"Wenn sie mich kriegen, bringen sie mich um"

Jordi Borràs. Bild: R. Streck

Der katalanische Journalist Jordi Borràs über VOX und andere rechtsextreme Parteien und Gruppen in Spanien

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Der katalanische Fotojournalist und Journalist Jordi Borràs fokussiert seine Arbeit besonders auf rechtsextreme Gruppen und Organisationen, sowohl in Katalonien, im spanischen Staat und nun widmet er sich auch Netzwerken und Verbindungen in Europa. Als Katalane beleuchtet er mit seiner Arbeit auch die katalanische Unabhängigkeitsbewegung. Dazu hat er kürzlich bei Ara Libres den ausdrucksstarken Fotoband "Dies que duraran anys (Tage, die Jahre andauern werden) veröffentlicht, der die wichtigsten Tage um das Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober 2017 und die Repression der früheren PP-Regierung ungefiltert darstellt.

Besondere Beachtung finden in seiner Arbeit soziale Bewegungen. Glimpflich geht vor allem seine Beschäftigung mit den Sicherheitskräften und rechtsextremen Gruppen nicht ab. Der Journalist wird immer wieder angegriffen. Als besonderer schwerer Vorfall sticht heraus, als er im vergangenen Sommer von einem Rechtsextremen zusammengeschlagen wurde, der dabei den Diktator Franco hochleben ließ. Es stellte sich heraus, dass es sich um ein Mitglied der "Informationsbrigade" der spanischen Nationalpolizei handelt, einer Art polizeilicher Geheimdienst. Der stand sogar schon im Verdacht, gefährliche radikale Islamisten vor Ermittlungen der katalanischen Regionalpolizei Mossos d'Esquadra gewarnt zu haben.

Dass spanische Sicherheitskräfte nicht nur einen merkwürdigen Umgang mit den katalanischen Kollegen pflegen, ist bekannt. Denen werden wichtige Informationen vorenthalten, wie zu den islamistischen Anschlägen im Sommer 2017 in Barcelona und Cambrils. Hier wurde inzwischen bekannt, dass der Imam, der Chef der Terrortruppe, sogar ein Informant des Geheimdienstes war und Kontakt mit der Guardia Civil hatte.

Telepolis sprach angesichts des Aufstiegs der rechtsextremen Partei VOX, die nun erstmals im südspanischen Andalusien in ein Regionalparlament eingezogen ist, mit dem exzellenten Kenner spanischer Ultras. Die Partei, die sich illegal auch über die exil-iranischen "Volksmudschahedin" (MEK) finanziert, konnte viele rückschrittliche, frauenfeindliche und rassistische Inhalte in die rechte bis ultrakonservative Regionalregierung tragen. Denn die ultrakonservative spanische Volkspartei (PP) und die rechts-neoliberale Ciudadanos (Bürger) können in Andalusien nur mit den VOX-Stimmen regieren.

Bruchlos: Der Falangist aus dem Jahr 1939 ist praktisch identisch mit dem von 1975

