"Wenn sie mich kriegen, bringen sie mich um"
Seite 2: Ciudadanos waren eine Antwort auf das Phänomen Podemos
- "Wenn sie mich kriegen, bringen sie mich um"
- Ciudadanos waren eine Antwort auf das Phänomen Podemos
- Der heftigste Angriff kam bisher von einem Nationalpolizisten
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Gehen wir etwas näher auf die Ciudadanos ein. Während VOX noch eine klare Beschränkung haben dürfte, zeigten die Wahlen in Andalusien auch, dass die Cs dabei sind, der PP den Rang abzulaufen. Wer steht hinter einer Partei, die sehr schnell gewachsen ist? Ihre teuren Wahlkämpfe wollen bezahlt sein.
Jordi Borràs: Gegründet wurde die Partei in Katalonien. Sie entstammt einem Sektor von frustrierten spanischen Nationalisten aus der Sozialdemokratie und der PP, aber auch aus der extremen Rechten. Zentral ging es ihr zunächst um den Kampf gegen die katalanische Sprache. Ihr größtes Anliegen war, dass ihre Kinder in der Schule in spanischer statt in katalanischer Sprache unterrichtet werden, dass die Lehrer und Beschäftigten in den Schulen kein Katalanisch lernen. Das war 2006. Doch erst ab 2015 macht die Partei den Sprung nach Spanien, denn es gibt einige faktischen Mächte im Land, die das fördern. Es war eine Antwort von rechts auf das Phänomen Podemos. Ciudadanos war nicht als Rechtspartei geplant, sondern als Zentrumspartei.
Und es ist auch klar, dass es einigen in der PP gefällt, ja sogar in der PSOE, dass es diese Partei gibt. Es ist bekannt, dass Alfonso Guerra, ehemaliger spanischer Vizepräsident der PSOE, Rivera mit dem Unternehmer bekannt gemacht hat, der dann das erste Parteibüro der Cs finanziert hat. Das war Miguel Rodríguez, der von den Festina-Uhren. Das bedeutet, dass ein sozialdemokratischer Regionalfürst für die Finanzierung der ersten landesweiten Wahlkampagne der Cs gesorgt hat, einer Partei, die seiner Partei in Katalonien einen Teil der Stimmen abgenommen hat.
Neben der Finanzierung ist aber auch noch bedeutsam, wie eine Partei wie Cs oder jetzt VOX in den großen Medien behandelt wird. So wird nun zum Beispiel Abascal einfach zu Debatten eingeladen, als wäre er ein ganz normaler Politiker, dabei sind die Rechtsextremen real Anti-Demokraten. So wurde zuvor auch schon Rivera groß gemacht, während andere Stimmen in den Leitmedien nicht oder kaum vorkommen. Die katalanischen Unabhängigkeitsparteien kommen, obwohl sie im spanischen Parlament vertreten sind, in den dortigen Medien kaum zu Wort.
Haben nicht Rivera und seine Cs versucht, sich reinzuwaschen? Traten sie nicht zunächst deutlich offener auf, wie in der Kampagne mit der rechtsextremen und identitären Libertas bei den Europaparlamentswahlen 2009? Heute verkaufe sie sich als "liberale", was ihnen in Europa ja auch weitgehend abgekauft wird. Sie sind im Europaparlament in der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa und arbeiten in Deutschland mit der FDP zusammen, während sie ihre Koalitionsregierung in Andalusien nun von der rechtsextremen VOX stützen lassen. Wie sieht es denn in den Parteikadern aus?
Jordi Borràs: Zunächst sei klargestellt, dass weder die PP noch die Cs rechtsextreme Parteien sind. Das ist schon aus einem einfachen Grund so: Wenn das Rechtsextreme sind, was ist dann VOX? Aber auch wenn es keine rechtsextremen Parteien sind, heißt das nicht, dass sie keine rechtsextremen Diskurse führen. Schauen wir uns den ehemaligen Bürgermeister von Badalona und PP-Chef in Katalonien Albiol an. Der ließ Wahlplakate mit dem Aufruf aufstellen, Badalona zu reinigen. Die Cs kamen kürzlich mit einem Wahlspruch, der Ihnen vielleicht bekannt vorkommt: Sicherheit und Ordnung.
