"Wenn sie mich kriegen, bringen sie mich um"
Seite 3: Der heftigste Angriff kam bisher von einem Nationalpolizisten
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Kommen wir zum Ende noch zu ihrer persönlichen Situation. Sie wurden schon angegriffen, erhalten Drohungen ... Können Sie noch normal arbeiten?
Jordi Borràs: Nein. Während ich kürzlich in Warschau eine faschistische Demonstration problemlos begleiten konnte, geht das hier nicht. Ich kann solche Demonstrationen von Unionisten nur noch hinter der Polizeikette verfolgen. Bei einer kleinen Versammlung von Rechtsradikalen kürzlich riefen sie: Jordi Borràs - camera de gas (Jordi Borràs in die Gaskammer). Das ist üblich. Ich werde seit fünf Jahren angegriffen. Der heftigste Angriff kam bisher von dem Nationalpolizisten, der mich angegriffen hat, als ich das Ateneu hier verlassen habe.
Wie lief das genau ab?
Jordi Borràs: Ich war hier, um eine politische Veranstaltung zu fotografieren. Als ich zum Parkhaus ging, traf ich auf einen Typ, der ins Handy sprach. Das war in einer engen Gasse, in der sich niemand befand. Er schaute mich feindselig an und als ich an ihm vorbeiging, rief er: Es lebe Spanien. Ich ging weiter, denn wir versuchen jeder Konfrontation zu entgehen. Er rief erneut, aber da er ins Telefon sprach wusste ich nicht, ob das mir galt.
Der Typ steckte das Handy ein, schaute sich um, ob es Zeugen gab und da niemand zu sehen war, stellte er sich vor mich. Er rief erneut: Es lebe Spanien und es lebe Franco. Dann begann er auf mich einzuschlagen, wie ich es noch nie erlebt habe. Später habe ich erfahren, dass er und sein Bruder Kampfsport betreiben und eine Schule eröffnen wollten. Mir war gleich klar, dass das keine normalen Schläge und Tritte einer normalen Person waren.
Ich versuchte mich zu schützen, trotz allem brach er mir das Nasenbein. Ich habe dann um Hilfe geschrien und hier im Zentrum von Barcelona gibt es viele Touristen. Damit die Leute kommen, habe ich nach der Polizei gerufen. Als ich das tat, während ich seine Beine umklammerte, um keine Kniestöße mehr zu bekommen, sagte er plötzlich: Ich bin Polizist. Ich habe das in dem Moment nicht ernst genommen, doch als Leute zusammenliefen, trat er etwas zurück und versucht zu entkommen. Einige junge Leute holen ihn ein und dann holte er plötzlich seine Dienstmarke heraus. Danach hat sich bestätigt, dass er nicht nur Polizist ist, sondern Inspektor der Informationsbrigade.
Glauben Sie, das war ein zufälliges Zusammentreffen?
Jordi Borràs: Mir kommt das sehr spanisch vor, da sehr viele Zufälle zusammentreffen. Eine unbelebte Gasse, durch die ich oft gehe, jetzt nicht mehr, wo gerade keine Zeugen sind ...
Und nun werde ich angeklagt, weil er mich nach meiner Anzeige am gleichen Abend auch angezeigt hat, ich hätte ihn angegriffen. Und ich bin davon überzeugt, dass ich nur deshalb jetzt hier sitze und nicht im Gefängnis bin, weil nicht einer der fünf Zeugen seine Aussagen stützt, sondern meine Version. Ich würde vermutlich sitzen, wie die jungen Leute aus Altsasua.
Könnte es sein, dass solch eine solche Geschichte wie mit der Auseinandersetzung in der Kneipe in der baskischen Kleinstadt provoziert werden sollte?
Jordi Borràs: Ich weiß es nicht, aber ich hatte Glück, dass Leute da waren, sonst wäre ich im Knast.
Wie läuft das jetzt mit dem Verfahren weiter?
Jordi Borràs: Jetzt werden die Schriften ausgetauscht und dann wird ein Prozesstermin festgesetzt. Aber zum Glück hat sich auch der Staatsanwalt für Hassverbrechen für mich ausgesprochen. Aber wir werden sehen, was der Richter macht.
Kann es auch noch schlimmer kommen? Fürchten Sie um Ihr Leben? Sie wären nicht der erste Journalist, der von Rechtsradikalen in Spanien ermordet wird.
Jordi Borràs: Eines ist völlig klar. Ich lasse mich nicht abschrecken und werde meine Arbeit weiter machen. Wenn ich störe, bedeutet das ja, dass ich da einiges richtig mache. So versuche ich das positiv zu deuten. Ich bin mir nach vielen Jahren der Risiken bewusst, auch der Grenzen, die ich nun habe.
Klar, ich will mein Leben nicht aufs Spiel setzen, weshalb ich abwäge, meine Arbeit anders anzugehen. Ich habe mich internationalisiert, war zweimal in Deutschland, gehe nach Italien und untersuche dort Nazi-Strukturen. Ich mache mehr im investigativem Bereich, statt als Fotojournalist zu dokumentieren. Das geht hier nicht mehr, denn wenn sie mich kriegen, werden sie mich umbringen.
Der im Interview angesprochene Josep Ramon Bosch, der einst von der SCC-Präsidentschaft zurücktreten musste, auch weil er über einen Facebook-Account unter dem falschem Namen Josep Codina Nazi-Propaganda verbreitet und Unabhängigkeitsbefürworter bedroht hat, ist am Samstag von dieser sogenannten "Katalanischen Zivilgesellschaft" erneut zum Präsidenten gewählt worden. Borràs hatte die Aktivitäten von Bosch einst enttarnt.
Mit seiner erneuten Wahl zum Präsidenten bestätigt die SCC, dass sie weiter "abdriftet", wie Borràs per Twitter mitgeteilt hat. Das sollte den spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez dazu bringen, seinen Außenminister und SCC-Aktivisten Josep Borrell zum Rücktritt zu zwingen, und die katalanische Sektion der Sozialdemokraten (PSC) dazu, diese Organisation zu verlassen, die sich damit eindeutig am äußersten rechten Rand positioniert.
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