Mit dem Wahlerfolg von VOX in Andalusien wird nun von RT über den Deutschlandfunk bis zur Welt einmütig erklärt, dass "erstmals" seit der Franco-Diktatur wieder Rechtsextreme in ein Parlament einziehen. Wie sehen Sie das?
Jordi Borràs: Ich würde die Leute im spanischen Staat fragen, in welchem Land sie bisher gelebt haben, und darüber hinaus, welches Land sie sich angeschaut haben? Es stimmt, dass Spanien eine Ausnahme in Europa war, in dem es keine Partei gab, die in vollem Umfang und klar die Ultrarechte in den Institutionen vertreten hat. Dafür haben aber andere Parteien diese Funktion in den letzten 40 Jahren übernommen. Nehmen wir die sogenannte "transición", den Übergang nach dem Tod des Diktators Franco 1975 bis etwa 1982.
1978 wurde die Verfassung verabschiedet und die erste rechtsextreme Partei war Fuerza Nueva (Neue Kraft) unter Blas Piñar, die versuchte, die Franquisten zu sammeln. Diese franquistische Partei ohne Franco schaffte es nicht, die neue politische Lage entsprechend zu analysieren. Dazu gab es andere Parteien, wie die "Demokratische Zentrumsunion" (UCD) unter dem damaligen Präsidenten Adolfo Suárez, der bedeutende Posten im Franquismus eingenommen hatte. Er war Führungsmitglied der franquistischen Einheitspartei und zuletzt ihr Vize-Generalsekretär. Und das war der erste Präsident des demokratischen Spaniens. Wenn man in Google sucht, findet man Bilder von Súarez mit der zum Hitlergruß ausgestreckten Hand.
Dann gab es mit der "Volksallianz (AP) eine weitere Partei, die dann später in die heutige Volkspartei (PP) umbenannt wurde, die von sieben ehemaligen Ministern der Franco-Diktatur gegründet wurde. Der bekannteste ist sicher Manuel Fraga Iribarne, der bis zu seinem Tod 2012 Ehrenpräsident der PP war. Sowohl die UCD und auch die AP versuchten, die Franquisten zu integrieren, um an die vielen Stimmen des Sektors im Land zu kommen, der als soziologischer Franquismus bezeichnet wird.
Ist ihnen das gelungen?
Jordi Borràs: Letztlich schon, denn es hat keine Entwicklung in der extremen Rechten in Spanien gegeben. Anders als in Frankreich zum Beispiel, wo es im Rahmen der Reaktion auf die Mairevolten zu einer Veränderung der Ultrarechten zu einem Neofaschismus und der neuen Rechten in Frankreich kam, passierte das in Spanien nicht. Hier war der Falangist aus dem Jahr 1939 praktisch identisch mit dem von 1975.
Warum gab es keine Veränderung?
Jordi Borràs: Es gab in Spanien keine Notwendigkeit dazu. Es gab keinen Bruch, es gab keine Bestrafungen … Ich würde aber auch sagen, dass es kein rein faschistisches System war. Ich glaube, das war ein Regime, das in Italien geboren wurde und dort auch starb. Das ist ähnlich wie mit dem Nazismus in Deutschland und dem Franquismus in Spanien. Allerdings heißt das nicht, dass alle drei Regime aus dem gleichen Stamm kommen.
Der Franquismus hat sich schon unter Franco nicht verändert und im Übergang wurden die Wähler und Kader von den nun konservativen Parteien aufgesaugt. Das dauert bis heute an und hinzu kommen verschiedene Faktoren, wie die extreme Zersplitterung der Rechtsextremen. So ließ es Blas Piñar zu, dass sich die Fuerza Nueva auflöste, deren großer Führer er war. In den letzten 40 Jahren gab es keinen solchen Führer mehr. Es scheint, als könnte es der VOX-Chef Santiago Abascal werden.
Wieso hat VOX nun diesen Erfolg?
Jordi Borràs: Zunächst einmal deshalb, weil sie nicht offen als Erbe des Franquismus auftritt, wie auch Marine Le Pen nicht die Nazi-Kollaboration verteidigt oder die AfD in Deutschland auch nicht den NS. Diese neue Welle der ausländerfeindlichen Rechtspopulisten hat es verstanden, die Diktaturen zur Seite zu schieben, denn nur so können sie sich verkaufen. Das wäre unmöglich, wenn man versuchen würde, diese kriminellen Mörder zu verteidigen. Natürlich gibt es diese Leute darin auch, aber mit diesem Diskurs stößt man schnell an eine Grenze, wie es bei Vater Le Pen in Frankreich deutlich wurde. Weshalb sich Marine erfolgreich von einigen Einstellungen des Vaters abgesetzt hat.

"Anwesende Abwesenheit"