Die Cs sind ein sehr gutes Marketing-Produkt. Ihre Chefin in Katalonien Ines Arrimadas kann sich gut darstellen und timt ihre Aktionen stets gut. Wenn sie ein Plakat im Parlament zeigt, dann sicher genau zu dem Zeitpunkt, damit es noch in die Mittagsnachrichten kommt und natürlich in Richtung unserer Kameras. Doch die Kader sind in Wirklichkeit ein Drama. Wir finden Leute, die aus rassistischen Organisationen, aus der Falange, stammen, Gewalttäter, die auch heute zum Beispiel immer wieder Unabhängigkeitsbefürworter angreifen und bedrohen. Das ist die Normalität und der wesentliche Aspekt, der sie verbindet, ist, dass es spanische Ultranationalisten sind. Spanien, Spanien, Spanien ist ihre Losung. Und erstaunlicherweise trat 2015 und 2017 bei den Wahlen erstmals keine ultrarechte Partei in Katalonien an. Diese Leute wählten alle Ciudadanos. Parteien wie die Falange oder MSR sind nicht angetreten. Sie haben auch klar erklärt, dass sie nicht wollten, dass die ultranationalistischen Stimmen aufgespalten werden.
Wie reagiert die Partei, wenn Sie Artikel mit der rechtsextremen Vergangenheit ihrer Kader veröffentlichen?
Jordi Borràs: Das ist unterschiedlich. Vor den letzten Gemeinderatswahlen habe ich eine Liste mit 15 Namen veröffentlicht. Es waren nur 15 Rechtsextreme, die auf Listen der Partei kandidierten, weil ich nur drei Tage Zeit hatte, sonst hätten es viel mehr sein können. Da war zum Beispiel der Fall des Ex-Führers der Jugendorganisation der Fuerza Nueva in Katalonien. José María Fuster-Fabra ist ein Anwalt, der einst eine gewalttätige Gruppe angeführt hat, der auf der Liste der 15 war. Weil wir im Vorwahlkampf waren, versuchte die Partei, sie wieder von den Listen zu nehmen. Als der Wahlkampf vorbei war und ich weiterhin Namen veröffentlichte, passierte nichts mehr, obwohl es auch gewählte Stadträte trifft.
In welcher Form verhalf die sogenannte "Katalanische Zivilgesellschaft" (SCC), die von der ultrarechten Somatemps gegründet, in der von Ultrarechten bis zum heutigen PSOE-Außenminister Josep Borrell eine illustre Truppe zusammentrifft, den Cs zu ihrem Wahlerfolg in Katalonien, bei dem die PP vor gut einem Jahr fast aus dem Parlament geworfen wurde?
Jordi Borràs: Die SCC speiste sich vor allem aus vier Lagern: PP, Cs, den katalanischen Sozialdemokraten (PSC) und aus Rechtsextremen, wie VOX und andere. Die Strategien darin sind unterschiedlich und gerade wurden der SCC-Präsident und zwei Sprecher geschasst, die zur PP gehörten, weil sie Gelder veruntreut haben sollen. Sie wurden durch Cs-Leute ersetzt.
Die SCC vertrat immer die Interessen einer Partei und vor allem die der Cs, auch wenn die intern mit der PP und PSC ihre Kämpfe ausfechten. Den Cs hat die Organisation stark geholfen und sich stets als etwas ausgegeben, was sie nicht ist. Der erste SCC-Präsident musste zurücktreten, weil der ultrarechte Josep Ramon Bosch Somatemps-Mitglied war. Er musste abtreten, dank einer Untersuchung von mir. Darüber habe ich das Buch "Desmuntant Societat Civil Catalana" (Demontage der Katalanischen Zivilgesellschaft) verfasst. Der letzte wurde als mutmaßlicher Dieb geschasst. Das ist ein absoluter Chaoshaufen.
Die große zivilgesellschaftlich Organisation Katalanischer Nationalkongress (ANC) hat zwei ehemalige Präsidenten im Knast sitzen: Carme Forcadell und Jordi Sànchez. Aber nicht wegen Diebstahl oder weil es Nazis sind, sondern weil sie für die Unabhängigkeit sind. Da sieht man einen klaren Unterschied. Die SCC-Leute sind nicht im Knast, mussten aber abtreten. Die SCC hat auch vielen als Trampolin gedient, um über die Cs in die Politik zu springen.
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