"Wenn's Hirsebrei regnet, ham wir keinen Löffel"

Seite 3: Die Ermittlungen

Unterdessen war es dem Landschützen Hamann und dem Postillion Müller gelungen, sich von ihren Fesseln zu befreien. Sie begaben sich nach Rollshausen und brachten den Überfall zur Anzeige. Da die Räuber maskiert waren, hätten sie niemanden erkannt, der Dialekt, den sie untereinander gesprochen hätten, deute aber darauf hin, dass sie aus der Gegend stammten.

Die Gießener Justizbehörden nahmen die Ermittlungen auf und betrauten den erfahrenen Criminalrichter Danz mit der Sache. Dieser begab sich umgehend ins "Hinterland", wie der Landstrich um Biedenkopf genannt wird, und setzte eine Belohnung für Hinweise aus. Von Gladenbach aus leitete er die Ermittlungen.

Wenn die Täter Bauern aus der näheren Umgebung wären, würden sie das Geld nicht ruhen lassen können, sondern bald ausgeben müssen und dadurch Aufsehen erregen. Viele Hinweise und Spuren wiesen nach Kombach. Einer kaufte sich einen Wagen, ein anderer besaß plötzlich eine Taschenuhr, ein Dritter gab im Wirtshaus Runden aus, der Vierte konnte die sogenannte Copulationssteuer entrichten und kündigte seine Hochzeit an.

Ein halbes Jahr nach der Tat schritt Criminalrichter Danz zur Tat und ließ die ersten Verdächtigen nach Gießen ins Gerichtsgefängnis bringen. Von schlechtem Gewissen geplagt, legte einer ein umfassendes Geständnis ab und nannte die Namen der Tatbeteiligten. Sieben der acht am Raub Beteiligten befanden sich nun in Haft und wurden von Danz streng verhört.

Dieser hatte einen Sekretär, der Carl Franz hieß und aus Lich stammte. Er führte gewissenhaft Protokoll und veröffentlichte 1825 ein schmales Buch, das Der Postraub in der Subach heißt. Es lieferte die Vorlage für Schlöndorffs Film Der plötzliche Reichtum der armen Leute von Kombach, und auch wir beziehen unser Wissen im Wesentlichen aus diesem Bändchen, das der Marburger Jonas-Verlag 1978 neu herausgebracht hat.

Nur der Tippgeber Briel war gewieft genug, sich der Verhaftung zu entziehen. Er war als einziger nicht an Grund und Boden gebunden und führte eine nomadische Existenz. Er besorgte sich einen Hausierschein und ging über die nächste Grenze. Später soll er in Amerika als Strumpffabrikant zu Reichtum gekommen sein. Aber das ist nur ein Gerücht. Der Umstand, dass er als einziger davonkam, sorgte für ein Aufflackern bäuerlicher Ressentiments gegen die Fahrenden und Vagierenden, die später auch zu einer dunklen Quelle des Antisemitismus wurden.

Etwas von der Gewalt, die nötig war, Nomaden in Sesshafte zu verwandeln, kehrt in der Wut der Sesshaften auf die vagierende Bevölkerung wieder. Auch in unserem Fall machten die sesshaften Kombacher David Briel zu ihrem Sündenbock: "Unser‘ Leut‘ müssen sitzen, und der garstige Briel von Dexbach, der doch an allem Schuld ist, kommt davon."

Zwei der Tatverdächtigen hielten es mit ihrer Schuld nicht aus und nahmen sich in der Untersuchungshaft das Leben.

Das Urteil

Das Hofgericht in Gießen erkannte wegen Straßenraubs auf die Todesstrafe durch das Schwert. Die übriggebliebenen fünf Einmalräuber wurden, nachdem ein nach Darmstadt gesandtes Gnadengesuch abgelehnt worden war, im Oktober 1824 in Gießen hingerichtet. Auf dem Marktplatz, wo die Gießener Bürger heute Obst und Gemüse kaufen, wurde die Urteilsverkündung von der Obrigkeit groß in Szene gesetzt. Richter Danz verkündete die Urteile und brach über jeden den Stab.

Anschließend zog man mit einer größeren Menschenmenge zur Hinrichtungsstätte, die irgendwo draußen an der heutigen Marburger Straße lag. Menschen, die etwas nicht mehr aushielten, ertrugen es zunächst noch lang. Dann unternahmen sie einen Ausbruchsversuch, der scheiterte und dazu führte, dass sie umso brutaler von den Verhältnissen verschlungen wurden. Nun herrschte wieder Ruhe im Hinterland.

Zehn Jahre später wird ein junger Gießener Student namens Georg Büchner, ermutigt durch die Bauernunruhen in Oberhessen im Jahr 1830, zusammen mit dem Butzbacher Pfarrer Weidig den Versuch unternehmen, die Bauern mit dem Schlachtruf "Friede den Hütten, Krieg den Palästen" aufzurütteln.

Aber die Bauern lieferten die gefährliche Flugschrift bei den Behörden ab, und der Hessischer Landbote ging einstweilen in der oberhessischen Finsternis unter, die sich nach dem Blutbad von Södel wieder herabgesenkt hatte.

Götz Eisenberg ist Sozialwissenschaftler und Publizist. Eisenberg arbeitet seit Jahren an einer "Sozialpsychologie des entfesselten Kapitalismus", deren dritter Band unter dem Titel "Zwischen Anarchismus und Populismus" 2018 im Verlag Wolfgang Polkowski in Gießen erschienen ist. Auf der Homepage der GEW Ansbach erscheint fortlaufend Eisenbergs Durchhalteprosa.