Beliebt bei Putin, Trump und Springer: Die Satanisierung des politischen Gegners

Schützengrabenmentalität reicht nicht mehr. Es muss Kreuzzugmentalität sein. Symbolbild: Wikimedia Commons

Kreml-Propagandisten und die Einheizer des Wertewestens werden sich im Sprachgebrauch immer ähnlicher. Wie religiöse Fundamentalisten. Ein Kommentar.

Der Springer-Verlag ist eigentlich mehr als unverdächtig, in irgendeiner Form mit der Putin-Administration in Russland zu sympathisieren. Der religiöse bis rechtsesoterische Sprachgebrauch, mit dem leitende Springer-Redakteure und Kreml-Ideologen politische Feinde markieren, ähnelt sich aber verblüffend.

Ganz dieselben Feinde sind es nicht, aber es gibt durchaus Schnittmengen – vor allem in der queeren Szene werden hier wie dort gern die Kräfte des Satans verortet.

Teufelswerk für Putin, Dugin und Springer

Leute wie der Kreml-Ideologe Alexander Dugin und der staatstragende russische TV-Moderator Wladimir Solowjow beziehen das dann aber tendenziell gleich auf den gesamten Westen und erkennen nicht an, dass es dort stramme Nato-Freunde wie den Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt gibt, die ganz ähnlich über "die queeren, satanistischen, postmodernen, nonbinären Hohlköpfe" denken wie sie selbst.

Tenor bei Dugin und Co.: Der Westen predige einen "extremen Individualismus", die Zerstörung des biologischen Geschlechts und der Institution der Familie. Dagegen bewahre Russland seine "ursprünglichen Werte".

Postmoderne Feindbilder: Westlich oder antiwestlich?

Die Sache mit dem biologischen Geschlecht lässt Poschardt auch keine Ruhe, wenn er in einem Rundumschlag gegen die Klimabewegung, die Palästina-Solidarität und Teile der queeren Community schreibt:

"Die immer gestörter wirkende Greta Thunberg und ihr linksradikaler, antiwestlicher Mob hatten den Ton gesetzt – und diesem Ton folgten die queeren, satanistischen, postmodernen, nonbinären Hohlköpfe. Und machten ideell dort weiter, wo die Hamas ihr barbarisches Tagewerk am 7. Oktober begann.

Rhetorik-Kurs bei Dugin oder doch bei Trump?

Kleiner hat er es wohl nicht. Nun kann Thunberg und Co. mit Recht vorgeworfen werden, dass sie zu wenig Empathie für die Opfer des Massakers vom 7. Oktober gezeigt haben, dass in ihren Boykottforderungen gegen Israel vor allem im Kulturbereich zu weit gegangen sind – und dass sie sich beim berechtigten Protest gegen die Bombardierung Gazas zu wenig von Hamas-Fans abgrenzen.

Aber wie kommt einer, der umgekehrt selbst keinen Funken Empathie für zivile Bombenopfer zeigt, auf "satanistisch"?

Satanismus als Subkultur, mit der Jugendliche vor 30 Jahren vielleicht noch größere Teile der Elterngeneration schockieren konnten, spielt im Sammelsurium der Bewegungen, auf die Poschardt im besagten Wut-Artikel eindrischt, keine sichtbare Rolle. Insofern muss er sie wohl für echtes Teufelswerk halten.

Es ist die Sprache religiöser Fundamentalisten. Als hätten Springer-Redakteure einen Rhetorik-Kurs bei Dugin besucht – oder vielleicht doch bei der QAnon-Sekte? Auch die Jünger des ultrarechten Ex-US-Präsidenten Donald Trump, der gerade an seinem Comeback arbeitet, glauben schließlich, sie befänden sich im Endkampf gegen die Kräfte des Satans.

Greta Thunberg als Satansbraten rechter Boomer-Männer

Auch klingt es beinahe verschwörungsideologisch, wenn er ausgerechnet die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg für so wirkmächtig hält, dass sie die Politik der deutschen Bundesregierung gegenüber Israel maßgeblich beeinflusst.

Als sie sich noch auf das Thema Klimaschutz konzentrierte, hat sie es schließlich auch nicht geschafft, dass Regierende in Deutschland irgendwelche Klimaziele ernst genommen hätten. Außer Lippenbekenntnissen und ein bisschen halbherzig Herumdoktern war da nicht viel; trotz eindringlicher Warnungen des Weltklimarats, dessen Erkenntnisse Thunberg nur wiedergegeben hatte.

Aber eine junge Frau, die keine großen, schnellen Autos mag und besserverdienenden Boomer-Männern ihr Lieblingsspielzeug wegnehmen will, kann eben für genau diese Männer nur ein Satansbraten sein.