"Wenn's Hirsebrei regnet, ham wir keinen Löffel"

Seite 2: Im Vorfeld der Tat

Nach dem Besuch von David Briel fanden sich relativ schnell Männer, die geneigt waren, das Risiko eines Überfalls einzugehen. Jeder für sich wäre vor einem solchen Vorhaben zurückgeschreckt, aber in einer Gruppe von Gleichgesinnten verstummte die Stimme des individuellen Gewissens.

Die restlichen Skrupel würde der Branntwein auflösen, den sie mitnehmen und vor der Tat trinken wollten. Der Familie Geiz, die dafür bekannt war, gelegentlich das großherzogliche Wild zu dezimieren, gelang es, eine Gruppe von acht tatgeneigten Burschen aus Kombach und der näheren Umgebung zusammenzubringen. Keiner war Berufsräuber, alle waren halbverhungerte, arme Schlucker, die sich aus der Not heraus entschlossen, für einen Tag zu Räubern zu werden.

Heinrich Geiz, der Bruder von Jacob, machte sich auf den Weg nach Königsberg, wo er sich in einem Wirtshaus mit dem Landschützen Volk traf. Das Geldkärrnchen wurde jeweils von einem bewaffneten Landschützen begleitet, und der Landschütz Volk, der selber in Geldnöten war, versprach, dem jeweiligen Landschützen das Blei aus der Flinte zu ziehen, damit auf keinen der Räuber geschossen und jedes Blutvergießen vermieden werden konnte.

Nachdem dieses Hindernis aus dem Weg geräumt war, unternahm die Gruppe am ersten Weihnachtstag 1821 den ersten Versuch, den Geldtransport zu überfallen. Doch überraschenderweise begleiteten dieses Mal zwei Bewaffnete den Karren und sie brachen ihr Vorhaben ab. Es scheiterte noch weitere fünf Mal.

Einmal war Schnee gefallen und man hätte ihre Spuren verfolgen können, ein andermal hatte das Kärrnchen kein Geld geladen und sie bekamen rechtzeitig Wind davon, einmal verliefen sie sich im Nebel und ein andermal begleitete ein Trupp frisch rekrutierter Soldaten den Karren. Im Film, den Volker Schlöndorff vor 50 Jahren über den Postraub in der Subach gedreht hat, fragt der fahrende Händler Briel eins ums andere Mal: "Wie oft muss man‘s machen, bis es einmal gelingt?"

Der Überfall

Der siebte Versuch fiel auf Sonntag, den 19. Mai 1822 und verlief überraschend glatt. Abends um zehn Uhr waren sie in Kombach losgegangen und morgens gegen zwei in der Subach bei Mornshausen angekommen. Dann haben sie sich in die Böschung links und rechts vom Hohlweg gelegt, sich mit Branntwein Mut angetrunken und auf die Ankunft des Geldkärrnchens gewartet.

Die Sonne stand schon hoch, als es sich endlich näherte und mit einem Peitschenknallen des Kutschers in den steilen Hohlweg einfuhr. Der Postillion und der begleitende Landschütz stiegen ab, um den Pferden die Arbeit zu erleichtern. Das Stück, wo der Berg ins Hochplateau übergeht, nennen sie Leute hier von Alters her "auf dem Gleichen".

Ob der Überfall noch "in der Hohl" oder schon "auf dem Gleichen" stattgefunden hat, darüber streiten sich die Historiker bis heute. Das war nicht ganz unwichtig, weil irgendwo hier die Grenze zwischen dem Kurfürstentum Hessen-Kassel und dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt verlief. Das war für die Abwicklung des Schadens von Belang.

Es war den Posträubern wichtig, dass der Überfall auf Kurhessischem Gebiet stattfand, denn dann hätte der Kasseler Kurfürst dem Darmstädter Großherzog den Schaden ersetzen müssen. Andernfalls wäre damit zu rechnen gewesen, dass der Großherzog rund um Biedenkopf neue Steuern erheben würde, unter denen die arme Bevölkerung zusätzlich zu leiden gehabt hätte. Und das wollten die Räuber vermeiden. Als der Wagen in ihrer Höhe angekommen war, stürzten sie aus dem Gebüsch, feuerten ihre Waffen ab und überwältigten den Postillion und den Landschützen.

Sie schleiften sie gefesselt und geknebelt in den Wald. Sie warfen den Kasten mit dem Geld vom Wagen und schlugen den Deckel mit einer Axt ein. Sie packten in ihre Tornister, was sie wegtragen konnten. Den Rest der Beute versteckten sie in einem hohlen Baum. Dann traten sie den Rückweg nach Kombach an, wo sie noch in der Nacht die Beute aufteilten. Auf jeden entfielen 800 Gulden, was ungefähr dem Tagelohn von zehn Jahren entsprach.