wir das mal bei obiger Tabelle:
Die vier Stellen hinterm Komma ergeben sich durch die Division von je vier zweistelligen Zahlen, sie sollen keine Genauigkeit vortäuschen, die über die zwei Stellen in der Originaltabelle hinausgeht.
Wie war das noch?
Auch in den übrigen ausgewerteten Staaten lagen die Todesraten im Bereich des langjährigen Mittels.
Stefan Aust
Nein, lagen sie nicht, sondern überall drüber. Außer in Deutschland und dort sehr präzise mittig.
Notabene: In den vier Jahren ist auch die Grippeepidemie 2017/18 dabei, die wegen des "falschen" Impfstoffs heftig ausgefallen war.
Ich behaupte: Man sieht hier sehr deutlich, was eine falsche Politik wie die des Clowns in London gegenüber einer einigermaßen vernünftigen Reaktion bewirkt. Natürlich wären wir noch besser dran gewesen, wenn selbstgebastelte Masken offiziell empfohlen worden wären. Denn dass die Grippewelle dieses Jahr de facto ausgefallen ist (außer bei mir, Influenza A im Januar) dürfte neben Abstand-Halten etc. nicht zuletzt auch auf die Masken zurückzuführen sein, ist doch mittlerweile die Wirksamkeit eines einfachen Mund/Nasenschutzes modellhaft nachgewiesen. Im Test rangierte die türkise Allerweltsmaske, die auch im OP getragen wird, nach der N95-Maske auf dem 2. Platz.
Und wer schon mal einen von den Plexiglasschilden mit Stirnband aus der Nähe gesehen hat, wenn der ohne oder mit zusätzlichem Mundschutz getragen wird, hat die Tröpfchen im ersten Fall direkt abzählen können. Naja, ist ja schon rein mechanisch betrachtet eigentlich eine Binse, die man niemandem sollte erklären müssen, dass der Mundschutz zweierlei bewirkt: große Tröpfchen werden ggfs. zerstäubt, falls sie überhaupt passieren können, und die Horizontalgeschwindigkeit nimmt stark ab. Mit größerem Abstand kommt dann horizontal deutlich weniger bis gar nichts mehr beim Gegenüber an.
Was wir auch gesichert wissen, ist, dass die Virenlast bei der Infektion ganz entscheidend für deren Verlauf ist. Eigentlich sollte auch das eine Binse sein, sprich Ursache und Wirkung sind nicht so schwer zu verstehen. Unsere Immunpolizei ist ja prinzipiell ständig "auf Streife" und wird jeden unbekannten Eindringling so schnell als möglich erledigen. Dazu sollten allerdings immer ein paar Eindringlinge da sein, sonst gehen die Immunkrieger gerne mal auf die eigenen Leute los: Der Anstieg der Allergie-, also Heuschnupfen- und Asthmageplagten durch - vor allem bei Kindern - offenbar völlig übertriebene Hygiene in den letzten Jahrzehnten wird ja nicht mehr bestritten.
Wie gesagt, Eindringlinge werden, so möglich, sofort erledigt. Und dabei werden auch "Erinnerungsfotos" gemacht, damit man sie nächstes Mal, oder wenn sie in größerer Zahl über'n Zaun wollen (mit Zaun ist Haut resp. Schleimhaut gemeint), noch leichter bekämpfen kann. Wenn aber die Zahl dieser bis dato unbekannten Eindringlinge von vorneherein sehr groß ist (sprich große Tröpfchen mit vielen Viren), dann klappt das nicht, die Virenpolizei ist überlastet und muss Verstärkung anfordern, die Folgen sind der lästige Schnupfen, die Grippe oder auch Covid-19. Damit ist klar, was der Mundschutz bewirkt: Was nicht bei mir ankommt, kann mich auch nicht anstecken. Und wenn statt viel nur wenig bei mir ankommt, kann es viel leichter gut ausgehen.
Insofern war es einfach ungemein dämlich von Drosten als auch der Regierung, die Schutzwirkung von Masken zu negieren, nur weil man keine hatte - und das hat einen sehr, sehr großen Vertrauensverlust erzeugt. Man hätte einfach nur fragen müssen, ob sich Herr Drosten gerne einer OP unterziehen möchte, bei der Ärztinnen und OP-Helfer keine Maske tragen, weil die ja nichts nützt? Da hätte ich ihn stottern hören mögen.