Wie würden Sie den VOX-Chef und die Partei einstufen?
Jordi Borràs: Santiago Abascal wird sich bei seinen öffentlichen Auftritten nicht als klarer Franquist zeigen, obwohl er einer ist. Alle in dieser Partei sind Franquisten. Und um auf die erste Frage zurückzukommen, dass angeblich erstmals Rechtsextreme ins Parlament eingezogen sind: Wer das behauptet, weiß nicht, wie die Rechtsextremen hier funktionieren. Hier ist etwas sehr Interessantes passiert. Spezialisten wie Xavier Casals, Professor an Universität Ramon Llull definiert das als eine "anwesende Abwesenheit". Denn auch wenn die Rechtsextremen nicht in Form einer großen Partei repräsentiert waren, wurden ihre Vorstellungen über konservative Parteien repräsentiert. Sie waren auch ohne Partei fähig, deutlich die politische und juristische Tagesordnung mitzubestimmen.
In welchen Formen wurde das umgesetzt?
Jordi Borràs: Neben der Beeinflussung der Parteien hat VOX auch massiven Einfluss auf die Justiz über ständig neue Anzeigen genommen. Sie tritt als Nebenkläger in zahllosen Verfahren auf, wie auch in den Verfahren wegen angeblicher Rebellion gegen katalanische Politiker wegen des Unabhängigkeitsprozesses. VOX hat in Katalonien bei den letzten Wahlen im Dezember 2017 nicht einmal 150 Stimmen gewonnen.
Jordi Borràs. Bild. R.Streck
Wie kommt es nun zu diesem schnellen Zuwachs, wie man ihn zuletzt in Andalusien gesehen hat?
Jordi Borràs: Das Phänomen ist dem sehr ähnlich, wie das, was die PP mit den Ciudadanos (Cs) zuvor erlebt hat. Als die Cs aufgetaucht sind, gingen Kader, Mitglieder und Wähler von der PP zu den Cs über. Und heute läuft das von beiden Parteien in Richtung VOX, denn die extreme Rechte war mit der anwesenden Abwesenheit fähig, das Zentrum immer weiter nach rechts zu verschieben. Das geht so weit, dass nun führende Sozialdemokraten fordern, katalanische Unabhängigkeitsparteien zu verbieten. Der große Erfolg der Rechtsextremen in Spanien ist, dass es ihnen auch ohne große Partei gelungen ist, ihre Ideen durchzusetzen, die die Politik und die Medien dieses Landes bestimmen.
… und tatsächlich hatten die Sozialdemokraten (PSOE) keinerlei Probleme damit, im Baskenland reihenweise Parteien und Wählerlisten zu verbieten.
Jordi Borràs: Das stimmt und die große bewaffnete Organisation, zusammengesetzt aus Söldnern, Rechtsextremen und Guardia Civil waren die Todesschwadronen GAL unter einer PSOE-Regierung. Heute haben wir folgendes Szenario. Die PSOE kauft den Diskurs der Cs, die Cs den der PP und die PP den Diskurs von VOX. Und so bewegen sich alle immer weiter nach rechts.
Wie sind die Verhältnisse zwischen PP, Cs und Vox? Kann man Cs und VOX als Abspaltung der PP bezeichnen?
Jordi Borràs: Schauen wir uns die Parteiführer an: Santiago Abascal war PP-Mitglied und auch der Cs-Chef Albert Rivera war PP-Mitglied, auch wenn er das immer wieder bestreitet. So hat eine Zeitung schließlich die Mitgliedsurkunde von Rivera in der PP-Jugend veröffentlicht. Ich habe kürzlich Dokumente veröffentlicht, die belegen, dass Josep Bou Vila, PP-Kandidat für das Bürgermeisteramt in Barcelona, 1978 Mitglied von Fuerza Nueva wurde. Sie gehen als dem gleichen Stamm hervor. Sie kommen alle nicht aus einer christdemokratischen liberalen Rechten, sondern sie kommen aus einer Rechten mit franquistischer Tradition. Das ist eine Realität. Wenn man zum Beispiel von der baskischen oder katalanischen Rechten spricht, dann gibt es zu diesen Leuten einen klaren Unterschied. Es waren Anti-Franquisten.

