Wer Wolken nicht liebt, der meide Ecuador
Wenn die Krise Dollar wird - Experten bezeichnen Ecuador nach zwei Jahren Dollarisierung als "Spiegelbild Argentiniens"
Eine relative Erholung der Wirtschaft auf Kosten einer drohenden Staatspleite. Die Einführung des Dollar als offizielle Landeswährung vor zwei Jahren sollte die ecuadorianische Wirtschaft aus ihrer Krise retten. Zwar sprechen aktuelle Zahlen von einer Erholung, doch spätestens nach der Argentinien-Krise (Vgl.Quo vadis Argentina?) wächst die Angst in dem kleinen südamerikanischen Land vor einer ähnlichen Devisenpleite. Die kommende Wahlperiode könnte potenzielle Investoren abschrecken und somit den Wirtschaftsplan auf Pump zunichte machen.
Dollarisierung bedeutet Krise. Nachdem der Sucre sich als feste Währung Anfang 2000 mit einer fast 100-prozentigen Inflation von den internationalen Finanzmärkten verabschiedet hatte und eine Wirtschaftskrise Ecuador in die Armut riss, sah sich die Regierung gezwungen, unter der Regie des Internationalen Währungsfonds IWF den US-Dollar als Landeswährung einzuführen. Die sofort eintretende Folge waren deutliche Preiserhöhungen bei allen Konsumprodukten vom einfachen Brot bis zur Galone Treibstoff. Massenproteste und Krawalle bis hin zu einem Umsturz durch Indigenas und Teilen des Militärs kostete dem damaligen Präsidenten Jamil Mahuad das Präsidentenamt. Nachfolger Gustavo Noboa konnte gleichfalls nur noch auf denselben Zug aufspringen und die Einführung des Dollars allenfalls mit sanfteren Methoden umsetzen. Das hatte seinen Preis: mit Kreditaufnahmen und Subventionshilfen musste der Staat die geringer ausgefallenen Preissteigerungen auffangen, um der sozialen Schieflage und weiteren Protesten entgegenzusteuern. So hat nach zwei Jahren Dollarzirkulation ein Drahtseilakt aus Neuverschuldung und neurotischer Suche nach Investoren die Schulden weiter erhöht und dem Land ein Handelsdefizit beschert.
Laut ecuadorianischer Zentralbank haben sich die Auslandsschulden Ende des Jahres 2001 von 13,4 Milliarden um vier Prozent auf 14,05 Milliarden aufgetürmt. Ein Schuldenmoratorium gegenüber ausländischen Gläubigern hatte 1999 die ecuadorianische Wirtschaft samt Sucre international ruiniert, nachdem man Kredite nicht mehr zurückzahlen konnte. Die jetzt vorgelegten Zahlen zeigen, dass bisher ein Abbau der Schulden trotz Wirtschaftswachstums und Dollar alles andere als realisierbar war. Zwar konnte für das Jahr 2000 einen Aufschwung von 2,3 und für das letzte Jahr 5,4 Prozent verzeichnet werden. Jedoch kompensierte man damit bisher nur die Rezession von 1999, die bei 7,3 Prozent lag.
Viele Wirtschaftsexperten sprechen wie der Präsident nach wie vor von einem positiven Effekt der Dollarisierung. Besonders für Exporteure, da sie sich durch den festen Dollar nicht mehr mit schwankenden Kursen herumschlagen müssen und somit verlässlichere Berechnungen durchführen können. Zudem biete der Dollar einen Anreiz für ausländische Investoren. Tatsächlich haben sich Investitionen im letzten Trimester 2001 mit 355 Millionen US-Dollar zum Vorjahreszeitraum mehr als verdoppelt.
Schieflage in der Handelsbilanz
Andere Beobachter sehen jedoch in der wirtschaftlichen Entwicklung eine tickende Zeitbombe. So habe sich die Schieflage zwischen Import und Export weiter vergrößert. Mit der Einführung des Dollar verteuerten sich ecuadorianische Produkte, was den Absatz dramatisch einbrechen ließ. "Ein Hemd aus kolumbianischer Produktion kostet 12 US-Dollar, ein ecuadorianisches mittlerweile 40", stellte die Wirtschaftszeitschrift Gestión heraus. So sei der Exportumfang im Jahre 2000 ohne Ölwirtschaft um knapp 17 Prozent gefallen, im letzten Jahr insgesamt um acht Prozent. Dagegen haben Importe in den letzten 24 Monaten steil zugenommen. Im Jahr 2000 um 62 Prozent und 2001 um 45 Prozent. Nur die Einnahmen aus der verstärkten Erdölförderung und seinen hohen letztjährigen Erlösen konnten diese wirtschaftliche Schieflage etwas mildern, genauso wie die in den letzten Jahren immer wichtiger gewordenen Überweisungen ecuadorianischer Emigranten aus dem Ausland. Im Jahre 2001 verzeichnete das Land eine Geldeinführung durch Überweisungen von 1,4 Milliarden (sic!) US-Dollar. Mehr als die Einnahmen aus dem Export von Bananen, Krabben, Kaffee und Kakao zusammen. Trotzdem musste das Land für das Jahr 2001 erstmals seit zehn Jahren ein Handelsdefizit von über 100 Millionen US-Dollar in Kauf nehmen.