Zurück zu Aust, den Zahlen und seiner parteiischen Bewertung:
Das Corona-Horrorjahr 2020 - jedenfalls die erste Hälfte - liegt also deutlich hinter den bisher kaum als Horrorjahre wahrgenommenen Grippe-Wintern 2017 und 2018.
Stefan Aust
Aber deutlich über den Jahren 2016 und 2019. Und im Jahreschnitt von 5 Jahren genau mittig. Und was wäre ohne Masken und Lockdown passiert, wenn es jetzt gerade so für den Durchschnitt gereicht hat? Mal die Halbjahresstatistik der Lombardei oder Englands betrachtet?
Und noch ein irreführender Satz:
Der Altersdurchschnitt liegt bei 81 Jahren (Median: 82 Jahre).
Stefan Aust
Und das, dürfen wir dem Tenor des Textes nach vermuten, bedeutet doch, dass die alle schon scheintot gewesen sein müssen, insofern also auch ohne C-19 baldigst gestorben wären?
Das ist allerdings ein großer Irrtum, dem so gut wie jeder anheimfällt, der die Lebenserwartung von 81 Jahren im Kopf hat und mit solchen Zahlen vergleicht. Ich bin auch erst beim zweiten Nachdenken schlau geworden: Wer es nämlich tatsächlich bis in dieses Alter geschafft hat, hat - versicherungsmathematisch betrachtet - noch 6-8 Jahre vor sich, d.h. alle und im Schnitt. Das zeigt das von Aust unter lautem Stöhnen und Jammern durchforstete DeStatis schon nach zwei Klicks, wenn man Google Folgendes suchen lässt: [ lebenserwartung deutschland nach alter ] - destatis ist dann gleich der erste Link. Und im Textsnippet dazu steht auch: "Warum ist das erreichbare Lebensalter durch die fernere Lebenserwartung in einer Sterbetafel im Alter 65 höher als bei Geburt?" Das hätte der Herr Aust vielleicht mal nachlesen sollen.
Und wenn der Median, also quasi die Wasserscheide bei je gleichviel Personen rechts und links davon, mit dem Alter (82) höher liegt als der arithmetische Altersdurchschnitt (81), dann bedeutet das? Ja, genau: die Summe der "verlorenen" Jahre der jüngeren Verstorbenen ist größer. Für einen toten 92-Järigen muss der Counterpart nicht mit 72, wie man aus dem Median vermeintlich schließen könnte (92/82/72), sondern schon mit 70 gestorben sein, was uns das arithmetische Mittel (92/81/70) zeigt. 70 nun ist wahrlich kein Sterbealter, wenn doch die durchschnittlich Lebenserwartung eines 70-Jährigen irgendwo zwischen 16 Jahren (65) und 8 Jahren (80) liegen soll. All das hat Herr Aust unterschlagen.
Und ich mag es nicht, wenn Menschen andere so offenkundig in die Irre führen, indem sie bekannte resp. leicht recherchierbare Fakten ausblenden.
Zwischenergebnis: C-19 ist ganz schön tödlich, wenn man es mit der Bekämpfung total vergeigt, wie die Briten oder Belgier. Dabei versagt leider auch der vielzitierte Vergleich mit der "normalen" Grippe, also Influenza. Bei der Influenza haben wir viele Immunisierungswellen erlebt, meist schon in jüngerem Alter, in dem man nicht daran stirbt. Und es gibt Impfstoffe, es gibt Kreuzimmunität, all das. Covid-19 hat die Menschen fast unvorbereitet getroffen, wenn man von einer potentiellen Vorimmunisierung durch Corona-Schnupfenviren absieht, über die wir noch zu wenig wissen.
Die Frage ist: Was wäre - von der öffentlichen Panik, die Bilder von gestapelten Särgen nun mal verursachen, mal abgesehen - denn geschehen, wenn man es überall völlig ohne Lockdown hätte laufen lassen? Denn der britische halbgare Lockdown war, genau wie der 400 Jahre alte Sinnspruch von Logau sagt, das allergrößte Übel:
In Gefahr und grosser Noth // Bringt der Mittel-Weg den Tod.
Johnson hat ja beides geschafft: die vielen Exzess-Toten und einen massiven Wirtschaftseinbruch noch dazu. Die Frage ist allerdings hypothetisch, denn Bergamo musste jeden beunruhigen, die Bilder von Militärkonvois waren einfach zu eindringlich, als dass man sie hätte ignorieren können.