Ciudadanos waren eine Antwort auf das Phänomen Podemos

Gehen wir etwas näher auf die Ciudadanos ein. Während VOX noch eine klare Beschränkung haben dürfte, zeigten die Wahlen in Andalusien auch, dass die Cs dabei sind, der PP den Rang abzulaufen. Wer steht hinter einer Partei, die sehr schnell gewachsen ist? Ihre teuren Wahlkämpfe wollen bezahlt sein.
Jordi Borràs: Gegründet wurde die Partei in Katalonien. Sie entstammt einem Sektor von frustrierten spanischen Nationalisten aus der Sozialdemokratie und der PP, aber auch aus der extremen Rechten. Zentral ging es ihr zunächst um den Kampf gegen die katalanische Sprache. Ihr größtes Anliegen war, dass ihre Kinder in der Schule in spanischer statt in katalanischer Sprache unterrichtet werden, dass die Lehrer und Beschäftigten in den Schulen kein Katalanisch lernen. Das war 2006. Doch erst ab 2015 macht die Partei den Sprung nach Spanien, denn es gibt einige faktischen Mächte im Land, die das fördern. Es war eine Antwort von rechts auf das Phänomen Podemos. Ciudadanos war nicht als Rechtspartei geplant, sondern als Zentrumspartei.
Und es ist auch klar, dass es einigen in der PP gefällt, ja sogar in der PSOE, dass es diese Partei gibt. Es ist bekannt, dass Alfonso Guerra, ehemaliger spanischer Vizepräsident der PSOE, Rivera mit dem Unternehmer bekannt gemacht hat, der dann das erste Parteibüro der Cs finanziert hat. Das war Miguel Rodríguez, der von den Festina-Uhren. Das bedeutet, dass ein sozialdemokratischer Regionalfürst für die Finanzierung der ersten landesweiten Wahlkampagne der Cs gesorgt hat, einer Partei, die seiner Partei in Katalonien einen Teil der Stimmen abgenommen hat.
Neben der Finanzierung ist aber auch noch bedeutsam, wie eine Partei wie Cs oder jetzt VOX in den großen Medien behandelt wird. So wird nun zum Beispiel Abascal einfach zu Debatten eingeladen, als wäre er ein ganz normaler Politiker, dabei sind die Rechtsextremen real Anti-Demokraten. So wurde zuvor auch schon Rivera groß gemacht, während andere Stimmen in den Leitmedien nicht oder kaum vorkommen. Die katalanischen Unabhängigkeitsparteien kommen, obwohl sie im spanischen Parlament vertreten sind, in den dortigen Medien kaum zu Wort.
Haben nicht Rivera und seine Cs versucht, sich reinzuwaschen? Traten sie nicht zunächst deutlich offener auf, wie in der Kampagne mit der rechtsextremen und identitären Libertas bei den Europaparlamentswahlen 2009? Heute verkaufe sie sich als "liberale", was ihnen in Europa ja auch weitgehend abgekauft wird. Sie sind im Europaparlament in der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa und arbeiten in Deutschland mit der FDP zusammen, während sie ihre Koalitionsregierung in Andalusien nun von der rechtsextremen VOX stützen lassen. Wie sieht es denn in den Parteikadern aus?
Jordi Borràs: Zunächst sei klargestellt, dass weder die PP noch die Cs rechtsextreme Parteien sind. Das ist schon aus einem einfachen Grund so: Wenn das Rechtsextreme sind, was ist dann VOX? Aber auch wenn es keine rechtsextremen Parteien sind, heißt das nicht, dass sie keine rechtsextremen Diskurse führen. Schauen wir uns den ehemaligen Bürgermeister von Badalona und PP-Chef in Katalonien Albiol an. Der ließ Wahlplakate mit dem Aufruf aufstellen, Badalona zu reinigen. Die Cs kamen kürzlich mit einem Wahlspruch, der Ihnen vielleicht bekannt vorkommt: Sicherheit und Ordnung.