Risiko der Devisenknappheit
Hinzu kommt die weiterhin bei 22 Prozent liegende Inflation, der höchsten des Kontinents, die statt durch Abwertung nur durch steigende Preise oder staatliche Subventionen ausgeglichen werden kann. Denn das Mittel der Geldpolitik hat das kleine südamerikanische Land mit der Dollareinführung an die US-Notenbank abgegeben, die wohl kaum auf die Bedürfnisse der Ecuadorianer eingehen wird. Die Folgen sind weitere Verarmung in der Bevölkerung, da die Lohnsteigerungen nicht annähernd der Inflationsrate und somit den Preissteigerungen entsprechen. Bereits jetzt haben viele Ecuadorianer Schwierigkeiten, ihre Mieten zu zahlen. Zwar hat sich die offizielle Arbeitslosenrate bei zehn Prozent eingependelt. Doch laut der Lateinamerikanischen und Karibischen Wirtschaftkommission Cepal wird jeder zweite Ecuadorianer nur noch in Teilzeit beschäftigt oder verdingt sich seine wenigen Dollar im Verkauf von Werkzeugen oder Schokolade auf der Straße. "Die Konsumpreise steigen weitaus schneller als in den anderen lateinamerikanischen Ländern. Den Ecuadorianern geht langsam das Geld aus", konstatiert Cepal.
Einhellige Meinung besteht deshalb auch bei Dollarisierungsverfechtern, dass in absehbarer Zeit das Risiko einer Devisenknappheit anstehen könnte. Die Regierung lanciert deshalb eine Finanzreform im Kongress, die öffentliche Ausgaben stärker kontrollieren soll, um Mittel zur Bildung eines Stabilitätsfonds für zukünftige Krisen zur Verfügung zu haben. Diese verspricht man sich aus erhöhten Einnahmen aus Erdölfeldern, welche die Regierung im Eiltempo anbohren lässt.
Proteste unerwünscht
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist nach Ansicht von Wirtschaftsfachleuten die unzufriedene Masse der Bevölkerung. Das Ansehen Noboas lag Anfang des Jahres bei einem Rekordtief von 20 Prozent, nachdem er die Benzinpreise weiter erhöhen musste. Darauffolgende gewalttätige Proteste von Studenten haben Unsicherheit bei Ökonomen verbreitet. Was man jetzt am allerwenigsten brauche, so die Wirtschaftsmacher, sei politische Instabilität. Diese könnten wie an einer Zündschnur aufgebautes internationales Vertrauen und die davon abhängende wirtschaftliche Erholung zunichte machen. In den letzten fünf Jahren regierten fünf verschiedene Präsidenten das Land. Der Politologe César Montúfar sieht das größte Risiko in einer anstehenden Periode von Regionalwahlen, die 2003 in die Präsidentschaftswahlen münden. Linke und Indigena-Parteien könnten dann Wahlerfolge einfahren, die unsoziale Gesetzeserlasse zum Wohle der Dollar-Wirtschaft blockieren könnten.
Ein Wirtschafts-Analyst prophezeite dem Land weniger deshalb Krisen voraus als wegen der fehlerhaften Wirtschafts-Strategie des Präsidenten, die dem Land dasselbe Schicksal wie Argentinien erleiden lassen könnte. So seien die jetzigen Wirtschaftsdaten ein "Spiegelbild der argentinischen Wirtschaft Anfang der neunziger Jahre", als man den Peso eins zu eins an den Dollar koppelte. Mit einem unfinanzierbaren Haushalt, der sich "Dank eines starken Dollars ausschließlich auf ausländische Investitionen konzentriert", seinen kaum schnelle Exportsteigerungen zu erwarten. Auf diese ist das Land laut dem Ökonom Alberto Acosta jedoch auf Gedeih und Verderb angewiesen. "Um eine negative Zahlungsbilanz zu verhindern, muss das Land alle Rohstoffe exportieren, die es zu bieten hat. Von Holz über Früchte bis zum Erdöl. Das ist extrem umweltschädlich und trägt zur Verschlechterung der sozialen Verhältnisse bei." Gegen die Verlegung einer Erdöl-Pipeline, teilfinanziert durch die deutsche WestLB, hatte Greenpeace erst Mitte Januar protestiert. Laut der Umweltschutzorganisation seien bei der Umweltverträglichkeitsprüfung für die Pipeline international gültige Prinzipien der Weltbank verletzt worden, da man diese durch ein besonders geschütztes Waldgebiet verlegen will.
Eine IWF-Delegation will Ende Januar mit der ecuadorianischen Regierung ihre Wirtschaftsstrategie beraten. Der ständige Repräsentant des IWF in Ecuador Jeffrey Franks sieht zwar noch keine Tango-Krise auf Quito zukommen, jedoch seien "Strukturreformen nötig". Er sehe keine akuten Probleme für die kommenden zwei Jahre, doch danach könnten "einige Risiken" auftreten. Zunächst soll die größte Bank Ecuadors Filanbanco aufgelöst werden. Sie musste bereits im Juli letzten Jahres wegen Liquiditätsschwierigkeiten ihre Türen schließen. Geplant ist offenbar auch ein neuer 300 Millionen-Dollar-Kredit des IWF, um die finanzpolitischen Probleme aufzufangen. Als positiv hob Franks jedoch hervor, dass das Land erstmals seit 15 Jahren Vereinbarungen mit dem IWF erfüllt habe. Das hat man nun davon.