Die Cs sind ein sehr gutes Marketing-Produkt. Ihre Chefin in Katalonien Ines Arrimadas kann sich gut darstellen und timt ihre Aktionen stets gut. Wenn sie ein Plakat im Parlament zeigt, dann sicher genau zu dem Zeitpunkt, damit es noch in die Mittagsnachrichten kommt und natürlich in Richtung unserer Kameras. Doch die Kader sind in Wirklichkeit ein Drama. Wir finden Leute, die aus rassistischen Organisationen, aus der Falange, stammen, Gewalttäter, die auch heute zum Beispiel immer wieder Unabhängigkeitsbefürworter angreifen und bedrohen. Das ist die Normalität und der wesentliche Aspekt, der sie verbindet, ist, dass es spanische Ultranationalisten sind. Spanien, Spanien, Spanien ist ihre Losung. Und erstaunlicherweise trat 2015 und 2017 bei den Wahlen erstmals keine ultrarechte Partei in Katalonien an. Diese Leute wählten alle Ciudadanos. Parteien wie die Falange oder MSR sind nicht angetreten. Sie haben auch klar erklärt, dass sie nicht wollten, dass die ultranationalistischen Stimmen aufgespalten werden.
Wie reagiert die Partei, wenn Sie Artikel mit der rechtsextremen Vergangenheit ihrer Kader veröffentlichen?
Jordi Borràs: Das ist unterschiedlich. Vor den letzten Gemeinderatswahlen habe ich eine Liste mit 15 Namen veröffentlicht. Es waren nur 15 Rechtsextreme, die auf Listen der Partei kandidierten, weil ich nur drei Tage Zeit hatte, sonst hätten es viel mehr sein können. Da war zum Beispiel der Fall des Ex-Führers der Jugendorganisation der Fuerza Nueva in Katalonien. José María Fuster-Fabra ist ein Anwalt, der einst eine gewalttätige Gruppe angeführt hat, der auf der Liste der 15 war. Weil wir im Vorwahlkampf waren, versuchte die Partei, sie wieder von den Listen zu nehmen. Als der Wahlkampf vorbei war und ich weiterhin Namen veröffentlichte, passierte nichts mehr, obwohl es auch gewählte Stadträte trifft.
In welcher Form verhalf die sogenannte "Katalanische Zivilgesellschaft" (SCC), die von der ultrarechten Somatemps gegründet, in der von Ultrarechten bis zum heutigen PSOE-Außenminister Josep Borrell eine illustre Truppe zusammentrifft, den Cs zu ihrem Wahlerfolg in Katalonien, bei dem die PP vor gut einem Jahr fast aus dem Parlament geworfen wurde?
Jordi Borràs: Die SCC speiste sich vor allem aus vier Lagern: PP, Cs, den katalanischen Sozialdemokraten (PSC) und aus Rechtsextremen, wie VOX und andere. Die Strategien darin sind unterschiedlich und gerade wurden der SCC-Präsident und zwei Sprecher geschasst, die zur PP gehörten, weil sie Gelder veruntreut haben sollen. Sie wurden durch Cs-Leute ersetzt.
Die SCC vertrat immer die Interessen einer Partei und vor allem die der Cs, auch wenn die intern mit der PP und PSC ihre Kämpfe ausfechten. Den Cs hat die Organisation stark geholfen und sich stets als etwas ausgegeben, was sie nicht ist. Der erste SCC-Präsident musste zurücktreten, weil der ultrarechte Josep Ramon Bosch Somatemps-Mitglied war. Er musste abtreten, dank einer Untersuchung von mir. Darüber habe ich das Buch "Desmuntant Societat Civil Catalana" (Demontage der Katalanischen Zivilgesellschaft) verfasst. Der letzte wurde als mutmaßlicher Dieb geschasst. Das ist ein absoluter Chaoshaufen.
Die große zivilgesellschaftlich Organisation Katalanischer Nationalkongress (ANC) hat zwei ehemalige Präsidenten im Knast sitzen: Carme Forcadell und Jordi Sànchez. Aber nicht wegen Diebstahl oder weil es Nazis sind, sondern weil sie für die Unabhängigkeit sind. Da sieht man einen klaren Unterschied. Die SCC-Leute sind nicht im Knast, mussten aber abtreten. Die SCC hat auch vielen als Trampolin gedient, um über die Cs in die Politik zu springen.

Der heftigste Angriff kam bisher von einem Nationalpolizisten

Kommen wir zum Ende noch zu ihrer persönlichen Situation. Sie wurden schon angegriffen, erhalten Drohungen ... Können Sie noch normal arbeiten?
Jordi Borràs: Nein. Während ich kürzlich in Warschau eine faschistische Demonstration problemlos begleiten konnte, geht das hier nicht. Ich kann solche Demonstrationen von Unionisten nur noch hinter der Polizeikette verfolgen. Bei einer kleinen Versammlung von Rechtsradikalen kürzlich riefen sie: Jordi Borràs - camera de gas (Jordi Borràs in die Gaskammer). Das ist üblich. Ich werde seit fünf Jahren angegriffen. Der heftigste Angriff kam bisher von dem Nationalpolizisten, der mich angegriffen hat, als ich das Ateneu hier verlassen habe.
Wie lief das genau ab?
Jordi Borràs: Ich war hier, um eine politische Veranstaltung zu fotografieren. Als ich zum Parkhaus ging, traf ich auf einen Typ, der ins Handy sprach. Das war in einer engen Gasse, in der sich niemand befand. Er schaute mich feindselig an und als ich an ihm vorbeiging, rief er: Es lebe Spanien. Ich ging weiter, denn wir versuchen jeder Konfrontation zu entgehen. Er rief erneut, aber da er ins Telefon sprach wusste ich nicht, ob das mir galt.
Der Typ steckte das Handy ein, schaute sich um, ob es Zeugen gab und da niemand zu sehen war, stellte er sich vor mich. Er rief erneut: Es lebe Spanien und es lebe Franco. Dann begann er auf mich einzuschlagen, wie ich es noch nie erlebt habe. Später habe ich erfahren, dass er und sein Bruder Kampfsport betreiben und eine Schule eröffnen wollten. Mir war gleich klar, dass das keine normalen Schläge und Tritte einer normalen Person waren.
Ich versuchte mich zu schützen, trotz allem brach er mir das Nasenbein. Ich habe dann um Hilfe geschrien und hier im Zentrum von Barcelona gibt es viele Touristen. Damit die Leute kommen, habe ich nach der Polizei gerufen. Als ich das tat, während ich seine Beine umklammerte, um keine Kniestöße mehr zu bekommen, sagte er plötzlich: Ich bin Polizist. Ich habe das in dem Moment nicht ernst genommen, doch als Leute zusammenliefen, trat er etwas zurück und versucht zu entkommen. Einige junge Leute holen ihn ein und dann holte er plötzlich seine Dienstmarke heraus. Danach hat sich bestätigt, dass er nicht nur Polizist ist, sondern Inspektor der Informationsbrigade.
Bild: Borras
Glauben Sie, das war ein zufälliges Zusammentreffen?
Jordi Borràs: Mir kommt das sehr spanisch vor, da sehr viele Zufälle zusammentreffen. Eine unbelebte Gasse, durch die ich oft gehe, jetzt nicht mehr, wo gerade keine Zeugen sind ...
Und nun werde ich angeklagt, weil er mich nach meiner Anzeige am gleichen Abend auch angezeigt hat, ich hätte ihn angegriffen. Und ich bin davon überzeugt, dass ich nur deshalb jetzt hier sitze und nicht im Gefängnis bin, weil nicht einer der fünf Zeugen seine Aussagen stützt, sondern meine Version. Ich würde vermutlich sitzen, wie die jungen Leute aus Altsasua.
Könnte es sein, dass solch eine solche Geschichte wie mit der Auseinandersetzung in der Kneipe in der baskischen Kleinstadt provoziert werden sollte?
Jordi Borràs: Ich weiß es nicht, aber ich hatte Glück, dass Leute da waren, sonst wäre ich im Knast.
Wie läuft das jetzt mit dem Verfahren weiter?
Jordi Borràs: Jetzt werden die Schriften ausgetauscht und dann wird ein Prozesstermin festgesetzt. Aber zum Glück hat sich auch der Staatsanwalt für Hassverbrechen für mich ausgesprochen. Aber wir werden sehen, was der Richter macht.
Kann es auch noch schlimmer kommen? Fürchten Sie um Ihr Leben? Sie wären nicht der erste Journalist, der von Rechtsradikalen in Spanien ermordet wird.
Jordi Borràs: Eines ist völlig klar. Ich lasse mich nicht abschrecken und werde meine Arbeit weiter machen. Wenn ich störe, bedeutet das ja, dass ich da einiges richtig mache. So versuche ich das positiv zu deuten. Ich bin mir nach vielen Jahren der Risiken bewusst, auch der Grenzen, die ich nun habe.
Klar, ich will mein Leben nicht aufs Spiel setzen, weshalb ich abwäge, meine Arbeit anders anzugehen. Ich habe mich internationalisiert, war zweimal in Deutschland, gehe nach Italien und untersuche dort Nazi-Strukturen. Ich mache mehr im investigativem Bereich, statt als Fotojournalist zu dokumentieren. Das geht hier nicht mehr, denn wenn sie mich kriegen, werden sie mich umbringen.

Der im Interview angesprochene Josep Ramon Bosch, der einst von der SCC-Präsidentschaft zurücktreten musste, auch weil er über einen Facebook-Account unter dem falschem Namen Josep Codina Nazi-Propaganda verbreitet und Unabhängigkeitsbefürworter bedroht hat, ist am Samstag von dieser sogenannten "Katalanischen Zivilgesellschaft" erneut zum Präsidenten gewählt worden. Borràs hatte die Aktivitäten von Bosch einst enttarnt.

Mit seiner erneuten Wahl zum Präsidenten bestätigt die SCC, dass sie weiter "abdriftet", wie Borràs per Twitter mitgeteilt hat. Das sollte den spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez dazu bringen, seinen Außenminister und SCC-Aktivisten Josep Borrell zum Rücktritt zu zwingen, und die katalanische Sektion der Sozialdemokraten (PSC) dazu, diese Organisation zu verlassen, die sich damit eindeutig am äußersten rechten Rand positioniert.

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